Elefantenrunde 2: "Wir haben überhaupt keine Freude dafür"

Da halfen auch zwei Moderatoren nichts: ATV-Elefantenrunde
TV-Tagebuch: Eine sehr unfreundliche Elefantenrunde, zwei Wochen vor der Wahl

*Disclaimer: Das TV-Tagebuch ist eine streng subjektive Zusammenfassung des TV-Abends.*

Das war ein Fernsehabend, na hallo. Und es war diesmal gar nicht die Schuld von ATV. Der Privatsender wollte zwar zunächst unmoderierte Duelle in seine Elefantenrunde einbauen, was aber dann im Lauf der Woche fast alle Kandidaten zunehmend für eine schlechte Idee hielten.

Warum eigentlich? Nun: Man halte das nicht dafür geeignet, „eine sachliche Debatte sicherzustellen“. (An dieser Stelle sei ein kleiner Spoiler erlaubt, bevor Sie weiterlesen: Die schaffte man auch mit zwei Moderatoren nicht.)

Zunächst einmal mussten die Spitzenkandidaten in die Manage, pardon, den Sendesaal von ATV, das bei Puls4 Unterschlupf fand.

Gereiht nach Eintreffen waren dies:

Peter Pilz, Liste Pilz

Ulrike Lunacek, Grüne

Matthias Strolz, Neos

Heinz Christian Strache, FPÖ

Christian Kern, SPÖ

Sebastian Kurz, ÖVP

Begrüßt wurden die Kandidaten von einem in parteifarben verkleideten Jubelchor aus Menschen, die in Trikots mit Parteifarben gezwängt wurden. Moderiert wurde die Show von Sylvia Saringer und Meinrad Knapp. „Schaut ein bissl aus wie beim Bingo“, ulkte Knapp in Richtung der Claqueure. Offenbar hatte er vergessen, welchem Sender das grandiose Setting eingefallen war.

Weniger lustig hatte es dann der Kanzler: Moderatorin Sylvia Saringer spielte Christian Kern seine Rede von vor eineinhalb Jahren vor, als er die SPÖ übernahm, und der Politik das schöne Wort „Zukunftsvergessenheit“ um die Ohren warf. Danach fasste sie zusammen, was in seiner Partei seither zur Kerns Wiederwahl unternommen wurde: „Es gab eine Rangelei, Wahlkampfberater Stefan Sengl ist zurückgetreten, Tal Silberstein wurde verhaftet, Bundesgeschäftsführer Gernot Niedermühlbichler ist zurückgetreten“. Zusammengefasst: „Sie brauchen ein relativ starkes Finish.“

Überhaupt: Könne er wirklich behaupten, nichts gewusst zu haben?

Kern, bestimmt: „Wir haben überhaupt keine Freude dafür. Darüber. Kein Verständnis dafür.“

Er erinnert daran, dass auf den inkriminierten Facebook-Seiten „80 Prozent Material, dass sich gegen die SPÖ richtet“, verbreitet würde. (Man möchte meinen, so etwas würde nicht einmal dem SPÖ-Wahlkampfteam einfallen.)

Außerdem: „Wir sind die ganz wesentlich Geschädigten.“ Das ist oft so. Zum Beispiel, wenn einer einen Bumerang wirft, dann aber schnell weg muss und niemandem Bescheid gibt.

Wie dem auch sei: „Die Konsequenz ist, dass der Bundesgeschäftsführer die Konsequenz gezogen hat.“

Jetzt ist Herausforderer Kurz dran. „Haben sie schon ein Dankschreiben verfasst an Tal Silberstein?“, fragt Knapp.

Kurz erinnert daran, dass er schon vor einem halben Jahr darüber empört war, dass man ihn potenziell mit Schmutz bewerfen werde: „Mit dem Tal Silberstein wurden Methoden importiert, die wir hier nicht in Österreich brauchen.“

Wenn die ÖVP so wenig von schmutzigen Methoden hält, steht irgendwie die Frage im Raum: Wer hat den internen SPÖ-Mailverkehr eigentlich an die Medien weitergegeben? „Können Sie ausschließen, dass sie die andere Seite sind?“, fragt der Moderator.

Kurz weiß jetzt auch nicht so recht, was er dazu sagen soll und spricht lieber von „Hochachtung“ davor, dass der Bundesgeschäftsführer seines bisherigen Koalitionspartners zurückgetreten ist. „Die entscheidende Frage ist schon wer hat es beauftragt und wer hat es finanziert. Bei der einen Seite haben wir sogar den Verdacht gehabt, dass es von der FPÖ kommt, weil da antisemitische Inhalte drauf warnen.“ Keiner protestiert.

