Ganz vernarrt in Lissabon

Nachtzug nach Lissabon
Jeremy Irons: Der britische Schauspieler im Interview über seine neue Rolle als Langeweiler im Nachtzug.

Jeremy Irons hat schon viele aufregende Männer in seinem Leben dargestellt. Doch der Mann, den er in „Nachtzug nach Lissabon“ verkörpert (derzeit im Kino), gehört nicht dazu. Da spielt er einen Schweizer Literaturprofessor, der von seiner Frau verlassen wurde, weil sie ihn so langweilig fand.

„Es ist tatsächlich schwierig für einen Schauspieler, jemanden zu spielen, der relativ uninteressant ist “, gibt Jeremy Irons beim KURIER-Interview in Berlin fröhlich zu: „Als Schauspieler will man ja nicht nur zuhören und beobachten, sondern immer auch etwas tun. Schon deswegen, weil Filmen an sich ja meist eine langweilige und langsame Prozedur ist.“

20 Kinder mehr

Mit Bille August, dem Regisseur von „Nachtzug nach Lissabon“, war es aber natürlich alles andere als langweilig. Zum einen, weil der dänische Oscar-Preisträger ein flotter Arbeiter ist, der von jeder Szene höchstens zwei Einstellungen drehte – „und das gefällt mir“, sagt Irons.

Ganz vernarrt in Lissabon
Nachtzug nach Lissabon
Zum anderen, weil er mit Bille August schon vor 20 Jahren zusammengearbeitet hat – an Isabel Allendes Romanverfilmung „Das Geisterhaus“: „Und er hat sich seither nicht verändert. Er hat 20 Kinder mehr als noch vor zehn Jahren, aber sonst ist er ganz der Alte“, strahlt Irons. Auch „Nachtzug nach Lissabon“ ist eine Romanverfilmung, basierend auf dem Bestseller des Schweizer Philosophen und Autors Peter Bieri, der unter dem Pseudonym Pascal Mercier arbeitet. Seine literarische Vorlage führte das europäische Filmteam nach Portugal, und da vor allem nach Lissabon.

Dorthin verschlägt es den Schweizer Raimund Gregorius, nachdem er zuerst einer Unbekannten das Leben rettet und dann in ihrem Mantelsack einen Roman von einem gewissen Amadeo de Prado findet – plus ein Ticket nach Lissabon. Fasziniert von dem unbekannten Autor heftet sich Gregorius in Lissabon auf dessen Spuren. Allerdings, so erfährt er bald, kam de Prado unter dem portugiesischen Diktator Salazar ums Leben.

„Der Roman, der den Film inspirierte, ist einfach fantastisch“, schwärmt Jeremy Irons, „er ist sehr philosophisch und von vielen Menschen, die ich kenne, das absolute Lieblingsbuch.“

Natürlich wurde für das Kino vieles verändert: So verwandelt sich etwa der eher pessimistische Schluss des Buches in eine vielversprechende Liebesgeschichte: „Das ist normal“, winkt Irons ab, „Buch und Film sind einfach zwei ganz verschiedene Spezies, die unterschiedlich funktionieren. Und ich finde, die Entscheidungen, die Bille August getroffen hat, sehr gut.“

Auch, dass die Portugiesen fast allesamt von britischen und deutschen Schauspielern – wie Charlotte Rampling, August Diehl, Martina Gedeck und Bruno Ganz – gespielt werden und die Deutschen dann auch noch Englisch mit „portugiesischem“ Akzent sprechen, findet der Brite keineswegs anstößig: „Das stört manche Kritiker, aber mich nicht. Ich vergesse die Nationalitäten der Schauspieler – wichtig ist bloß die Emotionalität, die sie vermitteln. Ich bin ja auch ein Engländer, der einen Schweizer spielt – doch darum geht es nicht. Es geht um das menschliche Schicksal, um die innere Reise.“

Ganz besonders angetan ist Irons von Bruno Ganz, der als portugiesischer Alkoholiker besonderen Eindruck auf ihn hinterließ – Akzent hin oder her: „Was für ein toller Darsteller“, schwärmt Irons: „Er hat genau die richtige Mischung aus Instinkt, Demut und Unsicherheit, die den wirklich guten Schauspieler ausmacht. Ich war ganz vernarrt in ihn.“

Nicht selbstgefällig

Ganz vernarrt war Irons auch in Lissabon und dem heruntergekommenen Charme der Altstadt: „Ich finde Städte, deren Lebensstandards vergleichsweise niedrig ist, oft sehr inspirierend“, gesteht der Schauspieler: „Wenn ich etwas nicht leiden kann, dann diese neuen Stadtteile von London, wo große Firmen ihre Büros hingestellt haben und alles steril wirkt. Da lobe ich mir eine Stadt wie Lissabon, die nicht so selbstgefällig daherkommt.“ Kein Wunder also, dass der verstaubte Literaturprofessor in Lissabon wieder rote Bäckchen bekommt. Und dann eine große Lebensentscheidung trifft.

Aber so ist das mit den großen Entscheidungen, findet Jeremy Irons: Sie würden im Moment oft sehr klein aussehen und erst im Nachhinein die Bedeutung bekommen, die sie tatsächlich hatten:

„Das ist, wie wenn man auf eine Party geht und einer Unbekannten die Zigarette anzündet. 15 Jahre später ist man mit ihr verheiratet und hat drei Kinder.“

Am liebsten unterhält sich Bille August übers Skifahren. Nur wenn er unbedingt muss, redet er über „Nachtzug nach Lissabon“. Das Buch dazu habe ihm sofort gefallen, erzählt der Däne, der einst für „Pelle, der Eroberer“ (1989) einen Auslandsoscar gewann.

Nicht ganz so leicht sei es gewesen, die komplexe Balance zwischen (Liebes-)Geschichte und philosophischen Reflexionen zu finden: „Aber Jeremy Irons war fantastisch in dieser Rolle. Er war als Intellektueller glaubwürdig und auch als jemand, der trotz seines Alters noch Zukunft hat. Er ist einfach ein kluger Schauspieler und immer noch ein schöner Mann.“

Der politische Hintergrund – die Salazar-Diktatur – blieb für August ... Hintergrund:„Ich wollte keinen politischen Film machen. Mir ging es vielmehr um die persönlichen Tragödien meiner Figuren. Außerdem war der Faschismus von Salazar ,weicher’ als etwa der von Franco in Spanien.“

Über diese „Weichheit“ lässt sich streiten, aber nicht mit Bille August. Auch über die Entscheidung, deutsche und englische Schauspieler Portugiesen spielen zu lassen, lässt er nichts kommen: „Wir mussten auf Englisch drehen, sonst hätten wir die Finanzierung nicht bekommen. Und besonders die ältere Generation portugiesischer Schauspieler spricht einfach kaum Englisch.“

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