"So jung und ohne Erfahrung"

Der junge Franz Josef.
Serie Teil 4. Ein noch recht unbeholfener Brief des 18-jährigen Kaisers Franz Joseph.

Es sind nur ein paar Zeilen, die der eben zum Kaiser ernannte Franz Joseph an seinen ehemaligen Erzieher schrieb. Aber sie zeigen, wie sehr der 18-Jährige, der sich selbst als "so jung und ohne Erfahrung" bezeichnete, ins kalte Wasser gestoßen wurde. Man muss sich vorstellen, dass Franz Joseph noch ein pubertierender Jüngling war, als er 1848 in einer Art Notaktion zum Herrscher des Habsburgerreichs wurde, weil sein Onkel, der "gütige Kaiser" Ferdinand, seiner Aufgabe nicht gewachsen war.

Auf der Flucht

Die kaiserliche Familie befand sich, als Franz Joseph den Thron bestieg, auf der Flucht vor den Revolutionären in der Stadt Olmütz in Mähren. Dort erhielt der junge Kaiser von seinem Erzieher Johann Graf Coronini ein Schreiben, mit dem er ihm zu seiner neuen Aufgabe gratulierte.Coronini war 1836 an den Hof berufen worden, um die Stelle als Erzieher des sechsjährigen Franz Joseph anzutreten. Der k. k. Oberst blieb bis knapp vor dessen Bestellung zum Kaiser in seinen Diensten. Darüber hinaus standen dem jungen Erzherzog Franz Joseph eine Reihe von Lehrern, "ein Kammerdiener, ein Kammerjunge, zwei Leiblakaien, ein Zimmerputzer, ein Hausknecht und ein Zimmerweib" zur Verfügung.Franz Joseph entwickelte im Lauf der Jahre Respekt und Verehrung für Coronini und wandte sich mit seinen Sorgen und Nöten stets an den Grafen, der ihm zur wichtigsten Bezugsperson wurde.

Der Kaiser als Lausbub

Seinem Jugendtagebuch ist zu entnehmen, welch große Anhänglichkeit Franz Joseph dem Grafen Coronini gegenüber empfand: "Was wird aus mir werden", schreibt der 14-jährige Erzherzog, "wenn einmal meine Erziehung vollendet, und ich von ihm mich werde trennen müssen!"Coroninis Tagebücher zeigen auf, dass der künftige Kaiser bis zu einem gewissen Grad ein "Lausbub" war, der sich etwa am 25. Mai 1845 mit seinen Brüdern prügelte, worauf er zur Strafe an diesem Tag seine Eltern nicht sehen durfte.In keiner Franz-Joseph-Biografie fehlt der kritische Vermerk, dass eine der großen Schwächen des Kaisers seine fantasielose, bürokratische Art des Regierens gewesen sei. Dazu könnte – glaubt man den Aufzeichnungen seines Erziehers – dieser selbst einen nicht unwesentlichen Beitrag geleistet haben. In seinen Augen war Franz Joseph viel zu oft "Ablenkungen" ausgesetzt, wozu er vor allem die von ihm missbilligten Theaterbesuche zählte: "Kein Maaß, keine logique, keine Berechnung, sondern bare Verblendung", meinte Coronini am 16. November 1846, weil Franz Joseph in dieser Woche vier Mal im Theater gewesen ist.

Sexuelle Kontakte

Ablehnend verhielt sich Graf Coronini auch, wenn es um das zunehmende Interesse des Erzherzogs für das weibliche Geschlecht ging. Franz Joseph war ein begeisterter Tänzer und besuchte gerne Bälle, wo er mit jungen Aristokratinnen in Kontakt kam. Während seine Mutter Sophie erste sexuelle Kontakte mit ausgewählten Damen – die vorher einer gründlichen ärztlichen Untersuchung unterzogen wurden – durchaus befürwortete, zeigte sich Coronini entsetzt, als der 17-Jährige einem Mädchen den Hof machte. Coronini hielt es für unschicklich, dass der Erzherzog nach einem Abendessen mit der jungen Dame "in heiterem Beisammensein verblieben war".

"So jung und ohne Erfahrung"
kurier
Die Tätigkeit des Erziehers für Franz Joseph endete im April 1848, ein halbes Jahr bevor dieser Kaiser wurde. Franz Joseph trug ihm seine Haltung, junge Frauen von ihm fernzuhalten, nicht nach, wie dem bisher unveröffentlichten Brief – einem weiteren Fundstück also – zu entnehmen ist, den der vier Tage zuvor gekrönte Monarch am 6. Dezember 1848 an seinen geliebten Erzieher und väterlichen Freund schickte:

"Lieber Graf Coronini! Tausend Dank für Ihren lieben Brief, den ich gestern erhielt. Was ist seit ihm alles geschehen. Das schwerste Amt ist mir geworden, der ich noch so jung und ohne Erfahrung bin. Doch so fürchterlich die Aufgabe ist, so verzweifle ich doch nicht, und mit Gottes Hilfe, mit der Stütze der besten Minister, die wir in der Monarchie finden konnten, mit gutem Willen von meiner Seite und gestützt auf eine solche Armee, wird vielleicht doch etwas zustande kommen. Sie werden mir gewiss auch als Ihrem Kaiser immer so gute Ratschläge ertheilen wie bis jetzt...

Es ist eine der wenigen Freuden, die ich habe, dass ich nun eine bestimmte Aufgabe und Beschäftigung habe, was mir doch in der letzten Zeit sehr abging... Leben Sie wohl, lieber Coronini, nie habe ich es mehr gefühlt wie jetzt, wie vielen Dank ich Ihnen schuldig bin. Ihr treu ergebenster Freund Franz Joseph."

Man kann sich kaum vorstellen, dass der noch ein wenig unbeholfen formulierende Jüngling in diesen Tagen den Thron einer der größten und bedeutendsten Mächte der Welt bestiegen hat, und dass es das Schicksal wollte, dass er 68 Jahre lang Kaiser bleiben sollte.

Das neue Buch von Georg Markus

Der KURIER bringt Auszüge aus dem eben erschienenen Buch von Georg Markus, „Fundstücke“, in dem er historische Geschichten erzählt, die sich aus ihm zugespielten Tagebüchern, Briefen und Dokumenten ergeben. Darunter: „Das Tagebuch des letzten Adjutanten Kaiser Franz Josephs“, „Beethovens einzige Geliebte“, „Frau Alma hatt’ auch einen Pfarrer“, „Der Anfang vom Ende der Donaumonarchie“, „Die geheime Liebe der Anna Sacher“, „Malerfürst und Tochter der Sünde“, „Die Geschichte vor Mayerling“ u. v. a.

Georg Markus: „Fundstücke. Meine Entdeckungsreisen in die Geschichte“, Amalthea Verlag, 280 Seiten, viele Fotos und Dokumente, € 25,- Erhältlich im Buchhandel oder – handsigniert vom Autor – im kurierclub.at

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