Friedrich Liechtenstein: Auf nach Bad Gastein
Meist ist man froh, wenn man die sommerlichen Internethits – siehe "Gangnam Style" – im Herbst dann endlich wieder vergessen darf.
Heuer ist das anders.
Denn das aktuelle Internetphänomen in Deutschland ist so unerwartet wie besonders. Und es geht dabei noch dazu um Bad Gastein.
Nach dem Salzburger Kurort hat nämlich Friedrich Liechtenstein sein neues Album benannt. Der war einst Marionettenspieler in der DDR und ist jetzt ein 55-jähriges Pop-Gesamtkunstwerk mit gold lackierten Fingernägeln und weißem Vollbart. Zuletzt lebte er, als Kunstprojekt, im Stiegenhaus eines Brillengeschäfts, trank dort, im Morgenmantel, mit den Mitarbeitern Kaffee.
Danach war er, in einer Tradition, die einst in den Gärten der englischen Aristokratie gepflegt wurde, ein Vorzeige-Einsiedler im Showroom des Brillenhändlers.
Es ist ein illustres Leben, einer Kunstfigur würdig, das Hans-Holger Friedrich gelebt hatte. Er machte als Kleinkünstler große Kunst und Performances. Eine davon in den Berliner Sophiensälen, die darin bestand, dass sich das Publikum für ein Nachmittagsschlaferl zu Liechtenstein ins Bett legte.
Jetzt macht das Berliner Unikum Musik an jenem Ort zwischen Kunstanspruch und Heimwerker-Charme, zwischen Schlager und Chanson, an dem Pop über viele Umwege dann wieder wunderschön wird. Musik wie eine hochpolierte, mit Stolz getragene Billiguhr.
Und noch dazu mit den schönsten Poptextzeilen des Jahres: "72 ist kein gutes Alter für einen Gogotänzer."
Millionen Zugriffe
Manchmal ist die Welt doch gerecht: Mit einer Supermarkt-Werbung ("Supergeil") und 15 Millionen YouTube-Klicks wurde er zum unerwarteten deutschen Medienphänomen dieses Sommers. Ein besonderes Gustostückerl: Liechtenstein tänzelt zum Sommerhit "Happy" durch Berlin.
Das Resultat: Eine Aufmerksamkeitswelle, die ihn sogar bis aufs Cover der International New York Times brachte. Und Tom Hanks würdigte ihn auf Facebook.
Und löst Liechtensteins Anspruch ein: Er ist ein Sommerphänomen, das weder dem Normalbürger noch dem Hipster peinlich sein muss. Er ist die große Konsensfigur des Sommers.
Ein schöner Sommer.
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