"Liebevolles Bekenntnis zur Oper"

Friedrich Cerha: „Ein Philharmoniker-Zuhörer wird nur sehr selten in ein Konzert des Klangforum gehen. Ein Klangforum-Abonnent wiederum wird sich kaum in ein Konzert der Philharmoniker verirren“
Die Wiener Volksoper zeigt ab Samstag sein neuestes Werk "Onkel Präsident".

Vom rastagelockten Fahrradboten zum adeligen, mit akademischen Graden und Geld ausgestatteten Generaldirektor – so etwas nennt man einen echten Karrieresprung. Weil er ein höheres Töchterlein geschwängert hat, steigt der unbedarfte, aber sympathische Josef Powolny in die höchsten Kreise auf, muss dabei aber bald feststellen: So fein ist die feine Gesellschaft nun auch wieder nicht.

Von Wilder zu Cerha

"Liebevolles Bekenntnis zur Oper"
APA8329838 - 20062012 - WIEN - ÖSTERREICH: Komponist Friedrich Cerha am Mittwoch, 20. Juni 2012, während eines Interviews mit der Austria Presse Agentur (APA) in Wien. Cerha erhält am 22.06.2012 den "Ernst von Siemens Musikpreis 2012" in München. APA-FOTO: HERBERT NEUBAUER
So will es Friedrich Cerha in seiner neuenOper "Onkel Präsident", die nach der Münchner Uraufführung im Jahr 2013 ab Samstag in der WienerVolksoper zu sehen ist. Pate stand dabei das als Billy-Wilder-Film bekannt gewordene Molnàr-Stück "Eins, zwei, drei", das Cerha (gemeinsam mit Peter Wolf auch Libretto) auch als Reflexion über die Kunstform Oper an sich sieht.

"Ich wollte eigentlich keine Oper mehr schreiben", betont der 88-jährige Doyen der zeitgenössischen klassischen Musik im KURIER-Gespräch. "Aber Peter Wolf hat mich sanft-liebevoll zu dieser Oper gedrängt, und wir haben ein für die Musik maßgeschneidertes Libretto entwickelt. Musik und Text müssen bei einer Oper ja immer eine Einheit darstellen."

Was aber hat Cerha an dem Stoff gereizt? "Die Tatsache, dass Karrieren heute oft nicht mehr aus eigenem Können, eigenem Antrieb entstehen, sondern ,gemacht‘ werden. Das sieht man täglich in der Politik und in der Wirtschaft. Dann war mir auch der Humor sehr wichtig."

Denn, so der Musik-Pionier weiter: "Ich wollte mit ,Onkel Präsident‘ auch ein Bekenntnis zur Oper an sich ablegen. Daher gibt es einen Prolog und einen Epilog, in denen ein Komponist über die Oper reflektiert. Das hat eine gewisse Tradition. Etwa der Prolog in Leoncavallos ,Bajazzo‘, die ,Ariadne‘ oder das ,Capriccio‘ von Strauss – auch hier hinterfragt sich ein Genre selbst. Wir wissen ja, dass im Grunde jede Oper zu lang ist, dass Orchester teils zu laut spielen, dass Arien oft nur pure Wiederholungen sein können – all das kommt mit liebevoller Ironie in ,Onkel Präsident‘ vor."

Szenenfotos der Oper

"Liebevolles Bekenntnis zur Oper"

FOTOPROBE: "ONKEL PRÄSIDENT"
"Liebevolles Bekenntnis zur Oper"

FOTOPROBE: "ONKEL PRÄSIDENT"
"Liebevolles Bekenntnis zur Oper"

FOTOPROBE: "ONKEL PRÄSIDENT"
"Liebevolles Bekenntnis zur Oper"

FOTOPROBE: "ONKEL PRÄSIDENT"
"Liebevolles Bekenntnis zur Oper"

FOTOPROBE: "ONKEL PRÄSIDENT"

Von Verdi zu Cerha

Dazu hat Cerha eine weitere Ebene eingeführt. "Ich liebe Verdis ,Falstaff‘, seit ihn einst Leonard Bernstein dirigiert hat. Also habe ich mir erlaubt, auch in meinem Werk mit Zitaten zu arbeiten. Manche davon sind offensichtlich, andere habe ich gut versteckt. Verdis "Don Carlo", Puccinis "La Bohème", Wagners "Götterdämmerung", die "Daphne" von Strauss sowie eigene Werke von Cerha klingen immer wieder kurz an; der "Falstaff‘ zieht sich durch die ganze Partitur. Cerha: "Irgendwo taucht immer eine kleine Reminiszenz an Verdis letzte Oper auf, oft nur ein Ton."

Wird womöglich "Onkel Präsident" Cerhas letzte Oper sein? "Ich wollte schon davor kein Musiktheater mehr schreiben. Mir wurden aber bereits wieder Stoffe angeboten, doch ich habe abgelehnt. Es müsste schon etwas sehr Außerordentliches passieren, um mich noch einmal zur Oper zu verführen." Cerha sagt es und erwähnt nebenbei den "Gestiefelten Kater" von Tieck.

Untätig ist der Komponist und Dirigent aber auf keinen Fall. Für Ildikó Raimondi hat Cerha "Vokalisen für Sopran und drei Klarinetten" geschrieben. Auch "Fünf Stücke für Mandoline und Gitarre" sind bereits fertiggestellt. Doch wie sieht Cerha die Position der Musik der Gegenwart generell? "Die klassischen ,Schulen‘ gibt es nicht mehr. Es gibt eine Vielzahl von Richtungen und Stilen, die alle nicht völlig neu sind. Und dadurch, dass in der Musik alles möglich ist, entsteht bei schwächeren Komponisten eine Art Beliebigkeit, also Werke, die eine Sprache nicht aus der inneren Logik heraus entwickeln."

Und das entsprechende Publikum, gibt es das? "Es gibt verschiedene Klassik-Hörer. Ein Philharmoniker-Zuhörer wird nur sehr selten in ein Konzert des Klangforum gehen. Ein Klangforum-Abonnent wiederum wird sich kaum in ein Konzert der Philharmoniker verirren. Wir haben kein so kleines Publikum in Wien, das Neuem gegenüber aufgeschlossen ist. Aber diese Lücke zwischen Bekanntem und Neuem, gilt es wirklich zu schließen."

Friedrich Cerha: Meister der Moderne

Biografie Cerha wurde 1926 in Wien geboren, wo er auch studierte. Er ist Mitbegründer des Ensembles „die reihe“, Dirigent, Professor und einer der vielseitigsten und spannendsten Komponisten des 20. und 21. Jahrhunderts. Cerha etablierte die zeitgenössische Musik nachhaltig in Österreich.

Werke Musiktheater u. a.: „Baal“, „Der Rattenfänger“, Komplettierung der Oper „Lulu“ von Berg, „Der Riese vom Steinfeld“. Weitere Stücke: „Spiegel“, „Netzwerk“ „Baal-Gesänge“, „Keintaten“, „Momentum für Karl Prantl“, Konzerte für Saxofon bzw. Violine bzw. Schlagzeug und Orchester.

Info: Alle Termine der Oper finden Sie hier auf events.at.

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