"Wir sind Fußball-Graugänse"

Zwei rettungslos dem Ball Verfallene: Alfred Dorfer und Florian Scheuba
Florian Scheuba und Alfred Dorfer über ihr gemeinsames Programm und ihre Leidenschaft.

Am 12. Mai hat das erste gemeinsame Kabarettprogramm von Florian Scheuba und Alfred Dorfer im Wiener Rabenhof Premiere: "Ballverlust" handelt von zwei, die sich viel auf ihre Vernunft einbilden – und eher hilflos vor der Tatsache stehen, dass sich diese Vernunft sofort auf die Flucht begibt, wenn es um Fußball geht. Und übrigens: Während der WM gibt es keine Vorstellungen – Dorfer und Scheuba sind vor dem Fernseher unabkömmlich.

KURIER: Als Bühnendeko verwendet ihr zwei Stadionsessel.

"Wir sind Fußball-Graugänse"
Florian Scheuba: Das sind echte Sessel aus dem Stadion zu Klagenfurt. Wir waren im Mai dort, zu einer dreitägigen Schreibklausur und haben das Spiel ÖsterreichUruguay besucht.

Alfred Dorfer: Und haben auch im selben Hotel wie Uruguay gewohnt!

Scheuba: Und da haben wir gemeint, das wären eigentlich ideale Sitzmöbel auf der Bühne, denn die gehören ja eh schon uns (das Stadion ist die ehemalige Hypo-Arena, Anm.). Wir haben sie aber nicht einfach mitgenommen, denn wir haben uns gedacht, das schaut komisch aus. Also ist der Fredi, als er das nächste Mal in Klagenfurt gespielt hat, wieder hingegangen, hat ganz förmlich angefragt und hat sie tatsächlich bekommen.

Ist das Stadion in Klagenfurt symptomatisch für die Situation des österreichischen Fußballs?

Scheuba: Es ist eine Schande natürlich! Denn das Stadion ist sehr schön. Aber es war auch beim Spiel gegen Uruguay nicht voll, und die Stimmung war mau. Es wurde ja sogar der anwesende Landeshauptmann in einem Interview gefragt, ob die maue Stimmung eventuell damit zusammenhängen könnte, dass sich die Leute sagen: Moment, das habe ich ja alles selber gezahlt. Und er hat gesagt: Ja, da könnten Sie recht haben. Da brauchen wir als Satiriker nichts mehr draufzusetzen.

Was haben die beiden Sitze gekostet?

Dorfer: Nichts.

Beziehungsweise ein paar Milliarden ...

Dorfer: Ja, uns beiden an diesem Tag nichts. Ich habe gesagt, ich hätte gerne zwei Sessel, dann wurde ich nach hinten geführt, und da lagen 30.000 Ersatzsessel in Plastik und ich habe zwei bekommen. Ich habe gefragt, was bin ich schuldig, eine ungewöhnliche Frage in Kärnten, und man sagte: Nichts.

Wie kommen zwei Intellektuelle auf die Idee, ein Programm über Fußball zu schreiben?

Scheuba: Natürlich ist das ein bissl ein Widerspruch, wenn man immer sehr kritisch alles hinterfragt – und dann schmeißt man bei diesem Thema alles über Bord. Das ist uns selber aufgefallen. Aus dieser Selbstbeobachtung entstand der Gedanke, da sollten wir etwas machen ...

Dorfer:... ein Bekenntnisstück. Zu unserem eigenen Kindisch-Sein.

Wie sieht das aus, wenn ihr daheim dem Fußball-Eskapismus frönt? Grölend, Chips essend, Bier trinkend?

Dorfer: Wenn zum Beispiel der Alaba in der 94. Minute den Ausgleich gegen Irland schießt, und ein 53-jähriger Mann hüpft auf und schreit "Ja!!!", dann hat das eine gewisse Unkontrolliertheit, die ich mir zwei Minuten später dann auch nicht mehr so gut erklären kann. Und das entspricht unserem Image vermutlich kaum.

