Sterben, sterben, berühmt werden
Ein Film mit dem altmodisch verspielten Charme einer Jukebox. Man wirft eine Münze rein, Musik kommt raus, Kratzer bleiben:
Musik aus den 60er-Jahren. Hits von damals, Evergreen bis heute: Sherry ... oh, oh, oh ... Sherry ... Big Girls don’t cry ... Oh, what a night.
Man will mitsingen mit diesen Gassenhauern, mitswingen mit den Songs des US-Popwunders "Four Seasons", die Anfang der 60er- Jahre fast so populär waren wie die Beatles.
Doch manchmal kommen aus der Jukebox dieses Films auch Dinge, die man nicht erwartet: Der Name Clint Eastwood etwa. 84 Jahre ist "Dirty Harry " nun schon alt, seit 30 Jahren inszeniert er inzwischen als Regisseur Filme. 1998 hat er mit "Bird" etwa ein großartiges Biopic über Charlie Parker gedreht, zuletzt mit "Edgar J." eines über den berüchtigten CIA-Chef Hoover und dessen Homosexualität. Und jetzt also: Ein Pop-Biopic, basierend auf einem Musical-Hit. Ohne Stars (sieht man von Christopher Walken als Mafia-Boss ab). Stattdessen mit Original-Darstellern aus der Broadway-Show, die Clint Eastwood gegen den Willen des Studios durchgesetzt hatte.
Mafia
Zu Recht. Sie wissen sichtlich, was sie tun, sie haben es Hunderte Male zuvor auf der Bühne getan. Sie singen fantastisch, spielen überzeugend. Vor allem John Lloyd Young als Frontman Frankie Valli. Ein Mann, der so hoch singen konnte wie Jerry Lewis sprechen (und singen).
Dabei spielt die Film-Jukebox am Anfang gar keine Musik, sondern ein Zeitengemälde. New Jersey in den 60er-Jahren mit Autos so groß wie Boote und Kriminellen so klein wie Kinder. Jersey Boys heißen sie als Teenager und versuchen – in einer der lustigsten Szenen des Films – einen Tresor zu stehlen, der für ihr Auto viel zu schwer ist. Die Provinzmafia hält ihre Hand über diese Kleinganoven aus der falschen Ecke der Stadt, die ständig falsche Entscheidungen treffen. Aber zumindest können sie singen. "In Jersey hast du drei Möglichkeiten: Zum Militär gehen und sterben, zur Mafia gehen und sterben – oder berühmt werden." Die glorreichen Vier werden letzteres machen (und auch mit der Mafia verbandelt bleiben). Immer wieder erzählen sie ihre Geschichte direkt in die Kamera, retrospektiv, Erinnerungen aus einer Altersperspektive. Sie erzählen, wie sich diese Band findet und formiert, Nummer-1-Hits produziert, Partys feiert, Ehen und Teller ruiniert, Schulden macht, scheitert, weiterlebt – und sich als alte Herren (welch rührender Schluss) wieder vereint.
Es ist Clint Eastwood zu verdanken, dass der Film dabei nicht nur Musical bleibt. Er gibt ihm auch dunkle Seiten, die Freudlosigkeit einsamer Hotelzimmer, Eintönigkeit des Tingelns, Zerbrechen von Familien. Es ist ein Film über das Showleben und den Menschen darin und wie Menschen im Showleben moralisch gefordert sind – von Erfolg, Karriere, Geld.
Diese Mischung aus ernstem Drama und beschwingtem Musical hat man Eastwood prompt vorgeworfen. Zu unrecht. Es ist ein herrlich freier Film, altersweise und spielerisch. Die Jukebox spuckt oft Humor aus, wenn in einem kurzen Zwischenschnitt eine Klosterschwester Rotwein trinkend rülpst. Oder wenn Christopher Walken zu Christopher Walken versteinert auftritt.
Es ist ein Film übers Leben: Oft spielt darin die Musik, manchmal geht was kaputt, man muss reparieren, man spielt wieder, es eiert ein wenig. Und immer, immer kostet es was. Ein versöhnlicher Film über das Älterwerden mit all seinen Kratzern. Kino, was willst du mehr?
KURIER-Wertung:
INFO: Jersey Boys. USA 2014. 134 Min. Von Clint Eastwood. Mit John Lloyd Young, V. Piazza.
Im Kino: "Jersey Boys"
Ein Leichenteil reist durch den Industriekreislauf. Vom Güterzug auf die Halde, von einer Halde auf den Laster, vom Laster aufs Förderband:
Ein Menschenarm, der zwischen den Kohlen liegt.
Weitere Leichenteile tauchen auf, ein Augapfel in einer Suppenschüssel etwa.
Die Polizei sucht einen Serientäter, in Verdacht gerät eine Femme fatale, ganz kalte Schönheit. Ermitteln wird ein ehemaliger Polizist, geschieden, nach einer Verwundung entlassen fristet er als Security in einer Fabrik ein Leben mit Schnaps.
Philip Marlowe oder Sam Spade standen sichtlich Pate, Autor und Regisseur Diao Yinan hat Filme wie "Die Spur des Falken" gut gesehen: Sein "Feuerwerk am helllichten Tage" ist ein chinesischer Film noir.
Visuell eindrucksvoll etwa im Nebel eines Eislaufplatzes (zu Klängen des Donauwalzers) und immer wieder grotesk mit sich drehenden Solariumlampen, unter denen eine dicke Chinesin sitzt.
Viele Episoden dieses Films bleiben seltsam funktionslos in der Erzählung.
Ein Hauptdarsteller darin auch die Stadt: Industrieviertel, Suppenküchen, Tanzparkett, weiße Autos in weißem Tunnel, die in weißen Schneematsch nach draußen führen.
Atmosphäre (und Bilder) übertrumpfen die Story in dieser kühlen Kinokunst, die bei der vergangenen Berlinale gleich zwei Bären gewann.
KURIER-Wertung:
INFO: Feuerwerk am helllichten Tage (Bai Ri Yan Huo) CHINA 2014.106 Minuten. Von Diano Yinan. Mit Fan Liao, Lun Mei Gwei.
Das Allerlustigste an der Fortsetzung von "21 Jump Street" um zwei Chaos-Cops mit dem IQ einer Glühbirne ist der frisch-fröhliche Abspann, der die Pläne für die Fortsetzungen 23 bis 39 von Jump Street verrät. Aber auch davor gibt es anarchische Blödeleien mit Jonah Hill und Channing Tatum, die diesmal einen Drogenring an einer Uni suchen und bei Studenten-Strandpartys landen.
KURIER-Wertung:
Ein seit Jahren in innigster Feindschaft getrenntes Ex-Ehepaar wird just von der berüchtigten Aschewolke zu einer stundenlangen gemeinsamen Autofahrt gezwungen. Beziehungskrieg deluxe mit Dany Boon.
KURIER-Wertung:
Die Amerikaner haben einen neuen Nationalfeiertag: Er heißt "The Purge" – auf gut Deutsch: Säuberung – und feiert die Nacht des Mordes. In dieser Nacht dürfen sich alle US-Bewohner wahlweise in ihren Sicherheitshäusern verschanzen. Oder mit ihrer Pumpgun auf die Straße gehen und denjenigen töten, den sie schon immer töten wollten. Ungestraft. Dem erfolgreichen Teil 1 folgt nun ein Jahr später schon die Fortsetzung: doch außer der originellen Grundidee ist wenig geblieben. Eine Gruppe versteckt sich, flüchtet, versteckt sich, schießt und wird beschossen. Matt.
KURIER-Wertung:
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