Elektroklänge überall: Festivals für elektronische Musik boomen

Wummernder Bass, Laser-Show und statt der Band steht ein DJ auf der Bühne: Elektronische Musik ist aktuell schwer en vogue.
Da der Popfestivalmarkt so gut wie ausgereizt ist, setzt man verstärkt auf elektronische Musik.

Wer würde da ein Muster vermuten? Neun Monate vor der Wien-Wahl 2010 wurde ein neues Wiener Festival präsentiert: Das Popfest Wien. Acht Monate vor der Wien-Wahl 2015 wurde ein neues Wiener Festival präsentiert: das Electric Spring.

Der Unterschied zwischen diesen Wahlzuckerln: 2010 war eine Präsentation heimischen Pops bitter nötig. Die Szene hatte sich immer wieder beklagt, nicht genügend Aufmerksamkeit zu bekommen. 2015 ist es bei der Elektronik-Szene aber anders: Das in aller Eile aus dem Boden gestampfte neue Wiener Gratis-Festival im MuseumsQuartier (16. und 17. April) – von der Stadt Wien mit 50.000 Euro gefördert – sucht Platz in einem boomenden Markt. Die Elektronik-Festivals erlebten in den letzten Jahren einen gewaltigen Aufschwung.

Elektronische Musik ist nach der Rave-Welle der 90er-Jahre wieder massentauglich geworden, was großen Playern am Festival- und Konzertmarkt nicht verborgen blieb. So machte Live Nation, größter Anbieter von Pop- und Rockkonzerten, 2012 einen radikalen Schwenk: Das US-Unternehmen begann um Millionensummen Anteile an Veranstaltern von Elektronik-Festivals aufzukaufen.

Denn dort gibt es die größten Wachstumschancen: Der Popfestivalmarkt ist so gut wie ausgereizt. Und die Gagen der großen Pop-Stars stiegen mindestens so rasant an wie die Ticketpreise. Nach dem Einbruch der Musikverkäufe machen die Live-Einnahmen selbst bei großen Stars bis zu 90 Prozent am Gesamtkuchen aus, erklärt Musikwirtschaftsforscher Peter Tschmuck im KURIER-Gespräch. Das führt zu höheren Gagenforderungen – und stellt die Popfestival-Betreiber vor nicht kleine Herausforderungen: Die Gewinnspannen schrumpften, obwohl die Ticketpreise stiegen.

Im Elektronikbereich ist das anders: Es gibt bislang weltweit nur wenige wirklich große Festivals – und eine überschaubare Anzahl an großen DJ-Namen mit hohen Gagen. Abseits derer ist ein kleines derartiges Festival vergleichsweise billig auf die Beine zu stellen.

Inflationär

Das Wachstum – mehr Angebot, größere Namen – hat aber auch hier seinen Preis: Beim kanadischen Monster Center of Gravity Festival stiegen die Ticketpreise von 2011 bis 2014 um 81 Prozent.

Vor allem im urbanen Raum ist die Konzert- und Event-Szene stets im Wachsen begriffen. Für Thomas Heher, zuständig für die in Wien stattfindenden Festivals Waves und Electric Spring, wird der Begriff Festival "sehr inflationär" verwendet. "Interessanterweise gibt es aber nicht nur immer mehr große, kommerzielle Festivals, sondern auch kleine in Subkultur-Bereichen."

Bei WienXtra, einer Vorverkaufsstelle, "befinden sich derzeit zwischen 100 und 150 Events pro Monat auf der Ticketliste", sagt Marko Markovic, Mitarbeiter im Ticket-Bereich. Dieser Wert sei zwar in den letzten Jahren konstant geblieben, aber die Zusammensetzung hat sich geändert: "Die Anzahl an selbst organisierten Events nimmt zu. Es schlüpfen immer mehr junge Menschen selbst in die semi-professionelle Rolle des Veranstalters, und stellen Konzerte auf die Beine, die nur durch Selbstausbeutung realisiert werden können."

Kollision

Bei dieser Dichte im Veranstaltungsbereich kommt es zu unerfreulichen Terminkollisionen. Dem im April stattfindenden sound:frame Festival, das sich seit Jahren mit heimischer Visual-Kunst, Clubkultur und elektronischer Musik auseinandersetzt, wurde mit dem Electric Spring ein Gratis-Festival vor die Nase gesetzt. Beide sind von der Stadt Wien gefördert. Eva Fischer, Initiatorin von sound:frame, findet diese Konkurrenzsituation "ziemlich blöd. Da wird uns gesagt, dass nicht mehr Geld für diesen Bereich vorhanden wäre, und dann wird ein eigenes Festival mit ähnlichem Programm zur selben Zeit aus dem Boden gestampft."

Von Grabenkämpfen unter Festival- und Konzertveranstaltern will Heher aber nicht sprechen. Es gebe "viel Zusammenarbeit und einen gesunden Wettbewerb". Dabei werden natürlich über kurz oder lang einige auf der Strecke bleiben. "Es wird eine Art Bereinigung geben. Für kleinere Veranstalter gilt es eine Nische zu finden. Bei den Großen sieht es wohl dramatischer aus", schätzt Heher die Situation ein. Auch Tschmuck sieht die Wachstumsphase der "Festivalitis" bereits am Höhepunkt. "Der Boom ist vorbei; jetzt kommt die Konsolidierungsphase, in der vielleicht einige Festivals neu dazukommen, andere aber vom Markt verschwinden werden."

Für 2020 wird sich die Stadt Wien daher wohl ein neues Wahlzuckerl überlegen müssen.

In Wien startet die diesjährige Musikfestival-Saison bereits heute, Samstag, mit dem neu ins Leben gerufenen New Sound Festival. In der Ottakringer Brauerei agiert neben Wanda der heimische Elektronik-Produzent Wandl als Headliner. Ein Überblick.

– Electric Spring (16. bis 17. 4., MuseumsQuartier, Wien): Das Gratis-Festival ist als Plattform für elektronische Musik "Made in Austria" gedacht. Es spielen u. a. Julian & Der Fux, Konea Ra, Patrick Pulsinger, Ogris Debris, Elektro Guzzi.

– sound:frame Festival (9. bis 18. 4., verschiedene Locations, Wien): Seit 2007 setzt sich das Festival mit audiovisuellen Ausdrucksformen und Clubkultur auseinander. Diesjährige Headliner: Andreya Triana, Ages, Ryoichi Kurokawa und Julien Bayle.

– Urban Art Forms (18. bis 20. 6., Wiesen, Burgenland): Nach Jahren in Graz kehrt das Festival zurück zu seinem Ursprung. Mit Sven Väth, Deadmau5, Die Antwoord, Camo & Krooked, Zweiraumwohnung und Bonobo.

– Prater Unser (3. bis 5. 7., Pratersauna und Prater, Wien): Open Air im Prater und Partys. Bis jetzt bestätigt: Magic Mountain High und Francesco Tristiano.

– Electric Love (9. bis 11. 7., Salzburgring): Nach Salzburg kommen Tiesto, Steve Aoki, Robin Schulz und Knife Party.

– Lake Festival (19. bis 22.8., Schwarzlsee, Graz): Viele Superstars der Szene an den Reglern: Calvin Harris, David Guetta, Avicii, Steve Aoki und Swedish House Mafia.

– Beatpatrol Festival (25. 10, VAZ, St.Pölten): Namen des diesjährigen Line-ups werden erst bekannt gegeben.

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