Scheuba: Es geht auch um die Wichtigkeit, die wir der Sache geben. Die beunruhigt mich selber immer wieder. Wir haben uns gemeinsam bei mir das entscheidende Qualifikationsspiel gegen Schweden angeschaut, und wir waren nachher tatsächlich ... zutiefst traurig.

Dorfer: Ich habe ihn zwei Tage später angerufen und gefragt: Trauerst du noch? Und er: Ja. Und ich: Ich auch.

Scheuba ist Rapidler, Dorfer Austria-Fan. Warum?

Scheuba: Das ist auch ein Teil des Programms. Wir kommen zu dem Schluss, dass es sich im Sinn von Konrad Lorenz um frühkindliche Prägung handelt. Wir sind Fußball-Graugänse.

Könnt ihr dennoch friedlich zusammenarbeiten?

Scheuba: Definitiv, weil wir unser Für-einen-Verein-Sein nicht darüber definieren, wie sehr wir gegen einen anderen Verein sind. Ich bin kein besserer Rapidfan, wenn ich die Austria besonders hasse.

Das ist ungewöhnlich.

Dorfer: Nein, das ist gar nicht mehr so ungewöhnlich. Es ist eher eine kleine Gruppe von ... wie wollen wir sie nennen, politisch korrekt?

Scheuba: Erlebnisorientierte Fans!

Dorfer: ... die sagen, ich definiere mich vor allem, indem ich gegen einen Verein bin. Egal, wer gewinnt – DIE dürfen es nicht sein. Das halte ich für Schwachsinn.

Hat Alfred Dorfers Austria-Liebe auch mit der Geschichte des Vereins zu tun? Austria war immer der technisch brillante Verein, während Rapid eher für den Kampf stand.

"Wir sind Fußball-Graugänse"
Alfred Dorfer gemeinsam mit Florian Scheuba
Dorfer:In den späten 60er-Jahren galt das noch so. In dieser Saison dagegen könnte man durchaus diskutieren, wer den technisch feineren Fußball spielt. Ich hatte das Glück, gleich in diese Prohaska-Generation hineinzuwachsen, das war eine sehr schöne Zeit, später kamen dann unangenehmere Zeiten, nicht nur unter Stronach.

Empfindet ihr Prohaska mittlerweile als kabarettistischen Kollegen?

Dorfer: Auf jeden Fall. Ich habe ja mit ihm gearbeitet. Der Herbert kann etwas! Wenn er keinen Text hat, also wenn es heißt, wir machen dieses oder jenes Thema, sag, was dir einfallt – dann ist er großartig! Für mich ist er privat ein Freund – und ein kabarettistischer Kollege.

Scheuba: Ich schätze an Prohaska, dass er weder verpolstert noch verkrankelt ist. Das merkt man bei seinen Analysen zu Spielen der Nationalmannschaft. Wenn man Polsters Kommentare liest, spürt man immer noch den Phantomschmerz, dass er nicht Teamchef geworden ist. Er steigt aber gerade mit der Viktoria aus der Regionalliga Ost ab ...! Und mault herum, dass wir einen Ausländer als Teamchef haben. Daher Respekt vor Prohaska, der ist dafür nicht anfällig.

Unser Teamchef bringt ja auch eine intellektuelle Ebene in das Genre Fußball ein, Marcel Koller ist ein gebildeter, kultivierter Mensch. Tut das dem Image des Fußballs bei uns gut?

Scheuba: Der Herr Koller hat in vielen Bereichen mehr zu sagen als der Herr Polster. Er tut dem Image des Sports gut. Und er hat eine klare Handschrift. Er hat eine Idee, wie wir spielen sollen, im Gegensatz zu seinem Vorgänger, und das gefällt mir als Zuschauer gut.

Er hat das Glück, einen Jahrhundertkicker zu haben, der nicht nur das Verdienst hat, mit Bayern die Champions League gewonnen – sondern auch einen FPÖ-EU-Kandidaten abgeschossen zu haben.