Strache darf als nächstes über die SPÖ-Facebook-Affäre urteilen und spricht vom „absoluten Tiefpunkt politischer Unkultur.“ Und, Novum: Ausnahmsweise redet in dem Zusammenhang niemand über seine Partei.

Jedenfalls seien da „ganz klar auf dem Tisch liegend Fake-Facebookseiten, die Hetze und Hass mitgegeben haben“. Strache ist sauer, deswegen wird der Satzbau noch origineller: Laut SPÖ war „wochenlang im Verdacht stehend, das ist eine Seite, das kommt aus der FPÖ-Ecke, diese antisemitischen rassistischen Wordings“. Auch er wirkt erstaunt über die Wende, die das Ganze nahm.

Kern liefert danach die bisher originellste Formel für eine Entschuldigung ab: „Ich hab null Verständnis für diesen ganzen Vorgang.“ Allerdings sei es so, dass „der merkwürdige Umstand vorliegt, dass hier die SPÖ alle Beziehungen (zu Silberstein und seinem Team, Anm.) abgebrochen hat und dann rassistische, antisemitische Postings gekommen sind. „Wenn die beiden Kollegen ihre Hände in Unschuld waschen…“

Saringer (will lustig sein): „Herr Pilz! Das schreit fast schon nach einem Untersuchungsausschuss.“

Pilz (will, dass Saringer lieber nicht lustig ist): „Nein. Gefälschte Fakebookaccounts, gefälschte Statistiken, gefälschte Islamstudie. Ich will gar nicht drüber reden… Je schneller wir zu den wesentlichen Themen der Republik kommen, desto besser.“

Strolz ist endlich dran: „Bei mir ist Tal Silberstein nicht über die Türschwelle gekommen. Ich verfüge über Menschenkenntnis.“ Ein Satz, den seine Wiener Neos-Kollegin Beate Meinl-Reisinger, die Silberstein für den Gemeinderatswahlkampf engagiert hatte, mit Interesse zur Kenntnis genommen haben dürfte.

Strache greift wieder den Ball zur SPÖ-Taskforce auf, die die skandalösen Vorgänge rund um Silberstein untersuchen soll. Er hat nämlich einen Gag vorbereitet: „Ich schlage vor, setzen sie den Herrn Pilz ein, der hat ab 15. Oktober auch mehr Zeit.“

Kern: „Er kann sich gern bewerben“. Er haut im Gegenzug auf Strache hin.

Strache hat den Gag offenbar sehr gründlich vorbereitet, deshalb wiederholt er ihn noch einmal: „Er wird am 15. Oktober noch genügend Zeit haben, das zu untersuchen.“ Offenbar war der Witz so gut, dass er selber laut lachen muss.

ATV lässt daraufhin Bier servieren.

Bei Strache fängt der Kellner plötzlich zu Zittern an. „Ich nehm‘ ihnen das ab“, sagt der FPÖ-Chef, bevor die Sendung unterbrochen werden muss.

Warum das Bier? Die Gläser in unterschiedlichen Größen symbolisieren die versprochene Dimension der Steuerentlastung durch die jeweiligen Kandidaten.

Kern geht gefühlt das erste Mal in diesem Wahlkampf etwas auf. Er nimmt sein kleines Bier, hält es neben Kurz’ Krügel und sagt: „Das, was Sie hier sehen ist der Unterschied zwischen einem vernünftigen Konzept und einem Konzept das nie umgesetzt wird.“ Und er zählt auf, was Kurz seiner Meinung nach alles kaputtsparen würde.

Kurz, dem immer wieder vorgeworfen wird, er bleibe die Gegenrechnung für seine Steuerpläne schuldig: „Mir fallen tagtäglich Dinge ein.“ Zum Beispiel: Die Reduktion auf möglichst wenige Sozialversicherunganstalten. Ihm wäre am liebsten eine.

Kern: „Die werden aber nicht aus den Steuern bezahlt.“

Kurz (zischt): „Lassen‘s wen andern vielleicht auch einmal ausreden.“

Strolz dreht skeptisch sein Bierglas : „Sie haben einen Zahlensturz drin. Es sind 19,1 Milliarden. Sie haben 11,9 Mio. stehen“.

Auch Lunacek ist erstaunt über die Zahl auf ihrem Krügel (8 Milliarden Euro). „Wie haben Sie das recherchiert?“, will sie grantig wissen.

„Wir haben was ganz Ungewöhnliches gemacht“, sagt Knapp. „Wir haben in Ihrer Pressestelle angerufen.“ Lunacek ist jetzt auf die Pressestelle sauer.

Saringer bringt in ihrer Frage an Pilz Krankenversicherung und Pensionsversicherung durcheinander. Macht aber nix: Pilz redet nämlich lieber von Google.

Der Bierschaum fällt zusammen. Die ersten Zuschauer werden sehr durstig. Aber keiner am Podium trinkt einen Schluck.

