"Geächtet" im Burgtheater: Rotwein und Schweinslende

In der Defensive: Fabian Krüger – mit Katharina Lorenz, Nicholas Ofczarek und Isabelle Redfern
Tina Lanik inszenierte das Konversationsstück "Geächtet" von Ayad Akhtar handwerklich solide im hellen Licht.

Der "Gott des Gemetzels" hat wieder zugeschlagen. Mit aller Brutalität. "Geächtet" erinnert in der Grundkonstellation stark an die fein geschliffene Tragikomödie von Yasmina Reza vor einem Jahrzehnt: Der US-pakistanische Autor Ayad Akhtar, aufgewachsen in Milwaukee, lässt ein Abendessen unter New Yorker Bobos allmählich eskalieren. Vor einem Jahr trat das 2013 mit dem Pulitzer-Preis bedachte Stück seinen Siegeszug durch die deutschsprachigen Theater an; nun, zwei Wochen vor der Premiere am Grazer Schauspielhaus, erlebte es am Burgtheater seine österreichische Erstaufführung – in einer handwerklich sehr sauberen Inszenierung von Tina Lanik.

Im Zentrum steht ein Aufsteiger mit Migrationshintergrund. Amir baute sein Leben aber auf einer Lüge auf: Weil er glaubte, dass sein muslimischer Name Abdullah beim Erklimmen der Karriereleiter hinderlich sei, änderte er ihn in Kapoor um. Er wird nun, wiewohl seine Eltern Pakistani sind, als Inder angesehen. Der Chef schenkte ihm daher eine Schiwa-Statue.

Amir hat sich perfekt assimiliert, er hat dem Islam abgeschworen, er trägt gestärkte Hemden um 600 Dollar, er bewohnt mit seiner Frau Emily, einer Möchtegernkünstlerin, ein Penthouse in der Upper East Side von New York. Und er darf darauf hoffen, zum Partner der Kanzlei ernannt zu werden. "Leibowitz, Bernstein, Harris und Kapoor": Das wäre sein Name "neben lauter jüdischen".

Ein stolzer Sklave

Doch Emily, eine weiße, angelsächsische Protestantin, bringt Amirs Lügengebäude zum Einsturz – durch Naivität. Denn sie entdeckte den Islam (und die aus ihm entstandene Kunst des Ornaments) als Inspirationsquelle für die eigene Arbeit. Amir hingegen hält ihn für "eine rückständige Denkweise": Der Koran handle "vom Stammesleben in einer Wüste des siebten Jahrhunderts". Nur seiner vergötterten Frau zuliebe, die ihn zu Beginn des Stücks nach einer Vorlage von Velazquez als – wenn auch stolzen – Sklaven porträtiert, setzt er sich für einen Imam ein, der als Terrorist beschuldigt wurde. Und das hat Folgen: Just seine afroamerikanische Kollegin Jory wird ihm als Partnerin vorgezogen.

Beim Abendessen, zu dem das Paar Jory und Isaac geladen hat, treten unschöne Wahrheiten zutage. Bühnenbildner Stefan Hageneier hat passenderweise über die nüchtern-weiße Wohnzimmerlandschaft riesige Operationslampen montiert. Und Fabian Krüger bringt als Amir die Gründe von Akhtar, wieso es zu Gotteskriegern kommen musste, plausibel, analytisch, bedächtig vor.

"Geächtet" ist aber auch problematisch. Denn im Gegensatz zur Komödie "Monsieur Claude und seine Töchter", in der Vorurteile gegenüber anderen Völkern und Religionen nicht nur perpetuiert, sondern auch gekonnt karikiert werden, bestätigt "Geächtet" alle Klischees. Isaac, der jüdische Kurator des Whitney Museums, entpuppt sich als selbstgefälliges, zynisches Ekel – eine Rolle, in der Nicholas Ofczarek zu brillieren versteht.

Ja, auf der Ebene des Lebensstils – Rotwein und Schweinslende – treffen sich Amir und Isaac. Aber nur auf dieser. Später wird der eine dem anderen ins Gesicht spucken. Und der andere wird sagen: "Dass man euch Tiere nennt, hat einen Grund."

Natürlich geht es in diesem Rivalitätskampf auch um die strahlend schöne Emily (Katharina Lorenz): Isaac hat kein Problem damit, seine kühle Jory (Isabelle Redfern) mit ihr zu betrügen.

Lanik inszenierte meist vom Blatt, sie betont allerdings das Animalische von Amir: Gleich zu Beginn nimmt Krüger die weiße Frau von hinten – und zum Schluss vergewaltigt er sie. Diese Drastik hätte es nicht gebraucht. Es ist brutal genug, wenn er sie, wie im Stück verlangt, eiskalt schlägt.

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