"Fürs Privat-TV gibt es von der Politik nur Placebos"

Herbert G. Kloiber und seine gemeinsam mit Constantin Film gegründete Wiener High End Productions sind Co-Finanziers von Roland Emmerichs erster TV-Serie
ATV-Eigentümer Herbert Kloiber über den Start von ATVsmart, schwarze Zahlen, das Problem ORF und Betriebsräte.

KURIER: Nach der Posse um ServusTV stellt sich die Frage, muss man Milliardär sein, um in Österreich Privatfernsehen machen zu können?

Herbert Kloiber: Wenn ein Unternehmer in Österreich etwas tut und es funktioniert nicht sofort, dann wird er als Milliardär oder Mäzen bezeichnet. Beide gelten irgendwie als spleenig und unberechenbar und sind demnach in keiner Form förderungswürdig. Das Motto lautet dann: Die sollen sich ihr Hobby selbst bezahlen. Oder sie sollen sich an irgendwelche Regeln halten, die aber fürs Privatfernsehen nie aufgestellt wurden – ein Versäumnis der Politik von Herrn Schüssel bis heute.

Sie haben noch Lust auf ATV?

Ja, natürlich. ATV ist der erfolgreichste österreichische Privatsender in der Zielgruppe der 12- bis 49-Jährigen und in der Zeitzone, die für die Werbevermarktung relevant ist, nämlich von 13 bis 1 Uhr. ATV liegt am Vorabend vor Puls, im Hauptabend ebenso. Und das war 2015 so und ist auch 2016 nicht anders. Also, ich mache mir mehr Sorgen ums Land als um ATV. Ich habe auch keine emotionalen Notlagen wie mein Kollege in Fuschl. Ich habe seit dem ersten Tag bei ATV mit Gewerkschaft und Betriebsräten zu tun, was auch am Ursprung des Senders liegt. Ich muss ehrlich sagen, es gab in den vergangenen 15 Jahren kein Thema, das nicht gelöst werden konnte. Andere Problemlagen sind da viel akuter – wie jene mit der Politik.

Welche sind das?

Es wirft sich von links bis rechts alles auf den ORF und knutscht ihn, wie es nur geht, damit sich diese Wackelpartie eines öffentlich-rechtlichen Senders ja nicht verändert. Fürs Privatfernsehen gibt es hingegen nur Placebos - so wie die Aussicht, man könnte etwas abbekommen, wenn die Haushaltsabgabe kommt. Falls sie überhaupt nach den Erfahrungen in Deutschland eingeführt wird: Dort ist eine Riesenkontroverse im Gang, es gibt über 3000 Klagen und zehn Prozent der Haushalte zahlen nicht – auf der Basis „wohnen muss man, fernsehen muss man nicht“.

Was fordern Sie? Was erwarten Sie von Medienminister Josef Ostermayer? Er hatte im Zuge des Kurzeit-Adieus von Servus von einer Privatrundfunkförderung gesprochen...

Ich glaube nicht, dass Herr Ostermayer, außer dass er dieses Wochenend-Kriserl kommentieren musste, auch nur eine Sekunde des Nachdenkens daran verschwendet hat, das Privatfernsehen zu stützen. Seit dem ersten Tag des Privatfernsehens steht die Regulierung der ORF-Werbemöglichkeiten an. Zudem ist dem ORF zu verbieten, dass er weiterhin Gatekeeper bei der Verbreitung bleibt, Stichwort ORS. Wir bezahlen wahnsinnige Beträge an dessen Sender-Tochter ORS, die diese dann als Gewinne an den ORF ausschüttet. Bei der Produzentenförderung der RTR gehen geschätzte 95 bis 97 Prozent in ORF-Produktionen. Die Quoten-Messung gehört, nach dem Skandal um den Radiotest, an einen anderen dritten Anbieter vergeben. Dagegen wehrt sich aber der ORF, weil der natürlich die Zusammensetzung des Panels nach all den Jahren am besten kennt. Und dass attraktive Sportrechte bald zu 100 Prozent beim ORF landen, weil der irrwitzige Summen bietet, muss man auch nicht als naturgegeben hinnehmen

Sind die fehlenden Sende-Rechte der Grund, warum ATV die Sportredaktion auflöst?

