Geheimakte JFK

Neues zum Kennedy-Mord, und doch fehlen immer noch wichtige Akten. Dies öffnet Verschwörungstheorien Tür und Tor.

Eins hat Donald Trump mit dieser Aktion geschafft: Dass die Verschwörungstheorien, die im Zusammenhang mit dem Kennedy-Mord seit Jahrzehnten blühen, jetzt eine noch größere Verbreitung finden. Denn zuerst anzukündigen, die Geheimpapiere zu dem Jahrhundert-Attentat freizugeben und dann entscheidende Unterlagen doch im Safe zu lassen, weckt natürlich neue Fantasien. Und die lenken perfekt von den politischen Problemen des Präsidenten ab.

5 Millionen Dokumente

Nach der Ermordung John F. Kennedys im Jahr 1963 wurden bei FBI und CIA fünf Millionen Dokumente angelegt. Der Großteil davon gelangte in den Jahren nach dem Attentat, das die Vereinigten Staaten wie kein anderes in Schock versetzte, in die Öffentlichkeit. Doch weil ein Rest von mehreren tausend Seiten weiterhin unter Verschluss blieb, kamen wilde Verschwörungstheorien auf, die in den USA große Verbreitung fanden. Hinter dem vermeintlichen Einzeltäter Lee Harvey Oswald steckten in Wahrheit – so wurde suggeriert:

  • Der amerikanische Auslandsgeheimdienst CIA.
  • Die Bundespolizei FBI.
  • Die Mafia.
  • Der Geheimdienst der Sowjetunion, KGB.
  • Der kubanische Staatschef Fidel Castro.
Geheimakte JFK
FILE PHOTO: U.S. President John F. Kennedy and first lady Jacqueline Bouvier Kennedy arrive at Love Field in Dallas, Texas less than an hour before his assassination in this November 22, 1963 photo by White House photographer Cecil Stoughton obtained from the John F. Kennedy Presidential Library in Boston. JFK Library/The White House/Cecil Stoughton/File Photo via REUTERS. THIS IMAGE HAS BEEN SUPPLIED BY A THIRD PARTY. IT IS DISTRIBUTED, EXACTLY AS RECEIVED BY REUTERS, AS A SERVICE TO CLIENTS
Die ungeheuerlichste Anschuldigung lautete aber: Drahtzieher des Mordanschlags sei Kennedys Vizepräsident Lyndon B. Johnson, der durch den Tod des Präsidenten selbst ins Weiße Haus ziehen konnte.Die Verschwörungstheorien gipfelten in dem 1991 gedrehten Film "JFK – Tatort Dallas" von Oliver Stone, der darlegen wollte, dass Oswald Teil eines weitverzweigten Komplotts gewesen sei. Und das, obwohl eine unabhängige Gerichtskommission bereits im September 1964 festgestellt hatte, dass Oswald "der alleinige Täter" war. Um zu diesem Ergebnis zu gelangen, wurden 600 Zeugen einvernommen und 3000 Beweisstücke ausgewertet. "Es gab keine Verschwörung", erklärte die "Warren-Kommission", Lee Harvey Oswald hätte aus dem fünften Stock eines Lagerhauses in Dallas drei Schüsse auf John F. Kennedy abgefeuert und ihn dadurch getötet.

Trumps Theorie

Doch Oliver Stones Film erregte derartiges Aufsehen, dass der US-Kongress 1992 den Entschluss fasste, die unveröffentlichten Akten in 25 Jahren freizugeben. Diese Frist endete am vorigen Donnerstag, dem 26. Oktober 2017. Und an diesem Tag sollten, so hat es Donald Trump angekündigt, die restlichen Unterlagen der Öffentlichkeit übergeben werden. Jener Donald Trump übrigens, der in seinem Wahlkampf im Vorjahr seine eigene Verschwörungstheorie ins Treffen geführt hatte:

Der Vater des republikanischen US-Senators Ted Cruz, der sich als Trumps Konkurrent ebenfalls um die Präsidentschaftskandidatur bewarb, hätte sich kurz vor dem Attentat mit Lee Harvey Oswald getroffen und sei somit dessen Komplize. Am Donnerstag wurden vom National Archive tatsächlich mehr als 2800 der 3100 bisher unter Verschluss gehaltenen Dokumente freigegeben. Vorerst lässt sich aus diesen Papieren ableiten:Geheimnisvoller AnrufDass 30 Minuten vor dem Kennedy-Attentat bei der britischen Zeitung Cambridge News ein Anruf eingelangt sei, der auf "große Nachrichten" aus den USA hinwies.Warnung an das FBIUnd dass das FBI vor der Ermordung des Kennedy-Attentäters Oswald durch den Nachtklubbesitzer Jack Ruby vor einem "Komitee zur Ermordung Lee Harvey Oswalds" gewarnt wurde.

FBI-Chef J. Edgar Hoover hätte daraufhin den Polizeichef von Dallas aufgefordert, den Personenschutz für Oswald zu verstärken, was jedoch nicht geschah. Gerade weil Oswald nie einvernommen werden konnte, entstanden die vielen Gerüchte und Spekulationen. Eine weitere am vergangenen Donnerstag freigegebene Information befeuert die Verschwörungstheoretiker:KGB-KontaktLee H. Oswald hatte laut einem Dokument vor dem Kennedy-Attentat Kontakt mit einem Agenten des KGB. Der Haken an der Geschichte: Die Russen brachen die Verbindung mit Oswald ab, da sie ihn für einen "neurotischen Spinner" hielten.Es gibt also vorerst keine Bestätigungen für die gängigen Verschwörungstheorien und somit nach wie vor keinen seriösen Hinweis dafür, dass Lee Harvey Oswald im Auftrag irgendeiner Organisation gehandelt hätte. Doch da am Donnerstag rund 300 der zur Veröffentlichung angekündigten Akten zurückgehalten wurden, feiern die Verschwörer vor allem in den sozialen Medien Hochsaison, auch weil jetzt eine neue Generation, die sich bisher kaum mit dem JFK-Mord beschäftigt hat, die Frage stellt: Warum wurden die versprochenen Akten nicht freigegeben? Als möglichen Termin zur Veröffentlichung der restlichen Dokumente nannte Trump den 26. April 2018. Wenn’s wahr ist.

Castro war schneller

Trump ist nicht der erste Präsident, der den Verschwörern in die Falle ging: Lyndon B. Johnson, der die "Warren-Kommission" zur Klärung des Kennedy-Mordes einberufen hatte, glaubte selbst nicht an deren Bericht, Oswald sei der alleinige Täter. Johnson vertrat die Ansicht, Kennedy wurde im Auftrag Fidel Castros getötet. Dennoch wies Johnson die "Warren-Kommission" an, "nur Oswalds Alleintäterschaft zu verfolgen, da das Bekanntwerden der Wahrheit die USA in einen Krieg ziehen würde, der Millionen Menschenleben fordert." Und kurz vor seinem Tod sagte Johnson zu dem Journalisten Howard K. Smith: "Kennedy versuchte, Castro zu töten, aber Castro war schneller."

Neue Nahrung

Es ist nachvollziehbar, dass CIA und FBI bestimmte Papiere, die die nationale Sicherheit, Informanten und andere Personen gefährden könnten, nicht freigeben. Nicht nachvollziehbar ist, dass Trump die Freigabe dieser Papiere verspricht, ohne sich vorher mit den Verantwortlichen seiner Geheimdienste abzustimmen, was eben dazu führt, dass alte Verschwörungstheorien neue Nahrung erhalten.Aber Verschwörungstheorien haben diesen Präsidenten immer schon fasziniert.

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