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„Funkhaus-Verkauf ist eine unnötige Fahrlässigkeit“

Der Verkauf des ORF-Funkhauses ist trotz heftigen von ZBR-Chef Moser angeführten Widerständen fix
ORF-Zentralbetriebsratschef Moser über die Wahl des Generaldirektors, Karrieren und den Funkhaus-Verkauf.

Am 9. August wird der ORF-Generaldirektor vom 35-köpfigen Stiftungsrat bestimmt. Mit fünf Stimmen haben die Betriebsräte großes Gewicht. Zentralbetriebsratsobmann Gerhard Moser beantwortete Fragen per eMail.

Die ORF-Chef-Kür steht im August bevor. Werden Sie von Rot und Schwarz schon heftig umworben?

Also , der Andrang hält sich in Grenzen. Das kann damit zu tun haben, dass es bislang ja nur einen Kandidaten gibt, kann aber auch damit zu tun haben, dass meine parteipolitische Unabhängigkeit inzwischen weitreichend bekannt ist.

Die Bewerbungsfrist endet am 28. Juli. Wrabetz tritt an, Grasl vielleicht. Wäre für Sie auch ein ORF-Fremder vorstellbar?

Für mich ist jede und jeder vorstellbar, die oder der mit einem fundierten Konzept und einer entsprechenden Medienerfahrung sich hier präsentieren wollen.

In der Vergangenheit hat der Betriebsrat häufig als Block abgestimmt. Gibt es diesbezüglich BR-intern Gespräche?

Ja. Ich habe vor, diese Gespräche zu führen. Und das betriebsrätliche Stimmverhalten en bloc in dieser Frage hat sich - auch wenn es in der ORF-Historie dabei zu ideologischen Verbiegungen mancher Mandatare gekommen sein mag - als durchaus hilfreich und nützlich erwiesen. Einfach um klar zu zeigen, hier gibt es eine einige Belegschaftsvertretung, die sich nicht aufspalten lässt, und die dem jeweiligen Geschäftsführer oder der Geschäftsführerin einen eindeutigen sozialen Auftrag im Interesse der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen erteilt.

So mancher ORF-Zentralbetriebsrat hat im Zuge von ORF-Wahlen Karriere gemacht. Wie sehen Sie das?

Lieber Herr Silber, ja, ich kenne diese Gerüchte. Merkwürdigerweise werden sie vor allem von jenen verbreitet, die einmal ORF-Chefs waren. Da frage ich mich schon, wenn die Gerüchte überhaupt stimmen, ob diese Herrschaften damit eine späte Selbstanzeige erstatten wollen? Die Zeiten haben sich jedenfalls eklatant geändert. Es gibt keine "Betriebsratskaiser" mehr, es gibt auch nichts mehr zu verteilen oder zu verschenken, wir kämpfen um Arbeitsplätze und um faire Gehälter. Um es abzuschließen: Ich habe bei keiner ORF-Wahl Karriere gemacht und kann das auch für jene Kolleginnen und Kollegen, die mir nahe stehen, so behaupten.

Was sind für Sie persönlich in Schlagworten die Entscheidungskriterien?

„Funkhaus-Verkauf ist eine unnötige Fahrlässigkeit“
APA6982906-2 - 26022012 - WIEN - ÖSTERREICH: ZU APA-TEXT II - ORF-Zentralbetriebsratschef Gerhard Moser während eines Interviews mit der APA am Mittwoch, 22. Februar 2012, in Wien. APA-FOTO: ROBERT JAEGER
Aus Sicht der Belegschaftsvertretung sind es mehrere zentrale Punkte, auf die wir uns konkrete Antworten erwarten: Eine neue Personalpolitik, d.h. Entwicklung statt Abwicklung. Der zweite Punkt ist die Standortfrage in Wien: Wenn der Umzug der Radios auf den Küniglberg tatsächlich stattfinden muss - meine persönliche Meinung ist nach wie vor eine andere, und ich halte den Verkauf des Funkhauses für eine unnötige Fahrlässigkeit - geht es darum hier korrekte und menschenwürdige Arbeitsbedingungen zu garantieren. Die Standortfrage, und das ist auch der nächste Punkt, ist vor allem aber auch eine strukturelle. Das heißt, es muss auch sehr klare Überlegungen und Konzepte geben, wie sich der ORF in Zukunft organisatorisch aufstellt.

Vor welchen Herausforderungen steht der ORF in Sachen Personal? Außerhalb ist der allgemeine Tenor oft, dass der ORF viel zu viel Personal habe.

In den vergangenen fünf Jahren haben wir 20%, also jeden fünften Mitarbeiter verloren. In den kommenden Jahren steht eine große Pensionierungswelle quer durch alle Bereiche an. Wir haben zuletzt auf Wunsch des Unternehmens einen neuen Kollektivvertrag verhandelt, auch mit der klaren Forderung nach einem radikalen Wechsel in Personalfragen, also kein Abbau mehr sondern laufend Neuanstellungen. Das ist im Interesse der Mitarbeiterinnen, die von Jahr zu Jahr unter immer stärkeren Arbeitsdruck mit den bekannten Folgen bis hin zu etlichen Burnout-Erkrankungen geraten sind. Das ist aber auch im Interesse des ORF, denn wenn hier nicht rasch umgedacht wird, können wir in ein paar Jahren ganze Abteilungen, wenn nicht gar Sender wegen akuten Personalmangels zusperren.

