"El Clan": Eine schrecklich nette Familie

Guillermo Francella (re.) als Familienoberhaupt verstrickt seinen Sohn Alex (Peter Lanzani) in Entführungen mit tödlichem Ausgang: „El Clan“
Nach der Diktatur ist vor der Diktatur– Silberner Löwe von Venedig für Pablo Trapero und sein unheimliches Familienporträt.

Eine bürgerliche argentinische Familie sitzt beim gemeinsamen Abendessen. Der Vater, Arquímedes Puccio, reicht das Brathuhn herum, die vier jugendlichen Kinder preisen die Kochkünste der Mutter. Nettes Geplauder, heimeliges Geschirrgeklapper: Ein inniges Bild von vertrauten Menschen, wie man es sich schöner nicht wünschen könnte.

Nur wenn man ganz genau hinhorcht, kann man so seltsame Geräusche hören. Es klingt nach unterdrückten Schreien. Bizarre Klangtupfer wie aus einer unheimlichen Geisterwelt, die das idyllische Familienporträt entstellen. Es sind Entführungsopfer, deren gedämpfte Hilferufe den scheinbaren Frieden vergiften. Einmal ist es ein junger Bursche, angekettet in der Badewanne auf dem Dachboden; ein anderes Mal eine alte Dame, die im Keller auf einer Matratze vor sich hin schluchzt.

Wenn der alte Puccio nicht gerade den harmlosen Familienvater spielt, kidnappt er reiche Bürger aus Buenos Aires. Als ehemals ranghohes Mitglied der Militärjunta hatte er sich auf Entführungen spezialisiert; doch nun, während der Übergangszeit von der Diktatur zur Demokratie Anfang der 80er-Jahre, arbeitet er in die eigene Tasche. Zuerst kassiert er Lösegeld, dann schießt er den Opfern trotzdem drei Kugeln in den Kopf.

The Kinks

Der Aufbruch der argentinischen Gesellschaft in eine demokratische Moderne wird von den Nachbeben der Militärdiktatur erodiert. Das Leben scheint normal, doch unter der Oberfläche herrscht pure Perversion. Davon erzählt der argentinische Regisseur Pablo Trapero gleichermaßen beiläufig und zwingend, in entsättigten Brauntönen und mit Verbeugung Richtung Scorsese. Beschwingte Pop-Musik kontrastiert Routinen der Grausamkeit. "Lazy on a sunny afternoon", singen die Kinks, während die Entführer zappelnden Menschen schwarze Tücher über den Kopf ziehen sie und in den Kofferraum eines Autos werfen.

Mit dem stechenden Blick eines mitleidlosen Reptils treibt der alte Puccio seine Großfamilie in die Kollaboration. Vor allem sein ältester Sohn Alex dient ihm als widerwilliger, aber letztlich gefügiger Komplize. Zwischen Sporttraining, Verabredungen und tollem Sex spielt er für den Vater den Lockvogel.

"Du hast mir das Leben versaut", wird er am Ende brüllen, wenn alles zu spät ist.

Traperos " El Clan" basiert übrigens auf wahren Ereignissen. Der echte Puccio starb 2013. Bis zuletzt wies er jede Schuld von sich.

INFO: ARG/S 2015. 110 Min. Von Pablo Trapero. Mit Guillermo Francella, Peter Lanzani.

KURIER-Wertung:

Im Kino: "El Clan"

Michael Bay, bekannt für seine lauten "Transformers"-Filme, hat sich an einen Politthriller gewagt, der vom Angriff auf das US-Konsulat in Libyen 2012 erzählt. Der Film könnte unangenehm für Hilary Clinton werden, weil er zeigt, wie hilflos die Obama-Regierung, der sie zu dieser Zeit angehörte, diesem Terrorakt gegenüberstand. Tatsächlich hat die Anwärterin auf die US-Präsidentschaft erst im Oktober 2015 die Verantwortung für die damaligen Versäumnisse übernommen. Bay konzentriert sich aber lediglich auf das, was er am besten kann – auf Action.

Sechs Security-Männer kämpfen dreizehn Stunden lang, um die Terroristen am weiteren Abschlachten von Amerikanern zu hindern. Dabei werden sie von CIA-Agenten, die sich geheim in Libyen aufhalten, gestört.

Wie dreizehn Stunden fühlen sich die 147 Minuten an, die der Film dauert.

Das Bombardement rasant geschnittener Action-Szenen macht erschöpft und gefühlskalt. In seiner politischen Aussage bleibt Bay konfus und will offenbar nur, dass sich das (amerikanische) Publikum so fühlt, wie es einer der Security-Männer im Film ausdrückt: "Ich bin stolz darauf, Amerikaner wie euch zu kennen".

TEXT. Gabriele Flossmann

INFO: USA 2016. 147 Min. Von Michael Bay. Mit John Krasinski.

KURIER-Wertung:

"El Clan": Eine schrecklich nette Familie
Rasante Action in Libyen, die auf Dauer erschöpfend wirkt

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