"Es ist nichts vorhersagbar"

"Es ist nichts vorhersagbar"
Erwin Wurm über Ausblicke auf künstliche Menschen und allzumenschliche Künstler.

Verfall: Das sieht Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder in der neuen Bilderserie von Erwin Wurm, die in der Säulenhalle des Museums hängt (bis 17. 2. 2013). Der österreichische Künstler hat dafür Kollegen wie Hermann Nitsch, Franz Graf oder Gunter Damisch in ähnlichen Posen fotografiert, wie sie Figuren in Gotik und Frührenaissance einnehmen. Diese Neo-Schmerzensmänner wurden dann übermalt. Ihn interessierte dabei weniger das Alter der Körper als die „bildhauerische Arbeit mit dem Pinsel“, erklärt Wurm, der auch beim Blick auf die unmittelbare Zukunft des Kunstbetriebs eine recht demütige Haltung einnimmt.

KURIER: Welcher Blick in die Zukunft geht mit Ihren neuen Bildern einher?
Erwin Wurm: Was mich interessiert, war, dass der Körper mehr und mehr als Besitz, als Objekt deklariert und veränderbar sein wird. Man macht es heute schon mit der Gentechnik, und man wird Möglichkeiten finden, den Körper technisch in den Griff zu kriegen und Menschen zu konstruieren, die vollkommene Fabelwesen sein werden. Wir sind Teile der letzten Generation, auf die man einmal zurückschauen und sagen wird: „Mein Gott, wie waren wir früher einmal.“ In Zukunft wird man sich den Menschen konstruieren können, was erschreckend ist, doch ich glaube, so wird es sein. Zumindest in der Oberschicht.

Haben Künstler bei dieser Entwicklung noch mitzureden?
Künstler haben immer marginal mitzureden, das war immer so. Viel nicht, sie können ein bissl kommentieren.

Sie wollen die Idee des Verformens, die man hier sieht, auch ins Dreidimensionale ziehen...
Ich probiere das gerade aus. Ich habe eine Vorstellung, wie es weitergehen könnte, aber in der Realität passiert es dann doch immer anders, man wird von der Arbeit streckenweise geführt.

Die Schau in der Albertina zeigt lauter neue Werke und könnte auch in einer Galerie stattfinden. Steht hinter der Entscheidung, sie in diesem Haus zu zeigen, die Überlegung, dass ein Museum Werke aufwertet?
Na, die Einladung, in der Albertina eine Ausstellung zu machen, hat mich sehr gefreut, und ich habe sie natürlich dankend angenommen. Wir werden die Bilder sicher auch in einer Galerie zeigen.

Allgemein: Wer hat heute das Sagen beim Bewerten von Kunst? Es heißt, Sammler und Galeristen hätten hier die Rolle der Museen übernommen.
Im monetären Bereich ist das vielleicht so. Aber es wird sich wieder ändern. Jetzt ist es so, dass Larry Gagosian, der fast eine Milliarde Dollar im Jahr mit Kunst umsetzt, viel zu sagen hat...

... und Thaddaeus Ropac, Ihr Galerist. Der hat auch viel zu reden.
Ja, aber auch das wird sich wieder verschieben. Ich habe ein Kompendium von Kunstzeitschriften zuhause, und manchmal blättere ich die durch. Es ist fatal zu sehen, wer etwa aus den 1970er Jahren übrig geblieben ist. Es sind 98 Prozent weg. Es wird immer wahnsinnig wichtig getan, die Galeristen sagen, sie hätten den größten Künstler. Im Grunde ist nichts vorhersagbar.

Impressionen der Ausstellung

"Es ist nichts vorhersagbar"

"Es ist nichts vorhersagbar"

"Es ist nichts vorhersagbar"

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"Es ist nichts vorhersagbar"

"Es ist nichts vorhersagbar"

"Es ist nichts vorhersagbar"

"Es ist nichts vorhersagbar"

Vorschau Kunstjahr

Kunstkammer, Kokoschka, Kiki und Katz
Viele Einzelkünstler-Ausstellungen, Neues zum Thema „Wien um (und vor) 1900“

Historisches

Die Wiedereröffnung der Kunstkammer des Kunsthistorischen Museums (für allgemeines Publikum: Ab 1. 3.) ist schon mehrfach dick im Kalender angestrichen. Darüber hinaus zeigt das KHM u. a. eine Sonderschau mit „Kunst-Geschichten über Paare“ („Intermezzo“, 18. 6.–8. 9.).

Im Belvedere widmet sich die Schau „Dekadenz. Positionen des österreichischen Symbolismus“ 2013 einer oft als Kitsch verschrieenen, tatsächlich aber hochspannenden Kunst. Die Albertina holt Meisterwerke aus ihren Depots und zeigt von 14. 3.– 30. 6. „Bosch Bruegel Rubens Rembrandt“.

Modernes

Die Albertina zeigt mit Max Ernst (23. 1. – 5. 5.) einen Großen der klassischen Moderne. Das Leopold Museum präsentiert 2013 nach den „Nackten Männern“ Luftiges: Die Schau „Wolken“ (22. 3. – 1. 7.) geht einem beliebten Motiv in der Kunst von Monet bis Magritte nach. Mit „Oskar Kokoschka – der sensible Titan“ steht dann ab 4. 10. wieder ein Hausheiliger dieses Museums im Rampenlicht. Die Albertina setzt mit der großen Schau „Matisse und die Fauves“ (20. 9.– 14. 1. 2014) ein weiteres modernes Herbst-Highlight. Mit Lucian Freud (8. 10.–6. 1. 2014) wagt sich auch das KHM erstmals im großen Stil auf das Terrain von Ausstellungen moderner Meister.

Zeitgenössisches

Der 75. Geburtstag des deutschen Malerfürsten Georg Baselitz wird im Essl Museum mit einer großen Werkschau gefeiert (18.1. – 20.5.) Das MAK schaut im Jänner in Richtung Türkei: „Zeichen, gefangen im Wunder“ (23.1. – 21.4.) sucht in der Kunst nach dem „Istanbul heute“. Das mumok eröffnet seine Saison mit einer großen Schau zu Franz West (23.2. – 26.5.), an deren Gestaltung der 2012 verstorbene Künstler noch selbst mitgewirkt hatte. In der Albertina kommt 2013 der Maler Gottfried Helnwein zu Ehren (5. 5.–25. 8.). Das Salzburger MdM zeigt US-Star Alex Katz (9. 3.–7. 7.) Die Wiener Secession stimmt mit einer Schau von Matthias Poledna auf die Arbeit von Österreichs Biennale-Teilnehmer 2013 ein (27. 2.–28. 4.). In der Kunsthalle Krems lockt nach Solo-Schauen zu Kiki Kogelnik und Elfie Semotan (beide 14. 7.–6. 10.) eine Retrospektive von Yoko Ono (20. 10.–23. 2. 2014). Das Linzer Lentos feiert 2013 sein Zehn-Jahres-Jubiläum und lädt dazu den dänischen Starkünstler Olafur Eliasson ein (28. 6.–22. 9.) Im Herbst wird zudem das Museum des Privatsammlers Heinz Angerlehner in Thalheim bei Wels eröffnet.

International

Die Biennale Venedig findet 2013 von 1. 6. bis 24. 11. statt. Zuvor zeigt u. a. die Tate Modern London eine Retrospektive von Roy Lichtenstein (21. 2.–27. 5.). Ein „Jahresregent“ ist übrigens der 1863 geborene Edvard Munch, dem u. a. das New Yorker MoMA eine Schau widmet.

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