Massenattraktive Sportarten sind für das österreichische Privatfernsehen in aller Regel nicht refinanzierbar. Beim ÖFB-Cup bekommt man nur die zweite Wahl. Bei der Euro erhält man im besten Fall den Zuschlag für die Parallelspiele der österreichischen Nationalmannschaft. Die werden übrigens bei ATV von der Sportredaktion noch professionell übertragen werden, denn der Abbau passiert ja bei uns nicht von heute auf morgen und per Massenkündigung wie bei ServusTV. Er ist aber notwendig und wird vonstattengehen wie bei anderen Unternehmen in einer Umbauphase auch.

Wohin soll sich ATV entwickeln?

Ohne Sportrechte und mit angepasster Personalstruktur können wir Millionen sparen. Das absolut klare Ziel des Unternehmers wie auch des Managements mit Martin Gastinger an der Spitze ist, dass ATV im Budget-Jahr 2016/17 nicht mehr negativ bilanziert. Wir kommen diesem Ziel immer näher. Martin Gastinger hat bisher einen sehr guten Job gemacht und sitzt fest im Sattel.

"Fürs Privat-TV gibt es von der Politik nur Placebos"
Martin Thür präsentiert bei ATV den Polit-Talk "Klartext"
Gibt es auch bei der Information Kürzungen?

Nein. Und wenn Sie auf den Montag schauen, so viel „Klartext“ gab es noch nie mit einer Spezialausgabe zum Kanzler-Abgang und der regulären Ausgabe mit Frau Griss, die man nun nicht nur am späten Abend in ATV sondern auch schon um 19.45 bei ATV2 sehen kann. Wenn man also, wie letzte Woche, meinte, Servus mit „Hoagascht“ und „Hangar 7“ sei das Kultur- und Informationsfernsehen des österreichischen Privat-TV, dann meine ich – sind auch schön, aber nicht das einzige. Bei ATV haben wir Serien wie „Downtown Abbey“ in deutschsprachiger Erstausstrahlung, Dokumentation, die besten Spielfilme und -Regisseure, und das öfter als beim ORF, 39 Opern jedes Jahr, ein sehr gutes Kulturmagazin und Direktübertragungen aus dem Musikverein. Da müssen wir uns wirklich nicht verstecken, wenn einmal zwischendurch „Teenager werden Mütter“ oder ähnliches läuft. Das ist im Volumen seltener, als bei RTL, ProSieben, SAT.1 und Co, die auch mit Fernsehen Geld verdienen. Ich finde, die ATV-Gruppe bietet eine gute Mischung aus Film, Serie, Kultur und Unterhaltung.

Was ist mit dem dritten ATV-Sender, über den spekuliert wird?

Es wird keinen reinen TV-Kanal mehr geben, weil es nicht mehr zeitgemäß ist. ATVsmart wird ein IP-basiertes Streaming-Angebot mit linearem Programm und mit Video-on-Demand-Kapazität. Das rundet das ATV-Angebot am besten ab. Geboten werden nicht nur - aber auch - Inhalte, die man von ATV und ATV2 kennt. Es werden auch Teile der Tele-München-Library mit hunderten, hochklassigen Spielfilmen, Serien, Dokumentationen und ja auch Opern abgerufen werden können. Ergänzt wird das Angebot von ATVsmart um Kurz- und Kürzest-Inhalte, wie sie heute verstärkt online genutzt werden. Das Angebot von ATVsmart geht also deutlich über das hinaus, was die ATV-Gruppe jetzt ausmacht. Gestartet wird ATVsmart voraussichtlich Mitte Oktober. Details gibt es bei der Präsentation, die wahrscheinlich Ende September stattfindet.

Vielen Dank für das Gespräch.

ATV-Gruppe
ATV, 1997 als Kabelsender Wien1 gestartet, gehört zu 100 Prozent zu Herbert Kloibers TV- und Film-Imperium. Seit 2013 ist Martin Gastinger Geschäftsführer.

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