"Elle": Eine Frau lässt sich nicht unterkriegen

GewaltigerAuftritt: Isabelle Huppert als Opfer, das sich  erhebt
Die Huppert als Vergewaltigungsopfer.

Ein Vermummter dringt über die Balkontür ins Wohnzimmer ein. Fällt her über die zarte Frau, die gerade nach ihrer Katze gesehen hat. Vergewaltigt sie brutal, schlägt sie. Sie wehrt sich nicht, wimmert, hört eine Vase zerbrechen.

Sie zerbricht nicht.

Isabelle Huppert beweist in Paul Verhoevens, im bourgeoisen Pariser Milieu angesiedelten Vergewaltigungsthriller, dass sie derzeit einfach die Beste unter allen Charakterdarstellerinnen ist. Sie geht auf in dieser Michèle und steckt alle Kraft in sie. Nonchalant erhebt sich Michèle über ihre Schande, steckt die Tat weg und sieht diese als Auslöser für ihre Selbstermächtigung: Sie nimmt die Zügel in die Hand, lässt sich nicht unterkriegen, sondern will es mit ihrem Peiniger aufnehmen. Tut ihren Freunden und ihrer Familie gegenüber so, als ob ihr nichts etwas anhaben könnte – obwohl sie doch schon lange Zeit traumatisiert ist.

Das Drehbuch dieses abgründigen Thrillers basiert auf dem die bürgerliche französische Gesellschaft sezierenden Roman "Oh..." des Literatur-Rebells Philippe Dijan. Das Lesen des Buchs war für Huppert eine Erweckung: "Ich wusste sofort, dass das ein guter Film wird und ich die Michèle spielen möchte".

Nach und nach offenbaren sich die Schatten auf Michèles Psyche, die als Kind mitansehen musste, wie ihr Vater mit Messer und Hacke Amok lief. Ihr Sohn ist ein unverbesserlicher Pantoffelheld, der sich von der Freundin ausnutzen lässt. Michèles Mutter eine Exzentrikerin, die viel Geld ausgibt und nervig ist. Geliebtes Biest.

Der Niederländer Verhoeven erschafft gemeinsam mit Huppert eine bewundernswerte Heldin, die hinter ihrer eisigen Fassade abgrundtiefe Verletzlichkeit und Sehnsucht nach Geborgenheit erahnen lässt. Am Ende triumphiert dann aber doch wieder ihre Nüchternheit, ihr Sich-Fügen in die zwingenden Seiten des Lebens. Aber – zumindest für einige Momente – wird man doch noch zeigen dürfen, dass man auch anders, ganz zart, kann.

INFO: F/D/B 2016. 130 Min. Von Paul Verhoeven. Mit Isabelle Huppert, Laurent Laffitte, Anne Consigny.

KURIER-Wertung:

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