Sie sprachen von den Arbeitbedingungen am neuen zentralen ORF-Standort Küniglberg und korrekten Arbeitsbedingungen. Was meinen Sie damit?

Menschenwürdige Arbeitsbedingungen heißt: Keine journalistischen Legebatterien, keine Wechselarbeitsplätze und auch keine Neuerfindungen von Arbeitsformen - home office etc. - nur deshalb, weil es auf dem Küniglberg zuwenig Platz für alle gibt.

Eine zentrale Frage bei der anstehenden Wahl ist jene nach dem Führungspersonal?

Wir erwarten uns vor allem und zunächst sehr klare Überlegungen und Konzepte, wie sich der ORF in Zukunft organisatorisch aufstellt: Welche Direktionen wird es geben, wie wird der Stellenwert der Radios an einem gemeinsamen Standort gesichert, wie wird die journalistische Unabhängigkeit garantiert, wie wird das arbeitsrechtliche Problem "trimedialer Newsroom" gelöst werden? Es kann ja wohl nicht sein, dass die Mediengattungen zusammengeführt werden und unsere Internet-KollegInnen weit schlechter bezahlt werden als die Radio- und FernsehmitarbeiterInnen.

Sie arbeiten beim Radio, das möglicherweise keine eigene Direktion mehr haben wird. Ist das für Sie ein Problem?

Bislang höre ich nur Gerüchte, und es gibt ja auch noch kein Bewerbungskonzept für die Position des Generaldirektors. Klar ist, dass gerade die Radios und deren MtarbeiterInnen jemanden brauchen werden, der sie durch die kommenden, alles andere als leichten Zeiten führen wird. Zwei Fernsehdirektoren oder - Direktorinnen und keinen Radiodirektor mehr, wie es gerüchteweise ja auch schon zu hören war, halte ich für keine zielführende Lösung.

Sie haben vehement gegen den Verkauf des Funkhauses mobil gemacht, der nun fixiert wurde und 35 Millionen bringt. Wie bewerten Sie diesen Schritt? Empfinden Sie so etwas wie Machtlosigkeit?

Nein, auch wenn diese Verkaufsentscheidung beschlossen werden soll, empfinde ich alles andere als Machtlosigkeit. Jener Widerstand, den die Kollegenschaft mit Unterstützung von außen geübt hat, der ist ein unzerstörbares Faktum, eine solidarische Erfahrung, wie ich sie selten erlebt habe. Selbstverständlich ist der Verkauf keine gute Lösung, unabhängig davon, wer hier den Zuschlag bekommen hat. Der Verkauf des Funkhauses, also der einzigen Innenstadtlage des ORF, ist unsinnig, unnötig und wirtschaftlich fahrlässig. Das ist – wohlgemerkt – meine Privatmeinung.

Wie begründen Sie diese Wertung?

Unnötig und wirtschaftlich fahrlässig ist der Verkauf, weil der ORF zwar einen Finanzbedarf hat, aber nicht in den „roten Zahlen“ steht. Insofern ist der Verkauf des berühmten „Familiensilbers“ ein Unfug. Der Unsinn wiederum wird sich zeigen, wenn alle ORF-Radios und unser Internet, bislang auf der Heiligenstädter Lände, an einem Standort zusammen gefasst sind. Das bedeutet arbeitsrechtliche Probleme, das wird Organisationsstrukturen erfordern, von denen bis heute keiner weiß, wie sie konkret aussehen werden. Und das wird nicht zuletzt der Frage nach der journalistischen Unabhängigkeit eine neue Brisanz verleihen. Als Ö1-Mitarbeiter teile ich die Bedenken der KollegInnen im Funkhaus. Und auch der Verdacht, dass hier kritische Programmelemente, also Ö1 und FM4, diszipliniert werden sollen, ist nicht ganz von der Hand zu weisen.

Es ist jetzt wieder ständig die Rede von der ORF-Reform, insbesondere die Verkleinerung des Stiftungsrates.

Ehrlich gesagt will ich mich in diese Debatte nicht mehr einmischen. Bei der letzten Reform des ORF-Gesetzes gab es eine klare Stellungnahme des Zentralbetriebsrates und des ÖGB: Verkleinerung des Gremiums bei Anwendung der arbeitsverfassungsrechtlichen „2/3-Parität“. Was danach geschehen ist, kann man nur eine politische Hinhaltetaktik auf ministerieller Ebene unter Beiziehung diverser Experten für Arbeitsgruppen nennen. Geschehen ist also nichts, und der Stiftungsrat ist allein von seinem organisatorischen Procedere her, dringend zu reformieren. In Finanz- und Programmausschüssen wird meist sehr effizient gearbeitet, dann kommen die Punkte ins Plenum unter dem Motto, und das entwende ich dem FPÖ-Vertreter Steger, „es ist zwar schon alles gesagt, aber noch nicht von allen“. Das sind die innerorganisatorischen Abläufe. Für den Rest ist der Gesetzgeber verantwortlich, und der ist – wie ich mehrfach gehört habe – an der heimischen Realpolitik gescheitert, was die Frage von Parteien- und Regierungsvertretern anbelangt oder die von BundesländervertreterInnen, die in der Tat und nach wie vor der Ansicht sind, in diesem Gremium regionale Bedürfnisse befriedigen zu müssen.

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