Kleider erzählen Geschichten

Szenenbild aus "Game of Thrones".
Michele Clapton über ihre Arbeiten für die Serien "Game of Thrones" und "The Crown".

Sie machen oft den Unterschied, sind ständig präsent, aber stehen selten im Mittelpunkt: Kostümdesigner, die Film und Serien mit Kostümen ausstatten, die im besten Fall den Charakter, die persönliche Entwicklung einer Figur widerspiegeln.

Michele Clapton ist zurzeit eine der gefragtesten Kostümdesignerinnen. Die Britin hat für die preisgekrönten Serien "Game of Thrones" (HBO) und "The Crown" (Netflix) entworfen. Am Samstag kommt die mehrfach international ausgezeichnete Designerin nach Wien, um im Rahmen der Feierlichkeiten zu 30 Jahre Verband Österreichischer Filmausstatter (VÖF) über ihre Arbeit zu sprechen (siehe unten).

Dem KURIER gab Michele Clapton vorab ein Interview.

KURIER: Sie haben die Kostüme für "Game of Thrones" und "The Crown" entworfen. Wie unterschiedlich waren die Arbeitsprozesse?
Michele Clapton: Bei "Game of Thrones" war es notwendig, Designs zu entwickeln, die stimmig, aber auch unterschiedlich sind. Dabei haben Farben und die verschiedenen klimatischen Bedingungen, die in der Serie vorkommen, eine wesentliche Rolle gespielt. Jeder Bereich, jedes große Haus in Westeros muss in puncto Outfit unverwechselbar sein. Bei "The Crown" war es in vielerlei Hinsicht einfacher. Die Forschung war zwar ebenfalls umfangreich, aber ich hatte Vorlagen von Kleidern, die ich mehr oder weniger nur mehr nachschneidern musste – wie etwa das Hochzeitskleid, das Kleid für die Krönung. Bei den privaten Kostümen von Queen Elizabeth II. hatte ich mehr Spielraum für eigene Entwürfe.

Was hat Ihre Arbeiten für "Game of Thrones" beeinflusst?
Bei der Entwicklung der Kostüme habe ich viele unterschiedliche Kulturen, Kleidungstraditionen sowie Epochen einfließen lassen und daraus einen eigenen Stil erzeugt. Der Einfluss reicht vom US-Modedesigner Rick Owens über byzantinische und japanische Rüstungen bis hin zu früher Weberei persischer Prägung. Wenn es um Produktionen geht, die im 20. oder 21. Jahrhundert spielen, dann lasse ich natürlich zeitgenössische Trends und Designs einfließen. Ich mag zum Beispiel, wie John Galliano und Vivienne Westwood mit Schnitten spielen. Ich liebe Designer, die Witz haben – zum Beispiel Elsa Schiaparelli und Jean Paul Gaultier.

Stimmt es, dass in "Game of Thrones" Jon Snow und die Nachtwache Ikea-Teppiche tragen?
Jon Snow nicht. Aber Samwell Tarly und die anderen aus der Nachtwache schon. Ich habe dafür große, schwere Wollteppiche von Ikea verarbeitet. Wir haben dann breite Lederriemen hinzugefügt, die wir auf alt trimmen mussten: Wir haben Fett und Schmutz eingearbeitet.

Wie viele Mitarbeiter stehen Ihnen bei einer Serie wie "Game of Thrones" zur Verfügung?
Zu Spitzenzeiten bis zu 100 Mitarbeiter, da bei "Game of Thrones" auch Rüstungen verwendet werden. Während der Dreharbeiten gibt es zwei Teams, die jeweils von einem von mir gebrieften Chefdesigner angeführt werden. Ich bin nämlich selten am Set, sondern arbeite im Hintergrund an der Entwicklung neuer Kostüme.

Kleider erzählen Geschichten
Game of Thrones

Wie wichtig sind Ihnen Details bei den Kostümen, die Sie gestalten?
Details sind mir sehr wichtig, es vervollständigt einen Charakter und hilft den Schauspielern, sich komplett zu fühlen. Kostüme erfüllen eine narrative Funktion, sie sind Teil des Storytelling – zum Beispiel, wenn in Nahaufnahmen Accessoires wie Ohrringe und Halsketten erscheinen. Diese Details mit Kunsthandwerkern umzusetzen, macht mir große Freude. Außerdem ermöglichen die immer größer werdenden Fernseher, Details zu entdecken. Ich bin immer wieder glücklich, wenn ich sehe, dass Zuseher darauf achten und in Blogs und Foren über ihre Entdeckungen berichten.

Gibt es Materialien, die man sparsam einsetzen sollte?
Probleme machen Metalle und raue Stoffe. Da die schmerzhafte Reibung verursachen können, versehen wir sie mit einem Schutz. Ein Teil der Rüstungen und Kostüme bei "Game of Thrones" sind sehr schwer – und darunter wird es sehr heiß. Wenn wir in Räumen mit Beleuchtung drehen, benutzen wir extra entwickelte Westen, durch die Eiswasser gepumpt wird. Das kühlt und spart Zeit, denn davor mussten wir die Schauspieler ständig an- und ausziehen.

Was war das teuerste Kostüm, das Sie bislang für einen Film oder eine TV-Serie produziert haben?
Das Hochzeits-Kleid von Queen Elizabeth II. in "The Crown" war bislang das teuerste. Es kostete rund 30.000 Pfund (34.000 Euro, Anmerkung der Redaktion).

An welchen Projekten arbeiten Sie gerade?
An "Mamma Mia 2" und an der letzten Staffel von "Game of Thrones". Ein toller Kontrast. Hoffentlich vertausche ich die Kostüme nicht (lacht).

Gibt Kostüme, die Sie herausragend finden?
In meiner Kindheit liebte ich "Der König und ich". In meiner Jugend waren es "Der Mann, der vom Himmel fiel", "Nosferatu" mit Klaus Kinski und "Cabaret" mit Lisa Minnelli. Später beeindruckten mich Filme von Derek Jarman und Peter Greenaway. Zuletzt fand ich "Anna Karenina" von Joe Wright mit Keira Knightley herausragend.

30 Jahre VÖF

Programm: Der Verband Österreichischer Filmausstatter (VÖF) feiert sein 30-jähriges Bestehen. Anlässlich des Jubiläums lädt man zu Gesprächen mit internationalen Szenen- und Kostümbildnern, einer Podiumsdiskussion zum Thema „Ausbildung“, einer Filmreihe und einem Kostümflohmarkt. Das alles findet von 29. 9. bis 8.10. bei freiem Eintritt an diversen Orten in Wien statt. Zwei Highlights: Freitag, 29.9. (ab 18 Uhr): Die ersten beiden Folgen der SKY-Serie „Babylon Berlin“ im Metro Kino.
Danach: Gespräch mit dem Szenenbildner Uli Hanisch.
Am Samstag (30. 9.) folgt ein Gespräch mit Michele Clapton. Die Kostümbildnerin spricht über ihre Arbeit zu „The Crown“ und „Game of Thrones“. Ab 14 Uhr im Metro Kino. Mehr Infos finden Sie hier.

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