Eine Wunderkammer für das, was noch gehen wird
Es ist eine vielfach verschlüsselte Ausstellung, doch ein Schlüssel findet sich in einem Kästchen an einer Rückwand im oberen Saal.
Unter dem Titel "Three Little Pigs" ("Die drei kleinen Schweinchen") ist da ein kurzes Video zu betrachten. Zu sehen sind drei Schweine, eingezwängt hinter Gitterstäben; in einem Kopfhörer erklingen dazu hebräische Gesänge, in die sich bald spitze Schreie mischen, wie sie Schweine bei der Schlachtung von sich geben.
Die Metapher ist nicht unproblematisch, der gedankliche Konnex zum Holocaust ist aber wohl gewollt: Vieles im Werk der Künstlerin Ydessa Hendeles kreist um gesellschaftliche Verrohung und um die schleichende Brandmarkung und Entmenschlichung, die auch im Massenmord münden kann.
Unheimliche Exponate
Das beschriebene Video ist Teil der Installation "Death to Pigs", die der Ausstellung in derKunsthalle Wienim MQ (bis 27.5.) ihren Titel gibt. Es ist eine packende Schau, die sich weniger aus Kunstwerken im engeren Sinn als aus wunderkammerartigen Arrangements speist: Hendeles war Galeristin und Kuratorin, bevor sie ihr Sammeln und Ausstellen als Kunst definierte.
Als Ausgangsmaterial nutzt die Künstlerin gern alte Spielzeuge, Märchenbücher und hölzerne Gliederpuppen, die sie zu theatralischen Settings verknüpft.
Die umfassendste Arbeit "From her wooden sleep..." (2013) besteht aus nicht weniger als 150 Puppen, die in einer Szenerie arrangiert sind, die eine Vorlesung oder eine Anatomiestunde sein könnte: Vorne wird frontal unterrichtet, eine Norm definiert, daneben ist das Kinderbuch "The Adventures of two Dutch Dolls and a Golliwogg" (1895) ausgestellt. Es war im englischsprachigen Raum einst so populär wie bei uns etwa der "Struwwelpeter", wurde dann aber wegen der rassistisch-stereotypen Figur des schwarzen "Golliwog" heftig kritisiert.
Die auch hierzulande vertraute Debatte – darf Pippi Langstrumpfs Vater noch "Negerkönig" genannt werden? – ist nur einer der Resonanzräume, die Hendeles’ Arbeit aktuell erscheinen lassen: Wo im politischen Diskurs täglich ausgetestet wird, was alles geht und was alles noch gehen wird, ist ein genauer Blick auf das, was Kinder wie auch Erwachsene prägt, die Mühe wert.
Das Besondere bei Hendeles ist die Ästhetik, in der diese Auseinandersetzung passiert: Durch die alten Exponate erscheint sie aus der Zeit gefallen, distanziert, aber vielleicht gerade dadurch auch allgemein gültiger. Mit der Frage, wie explizit man sich zu politischen Vorgängen äußern solle, hadere er selbst immer wieder, sagte Kurator und Kunsthallen-Chef Nicolaus Schafhausen bei seiner Pressekonferenz. Mit Hendeles ist die Botschaft leise, aber sie kommt an und hallt lange nach.
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