Elina Garanca: "Ich bin eine Suchende"

Elina Garanca: "Ich bin eine Suchende"
Die gefeierte Mezzosopranistin gastiert bei den Salzburger Festspielen, bringt eine neue CD heraus, und würde sich über ein zweites Kind sehr freuen. Porträt einer ganz Großen.

Ja, das Leben hat sich geändert. Sehr sogar. Und ich bin unendlich glücklich ", sagt Elina Garanča, wenn man sie auf die Geburt ihrer Tochter Catherine anspricht. Nach nur wenigen Monaten Babypause ist die lettische Mezzosopranistin auf die internationalen Bühnen zurückgekehrt. Auch zu den Salzburger Festspielen, wo Garanča neben einer Lieder-Matinée (siehe Kritik) auch mit Verdis "Requiem" und den "Folk Songs" von Luciano Berio zu erleben ist.

Abwechslung

"Das ist doch eine schöne Abwechslung", lacht sie. "Berio oder gar zeitgenössische Musik erwartet man von mir ja nicht unbedingt." In diese Richtung will Garanča auch nicht gehen. Denn: "Berio liegt meiner Stimme. Aber die meisten Werke der Gegenwart passen nicht zu mir. Da gibt es so viele Sprünge und Intervalle. Ich glaube, ich bin in anderen Partien besser."

Diese "anderen Partien" abseits der ausgetretenen Pfade des Repertoires präsentiert Garanča auf ihrem neuen Album "Romantique" (DG, ab 17. August im Handel). Da finden sich Tschaikowskys "Jungfrau von Orleans", Vaccais "Giulietta e Romeo", Goldmarks "Königin von Saba" oder Lalos "le Roi d’Ys". Der Grund: "Wir wollten Arien einspielen, die nicht so bekannt, aber wunderschön sind."

Dass Donizettis "La Favorite" dabei ist, versteht sich. "Diese Partie werde ich an der New Yorker MET und in München singen." Und die Dalila aus der Oper "Samson et Dalila" von Saint-Saëns? Garanča lacht: "Das muss doch einmal fast szenisch sein. Es gibt ja keine Mezzosopranistin, die dieser fantastischen Rolle nicht ihren persönlichen Stempel aufdrücken will. Das aber steht noch in den Sternen."

Fixiert sind dagegen andere Dinge, auch für Wien. "Ich werde endlich an der Staatsoper die Carmen singen. Damit geht für mich ein Traum in Erfüllung. Dazu kommen jene Partien, in denen man mich schon kennt. Und natürlich die Dido in ,Les Troyens" von Berlioz."

Wolf und Schaf

Und Salzburg? "Konzerte wird es geben. Opern sind da schwieriger. In Salzburg gibt es eine so lange Probenzeit. Würde ich bei den Festspielen eine Opernrolle annehmen, dann müsste ich Auftritte wie ,Elina Garanča & Friends" in Stift Göttweig absagen. Das will ich aber nicht, weil mir Göttweig und die Menschen dort so viel geben. Ich will sie nicht enttäuschen. Aber ich spreche in den nächsten Tagen mit Alexander Pereira."

Lachend: "Vielleicht schaffen wir es, dass der Wolf satt wird, und das Schaf dennoch am Leben bleibt."

Leben, das ist der jungen Mutter ohnehin am Wichtigsten. "Die Familie geht bei allem vor. Mein Mann Karel Mark und ich nehmen unsere Tochter immer mit und haben eine Nanny für sie engagiert. Es ist wichtig, dass sich immer ein und dieselbe Person um Catherine kümmert, damit die Kleine nicht zu traumatisiert wird, wenn sie nicht in ihrem eigenen Bettchen aufwacht."

Hätte Garanča gern ein zweites Kind? "Oh ja! Es wäre doch wunderschön, hätte die Kleine noch ein Brüderchen oder Schwesterchen."

Lebensmittelpunkte der Familie sind Malaga und Riga. "Wenn es uns im Sommer in Malaga zu heiß ist, gehen wir nach Riga. Und umgekehrt." Riga spielt auch eine musikalische Rolle. "2014 wird Riga Kulturhauptstadt. Ich bin da geboren und habe die Ehre, in diesem Jahr die Kulturbotschafterin zu sein. Das wird sich vielleicht auch auf mein nächstes Album niederschlagen. Lettische Lieder gemeinsam mit Chören – denn wir haben ja eine große Chor-Tradition – würden mich freuen."

Zwischenfach

Elina Garanca: "Ich bin eine Suchende"

Ähnliches gilt auch für Garančas berufliche Karriere. "Ich bin an einem Scheideweg", bekennt sie. Denn: "Seit der Geburt hat sich meine Stimme verändert. Die Höhen sind alle da. Aber die Mittellage ist dunkler, breiter, fülliger, dramatischer geworden. Da tun sich ganz neue Wege auf. Ich kann jetzt in die eine oder in die andere Richtung gehen. Im Moment bin ich in einem Zwischenfach. Ich bin wirklich eine Suchende."

Garanča: "Ich denke ganz ernsthaft an Rollen wie die ,Fidelio"-Leonore, die ,Cavalleria"-Santuzza oder die ,Don Carlo"-Eboli. Unlängst war ich mit der von mir sehr verehrten Christa Ludwig essen. Wir haben über Stimmen gesprochen, und ich bin mit acht Klavierauszügen nach Hause gegangen. Die Eboli war eine davon. Aber letztlich ist es meine Entscheidung. Denn ein Zurück gibt es dann nicht mehr."

Kritik: Eine große Stimme, die süchtig macht

Sie stehe stimmlich an einem Scheideweg, sagt Elina Garanč a im KURIER-Interview. Und das ist völlig richtig. Denn die lettische Mezzosopranistin kann es sich aussuchen, ob sie lieber in Richtung dramatisches Fach gehen oder ihrem bisherigen Repertoire die Treue halten will.

Elina Garanca: "Ich bin eine Suchende"

Beide Wege stehen dieser Ausnahmekünstlerin offen. Das war bei ihrem "Liederabend" (um elf Uhr Vormittag!) bei den Salzburger Festspielen zu hören. Denn im Haus für Mozart sorgte Garanča für Furore. Standing Ovations inklusive.
Robert Schumann, Alban Berg und Richard Strauss hatte Garanča im Gepäck – großartig klangen alle Piecen. Aber: Schumanns Zyklus "Frauenliebe und Leben" (Texte: Adalbert von Chamisso) hat man lange nicht mehr so vollendet gehört. Da zog die Garanča alle Register ihres Könnens. Herrlich ihre zart gesetzten, pastellfarbenen Piani, brillant die großen Ausbrüche.

Ja, Elina Garanča ist eine wortdeutliche, vokal hinreißend klare Stimm-Malerin mit einer schier unbegrenzten Ausdruckspalette. Auch bei den "Sieben frühen Liedern" von Alban Berg und erst recht bei (klug) ausgewählten Strauss-Liedern.
Garanča erzählt packende Geschichten, stellt (auch dank des tadellosen Pianisten Roger Vignoles) Miniaturdramen auf die Bühne. Ihre Stimme macht süchtig nach viel mehr.

KURIER-Wertung: ***** von *****

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