Scheuba: Der Alaba spielt eine große Rolle in unserem Programm. Er ist für unsere Begeisterung für das Nationalteam ganz wichtig – das hat sich ja bei uns beiden erst in den letzten Jahren entwickelt, dass wir Fans des Nationalteams sind. Die FPÖ-Geschichte ... ich finde, die Aussage, die EU sei weniger liberal als das Dritte Reich, ist in Wahrheit wesentlich ärger als dümmliche Aussagen über den Alaba.

Dorfer:Wir müssen jetzt nicht das Psychogramm vom Mölzer diskutieren. Das Thema Nationalmannschaft ist in diesem europäischen Konstrukt eigentlich ein Relikt – da spielen nationale Mannschaften gegeneinander. Und jetzt zu sagen, o. k., ich halte zu meiner Nationalmannschaft – das ist ein gewisser Bruch in unseren Persönlichkeiten.

Weil ihr euch sonst nicht mit etwas identifiziert, das den Wortteil "national" enthält.

Scheuba: Außer vielleicht Nationalbank, die haben doch so schöne Pensionen.

Zu welchen Teams haltet ihr bei der WM?

Scheuba: Wir ticken da sehr ähnlich. Wir haben einen Hang zu Spanien, würden es auch den Argentiniern gönnen wegen Messi, haben eine sentimentale Vorliebe für England, sagen, Deutschland muss es nicht sein, dann lieber Brasilien.

Warum muss man als Österreicher immer sagen, man hält nicht zu Deutschland?

Scheuba: Das Gegenteil stimmt. Mittlerweile MUSS man schon zu Deutschland halten, weil die so nett sind.

Dorfer: So, wie man auch zu den afrikanischen Mannschaften halten muss.

Habt ihr einen Tipp für Männer, wie sie sich während der WM gegen Frauen durchsetzen im Kampf um die Fernbedienung?

"Wir sind Fußball-Graugänse"
Alfred Dorfer gemeinsam mit Florian Scheuba
Dorfer:Sind nicht eigentlich immer mehr Frauen begeistert vom Fußball, vor allem bei Großereignissen? Ich glaube, dieses Klischee, man muss sich gegen die eigene Frau durchsetzen beim Fernsehen, das stimmt so nicht mehr.

Scheuba: Die Frau, die herkommt und umschaltet auf "die Pilcher im anderen", die existiert nur noch in Mario-Barth-Programmen ... aber möglicherweise bin ich da verwöhnt.

Fußball gilt als Insel der Machos und der Schwulenfeinde.

Scheuba: Ich denke, auch da hat sich viel geändert, im Stadion höre ich kaum noch homophobe Sprechchöre.

Aber kein aktiver Fußballer wagt es, sich zu outen.

Scheuba: Umgekehrt haben sich auch nicht übermäßig viele Aufsichtsräte geoutet.

Habt ihr einen Lieblings-Slogan? So wie "Schiri, wir wissen, wo dein Auto steht"?

Dorfer: Ich finde dieses "Wer nicht hüpft, das ist ein ..." wunderbar. Wenn dann Zehntausende erwachsene Männer hüpfen, ist das großartig. Das verwenden wir auch im Programm!

Scheuba: Das war großartig, beim 3:0 von Rapid gegen den HSV im Happel-Stadion. Steffen Hofmann (Anm.: ein aus Deutschland stammender Rapid-Spieler) schießt das 1:0 und das ganze Stadion singt "Wer nicht hüpft, der ist ein Piefke!".

Spielt ihr selber?

Dorfer: Schon lange nicht mehr. Wir kennen mahnende Beispiele von Gleichaltrigen, die nach langer Zeit wieder spielen und sich das Kreuzband reißen.

Sammelt ihr Panini-Pickerl?

Beide: Natürlich!!!

Scheuba: 25 hab ich für dich mit.

Dorfer: Danke!

Ihr könnt von der Bühne nach fehlenden Pickerln fragen.

Scheuba: Genau das werden wir probieren.

Dorfer: Er hat sogar noch das Album von der WM 1974! Aber wir verweigern die Cola-Pickerln am Ende.

Scheuba So viel Anstand muss sein.

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