Eva Blimlinger: "Es gibt keinen Konsens"

Eva Blimlinger: "Es gibt keinen Konsens"
Eva Blimlinger, die neue Rektorin der Akademie der bildenden Künste Wien, über Unis, Studiengebühren und die Zukunft der Kunstrückgabe.

Seit Oktober ist Eva Blimlinger Rektorin der Akademie der bildenden Künste. Ihre Tätigkeit als Koordinatorin der Kommission für Provenienzforschung und als Mitglied des ORF-Publikumsrats will sie weiter ausführen – wie im KURIER-Gespräch klar wird, hat die Historikerin zu jedem Betätigungsfeld starke Meinungen.

KURIER: Ist es nicht gerade eine schwierige Zeit, Rektorin an einer österreichischen Universität zu sein? Was ist für Sie der Reiz daran?
Eva Blimlinger: Mir macht es ehrlicherweise Spaß, bei Dingen, bei denen man von vornherein weiß, dass es wenig Geld gibt, zu schauen: Wie kann man inhaltlich damit umgehen und mit denen, die daran beteiligt sind, etwas entwickeln? So etwas macht mir Spaß.

Man konnte auch als Nicht-Insider mitbekommen, dass es im Haus mehrere Lager gab, vereinfacht gesagt traditionellere Künstler auf der einen, Theoretiker und Medien-Künstler auf der anderen Seite. Wie gehen Sie mit deren Visionen um?
Wenn es nicht aus all diesen Gruppen eine Zustimmung zu meiner Person gegeben hätte, wäre ich nicht Rektorin geworden. Es geht ja nicht darum, dass sich alle voneinander überzeugen. Wenn uns ein konstruktives Nebeneinander gelingt, wäre das schon sehr gut.

Die Wiener Wirtschaftsuni hat zuletzt bei einem Schiedsspruch recht bekommen: Ein offener Uni-Zugang bei gleichbleibendem Budget und ohne Zugangsregeln ist demnach verfassungswidrig. Das wird als Präjudiz gewertet, dass Unis entweder weniger Studierende aufnehmen oder Studiengebühren autonom einführen müssen. Wie gefällt Ihnen das?
Ich halte es für ein missverständliches Verständnis von Autonomie, immer dann, wenn die politischen Rahmenbedingungen nicht gelöst werden, zu sagen: Das macht ihr in der Autonomie. Wo zugleich ein Hochschulplan entwickelt wird, der ganz zentralistisch sagt, was an den Universitäten zu passieren hat. Der Staat muss sich überlegen, wie viele Studierende er will und wo die hingehen sollen. Natürlich muss man dabei einen Blick auf den Arbeitsmarkt werfen, aber auch auf die Gesellschaft – im Sinne, "welche Fächer, welche Bereiche braucht eine Gesellschaft?"

Gibt es einen gesellschaftlichen Konsens, dass wir universitär ausgebildete Künstler und Kunstwissenschaftler brauchen?
Den, glaube ich, gibt es nicht – aber es gibt bei den österreichischen Universitäten überhaupt keinen Konsens. In Österreich wird das immer stark personalisiert: Die Universitäten sind unnötig, aber auf den Herrn Professor ist man stolz.

Wenn es die Möglichkeit geben sollte, dass sich die Unis autonom Geld holen – wie wird an der Akademie damit umgegangen?
Was Studiengebühren betrifft, muss es zuerst ein Gesetz geben. Ich bin nach wie vor nicht überzeugt von irgendeinem Argument, warum man Studiengebühren einführen sollte.

Thema Kunstrückgabe: Die Albertina brachte 2011 das Ministerium dazu, eine Rückgabeempfehlung nicht sofort umsetzen zu lassen, das Belvedere ließ Anwälte gegen eine Rückgabe eines Schiele-Bilds argumentieren. Warum der Widerstand?
Von Widerstand gegen die Kommission würde ich nicht sprechen. Fairerweise muss man sagen, dass es in früheren Jahren viele Fälle gab, die relativ klar waren. Die jetzigen Fälle – und es kommen noch mehr – sind die wirklich komplizierten, was die Entscheidungen in den 1940er- und ’50er-Jahren betrifft.

Wie sehen Sie die fairen Vergleiche, die das Leopold Museum für Werke mit problematischer Herkunft aus seiner Sammlung anstrebt?
Ich halt’s für einen Blödsinn. Man wird in dreißig Jahren dieselbe Diskussion haben, die wir jetzt für Vergleiche aus den 1950er-Jahren haben. Vergleiche bergen für mich immer die Gefahr, dass in dreißig Jahren jemand sagt: Das haben wir aber eigentlich nicht wollen. Das Risiko, dass es damit nicht zu Ende ist, ist meines Erachtens nach zu groß. Es sollte einfach zurückgegeben werden.

Zur Person: Eine Uni-Institution

Familie: Eva Blimlinger wurde 1961 als Tochter eines Schrotthändlers und Trafikanten in Wien geboren. Ihr Bruder ist der Grüne Bezirksvorsteher von Wien-Neubau, Thomas Blimlinger; ihr Großvater war der einstige Justizminister Josef Gerö, der die KZs Dachau und Buchenwald überlebt hatte.

Funktionen: Blimlinger studierte Geschichte und Germanistik. Von 1999 bis 2004 war sie Forschungskoordinatorin der Historikerkommission, von 2004 bis 2011 für die Projektkoordination Kunst- & Forschungsförderung an der Universität für angewandte Kunst Wien zuständig. Seit 2008 ist sie Koordinatorin der Kommission für Provenienzforschung.

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