Faschingsparty mit Anspruch

Markus Meyer und Sophie Rois bei der Fotoprobe zu "Richard III".
Regie-Berserker Frank Castorf krönt am Burgtheater Hans Henny Jahnns Richard III.

Matthias Hartmann ist weg, das Chaos feiert weiter fröhliche Urstände. Nein, die Rede ist ausnahmsweise nicht von finanziellen Malversationen am Wiener Burgtheater. Die Rede ist von "echtem Theater", das ja irgendwie total cool, total kritisch, total provokant, total radikal, total lustig, total lang und überhaupt total alles sein kann.

Zumindest dann, wenn Frank Castorf Hand anlegt und zu seinen ganz persönlichen Ritter-Spielchen bittet.

Die dauern (inklusive zweier kurzer Pausen) nämlich länger als sechs Stunden und machen mächtig Lärm.

Alles und Nichts

Denn Castorf denkt wieder laut nach. Über Hans Henny Jahnns (1894–1959) expressionistische Schlachtplatte "Die Krönung Richards III.", über Sex, Gewalt, Mord, über Kannibalismus und Kastration, über Grausamkeit und Gott, und damit auch über das Leben, das Theater, die Bestie Mensch, über Herren und Sklaven, über Revolutionen und Afrika und über so ziemlich alles, was die Welt in ihrem Innersten nicht zusammenhält. Anmaßend viel also, wie immer im Castorf-Universum.

Einen "Plot" gibt es auch: Richard III. (das ist der mit dem Königreich und dem Pferd) will an die Macht, kommt an die Macht und scheitert an der Macht.

An der Burg tut er das in Gestalt des großartigen Martin Wuttke, der mit Langhaar-Perücke eine Mischung aus Hofnarr, Mephisto, Christus und traumatisiertem Kriegsveteranen gibt. Wie immer wird bei Castorf Körpereinsatz großgeschrieben, wie immer steigen die Darsteller oft aus ihren Rollen aus, wie immer fügt Castorf allerlei Fremdkörper ein. Diesmal Antonin Artaud, Heiner Müller, suahelische Tänze, Voodoo-Zauber oder Stephan Remmlers "Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei".

Bert Neumann hat Castorf dafür eine schöne Ritterburg der Marke Playmobil auf eine Drehbühne gestellt, die sich unter viel Bühnennebel auch brav drehen darf, die etliche Schauplätze freigibt. Denn in den Betten herrscht bei Castorf niemals tote Hose, am Klo natürlich auch nicht. Und Sophie Rois als lüsterne Königin hat sogar Kinderlein zum Fressen gern.

Groß und klein

Castorf eben wie er leibt und lebt und einen Teil des Publikums vertreibt. Das alles zusammen ergibt wunderbare Momente, herrliche Bilder und irrwitzige Situationen, zumal Castorf diesmal auf die sonst so gern bemühten Container-Kameras verzichtet. Castorf bietet trotzdem großes Kino über den kleinen Menschen in seiner Hässlichkeit und Grausamkeit. Passende Befindlichkeiten zur Befindlichkeit des Burgtheaters werden auch gereicht.

Beeindruckend, wie gut neben Wuttke, Rois, der bekannten Castorf-Crew, vielen Gästen und Statisten auch Burg-Ensemble-Stützen wie Markus Meyer, Jasna Fritzi Bauer oder Ignaz Kirchner in dieser bösen, bunten Faschingsparty mitspielen.

"Ich geh’ dann mal in die Kantine", sagt übrigens Letzterer nach einem Narren-Monolog zum Thema Kunst. Und weckt damit wohl manche Sehnsucht. Doch das lässt einen Castorf völlig kalt.

KURIER-Bewertung:

Faschingsparty mit Anspruch
Martin Wuttke (li.) und Sophie Rois in "Die Krönung Richards III" von Hans Henny Jahnn
Faschingsparty mit Anspruch
Martin Wuttke
Faschingsparty mit Anspruch
Martin Wuttke (re.) und Jasna Fritzi Bauer
Faschingsparty mit Anspruch
Marc Hosemann
Faschingsparty mit Anspruch
Martin Wuttke (li.) und Sophie Rois

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