Strolz spricht von Plänen zur Steuerentlastungen, kommt aber nicht wirklich durch, weil Pilz immer...

...„Völllig falsch!“ .....

dazwischen ruft.

„Völllig falsch!“

Nach dem dritten „Völllig falsch!“ weiß man wieder, warum bei Nationalratssitzungen immer so wenige Leute zuschauen.

Strache ist dran und bringt den kleinen Mann ins Spiel: „Wer hat‘s denn den kleinen Leuten weggenommen“, danach kommt er rhetorisch ins Wanken und spricht davon, dass „eine Entwicklung der Fall ist“. Und: „Wir haben ein Einnahmenproblem…hamma net. Ein Ausgabenproblem!“.

Auch er will am liebsten nur eine Krankenversicherungsanstalt haben.

Pilz schaltet sich wieder ein: „Das geht ja nicht!“

Strache redet weiter.

Pilz... Ich erwarte mir hier auch - weil sie sich selber als ,Denker‘ bezeichnet haben (im Saalpublikum ertönen unpassenderweise laute Lacher) ein Konzept.“

Kurz verweist darauf, dass die Steuerbelastung fast überall in Europa niedriger als hierzulande sei.

Knapp: „Sie waren sieben Jahre in der Regierung.“

Kurz (gekränkt): „Ich weiß schon, dass mir immer die Verantwortung zugeschoben wird was vor 30 Jahren war.“ Er fängt an, über die Flüchtlinge zu reden.

Lunacek ätzt: „…schon wieder die Flüchtlinge!“

Strache ätzt: „…Spätzünder!“

Kurz: „...dass ich den Willen und die Kraft dazu hab. Wenn ein Wille da ist, wird es auch einen Weg geben.“

Strolz: „Sebastian Kurz ist neben Alois Stöger das längst dienende Regierungsmitglied des Landes.“

Kurz danach kommt die Werbepause. Die Fernsehzuschauer holen sich kollektiv ein kaltes Bier.

Jetzt kommen auch die Moderatoren endlich zu dem Flüchtlingen.

In einem Zuspieler sieht man Werner Faymann sprechen. Irgendwie fehlt er. Erstaunlich, was die SPÖ-Wahlkampflokomotive in den vergangenen Wochen aus uns herausgeholt hat.

Kurz will die Migration stoppen. Saringer unterbricht: "Null illegale Migration ist so wie Autounfälle auf Null setzen." Der Außenminister, jetzt ganz bei sich: „…wenn sie mir eine Minute schenken!“

Kurz erklärt die Vorzüge für Resettlement-Programme, was – grob zusammengefasst – etwa so klingt: Ein Mensch in einem Kriegsgebiet wartet auf Hilfe von Europa, wird dann freundlich abgeholt und legal zu seinem Asylgeber gebracht. Wichtig ist aber: Ja nicht weggehen von dort, wo es tuscht. Schon gar nicht zu den Botschaften. Wir holen Sie ab, versprochen. (Falls etwas nicht klappen sollte: Das diskutieren wir in einer anderen Elefantenrunde.)

Strache macht den zweieinhalbten Witz: „Manche sind Spätzünder und manche sind regelrechte Blindgänger.“

Strolz wird erstaunlich föderal: Er möchte eine "Bürgermeister-Konferenz" zu Lösung der Flüchtlingsfrage veranstalten.

In weiterer Folge fällt jeder jedem ins Wort, sogar die Moderatoren wirken zunehmend uneins.

Kern wirft Kurz vor, bei den EU-Räten ständig geschwänzt zu haben: "Ich war sogar mit Fieber bei den Reden", sagt Kern.

"Aber Sie haben die falschen Positionen vertreten", kontert Kurz und vergisst seine erwachsenen Handbewegungen.

"Müssen wir uns alle ihre Trennungsgeschichte anhören?", seufzt Pilz, um gleich noch einen draufzusetzen: Kurz sei der beste Strache-Imitator, den es gibt. Strache lacht. Pilz setzt fort: Er sei nämlich besser als das Original. Strache friert seinen Grinser wieder ein.

Kern fragt Kurz, woher er denn eigentlich wisse, dass Tal Silberstein für die Facebook-Sudelkampagne 12 Mitarbeiter beschäftigt habe? Die Affäre ist zu dem Zeitpunkt eineinhalb Tage alt.

Kurz schaut plötzlich drein wie ein Achtjähriger, der beim Zeckenimpfen mutig wirken will. Er habe darüber „in den vergangenen Tagen“ mit mehreren Journalisten Gespräche geführt, fällt ihm ein. Die roten Wangen hatte er schon vorher.

Gegen halb elf ist nach fast zweieinhalb Stunden Schluss. Nur noch zwei Wochen.

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