Eine Nacht in der Kunstinstallation

Das Bett in der Kunstinstallation "Leben" von Carsten Höller, TBA 21 Augarten
Aufzugs-Bett, Gimpel und psychedelische Zahnpasta: Noch bis 23.11. kann man in Carsten Höllers Schau "Leben" im Wiener Augarten übernachten. Ein Selbstversuch.

Es wird dunkel im Augarten, das Restaurant, in dem wir zu Abend gegessen haben, leert sich nach und nach. Es hat geregnet, und die meterhohen Pilze im Garten draußen verstärken den Eindruck, dass wir in einem Zauberwald gelandet sind.

Wir werden heute die Nacht hier verbringen, in Carsten Höllers Installation „Leben“, die noch bis 23.11. im Kunstraum TBA 21 zu sehen ist. Der belgisch-deutsche Künstler hat den ehemaligen Atelierbau in der hintersten Ecke des Parks in einen Parcours der Seltsamkeiten verwandelt; das Herzstück ist dabei ein Bett, das sich bis in eine Höhe von gut vier Metern hochfahren lässt. Eine Übernachtung hier kostet von 120 € (limitierte Anzahl, via Facebook ausgeschrieben), bis 390 € (wochentags) bzw. 490 € (am Wochenende); der KURIER nahm eine Einladung zum Selbstversuch der TBA21-Kunststiftung von Francesca Habsburg wahr.

Anders denken

Seine Kunstwerke seien Vorschläge, um die „utilitaristische Denkweise“ zu verlassen, hatte Carsten Höller bei der Eröffnung im Juli erklärt; dass der Künstler dabei gern auch hippie-mäßige Bewusstseinserweiterung verspricht, ist nicht neu. Der studierte Biologe (er habilitierte über die Geruchskommunikation bei Insekten) verabreichte seinem Publikum schon „Glückspillen“, schickte sie durch vibrierende und kreisende Lichtspiele kelterte einen Trank aus dem Urin von Rentieren, denen zuvor Fliegenpilze gefüttert worden waren.

Eine Nacht in der Kunstinstallation

Eine Nacht in der Kunstinstallation

Eine Nacht in der Kunstinstallation

Eine Nacht in der Kunstinstallation

Eine Nacht in der Kunstinstallation

Eine Nacht in der Kunstinstallation

Eine Nacht in der Kunstinstallation

Eine Nacht in der Kunstinstallation

Eine Nacht in der Kunstinstallation

Eine Nacht in der Kunstinstallation

Eine Nacht in der Kunstinstallation

Eine Nacht in der Kunstinstallation

Eine Nacht in der Kunstinstallation

Eine Nacht in der Kunstinstallation

Eine Nacht in der Kunstinstallation

Im Augarten gibt es nur Zahnpasta: Von einer Wiener Apotheke gemischt, soll sie intensive Träume verursachen, und zwar wahlweise „kindliche“, „maskuline“ oder „feminine“. Als wir die bräunliche Paste mit einem Absinth-hältigen „Aktivator“ vermischen und uns auf die Zähne schmieren, schmeckt sie nach Salbei und anderen Kräutern. Mal abwarten.

Im Psychotank

Vielleicht tut sich ja im „Psychotank“ etwas. Höllers zweite Augarten-Attraktion ist ein mit Salzlake gefülltes Bassin; wie ein Tourist am Toten Meer verharrt man hier in einem Schwebezustand, kann entspannen und verliert tatsächlich – bei geschlossenen Augen – jeden Sinn für Orientierung. Der US-Wissenschafter John C. Lilly experimentierte in solchen Tanks einst mit LSD und träumte von der Kommunikation mit Delfinen, heute sind sie (die Tanks, nicht die Delfine) auch in Wellnesshotels zu finden. Wir spüren noch nichts von der Zahnpasta.

Eine Nacht in der Kunstinstallation
Die "Halbe Uhr" ist eine Lichtskulptur, die die Zeit anzeigt - das System dahinter ist allerdings kaum zu durchschauen.
Es ist spannend, einen großen Ausstellungsraum mitten in der Nacht für sich allein zu haben (wenn auch nicht ganz - eine Aufsichtsperson übernachtet im Haus nebenan). Irgendwann muss man die Exponate abschalten – eine Lichtskulptur, die nach einem hochkomplexen Prinzip die Uhrzeit anzeigt, ist zu hell, um neben ihr einzuschlafen. Und die Melodie, die immer dann ertönt, wenn sich jemand im Nebenraum mit den zwei Vogelkäfigen bewegt, kann auch mal nerven.

Eigentlich sollten die Gimpel in den Vogelkäfigen lernen, die Melodie zu pfeifen – Hintergrund dafür ist laut Höller die romantische Geschichte eines Adligen, der im 18. Jahrhundert eine Frau verführte, indem er allen Vögeln in seinem Garten dasselbe Liedchen beibrachte. Die Gimpel im Augarten machen „pieppiep“, als sie gegen sechs Uhr morgens erwachen. Von der Zahnpasta war auch im Traum nichts zu merken gewesen.

Placebo mit Wirkung

Die Versprechen, mit denen Höllers Kunstwerke daherkommen, halten einer empirischen Überprüfung also nicht wirklich stand. Als wir mit gepacktem Koffer wieder langsam durch die Alleen im Augarten nach draußen spazieren, macht sich allerdings die Gewissheit breit, dass diese künstlerischen Placebopillen trotzdem großartige Geschichten erzählen - über das, was sein könnte. Ginge es um den raschen Effekt, wären wir mit Achterbahnfahrten, Drogen und einem Wellnesshotel wohl besser dran gewesen. Das Versprechen, andere Perspektiven zu eröffnen, hat Höllers Installation am Ende aber doch erfüllt. Wenn auch ohne Zahnpasta.

Info

"Leben" von Carsten Höller ist noch bis 23.11. im TBA 21 Augarten, Scherzergasse 1 A, 1020 Wien, zu sehen (Mi und Do 12-17 Uhr, Fr-So 12-19 Uhr). Der Eintritt und die Benutzung des "Psychotanks" ist frei. Übernachtungen sind über das Sofitel Vienna buchbar (Tel. 01/90616 6102).

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