"Eine große Chance für die Klassik"

Ivo Pogorelich, großer Künstler und Exzentriker
Der legendäre Pianist Ivo Pogorelich veröffentlichte Einspielungen erstmals exklusiv im Netz.

18 Jahre lang hatte der Pianist Ivo Pogorelich, gleichermaßen Exzentriker wie grandioser Interpret, keine Einspielung veröffentlicht. Nun begab sich jener Mann, der 1980 mit einem Schlag berühmt geworden war, als sich Martha Argerich aus der Jury der Warschauer Chopin-Wettbewerbs zurückzog, weil Pogorelich nicht zum Finale zugelassen wurde ("Er ist ein Genie"), wieder ins Studio. Er spielte die Beethoven-Sonaten Nr. 22 F-Dur (op. 54) und Nr. 24 Fis-Dur (op. 78). Allein diese Tatsache wäre ja schon bemerkenswert – was diese Aufnahmen jedoch revolutionär macht, ist die Tatsache, dass er sie ausschließlich online veröffentlicht, nämlich auf der Klassik-Plattform www.idagio.com. Er ist der erste Klassik-Star weltweit, der einen solchen Schritt setzt.

"Um die junge Generation zu erreichen, müssen wir Kunst über die Wege verbreiten, die die junge Generation nutzt", sagt Pogorelich. "Idagio bietet mir als Künstler die Chance, meine Aufnahmen in Sekundenbruchteilen weltweit verfügbar zu machen." Es seit zwar "alarmierend, dass junge Menschen den ganzen Tag auf Smartphones starren". Andererseits würde das junge Publikum "in der virtuellen Welt hervorragende Instinkte entwickeln und seiner Intuition folgen". Ein "unvoreingenommenes, kompetentes Publikum ist eine große Chance für Klassik".

Idagio wurde 2015 von Till Janczukowicz gegründet. Die Plattform arbeitet auch mit den Wiener Philharmonikern eng zusammen (auf deren Homepage kann man mit einem Link das Repertoire vor- bzw. nachhören). Aber auch mit dem Philharmonia Orchestra, mit Israel Philharmonic, mit Cleveland, mit dem Symphonieorchester des Bayrischen Rundfunks etc. gibt es Partnerschaften. Mehr als 25.000 Stunden Musik sind zur Zeit abrufbar, die Programme wurden extra für Klassik entwickelt. Janczukowicz: "Alle anderen Dienste sind pop-getrieben. Klassik-Fans suchen aber ganz anders." Es gibt ebenso Gratis-Testabos wie ein Premium-Paket um 8 €/Monat, die Künstler sind nach einem Fair-Trade-Modell prozentuell beteiligt. Die Plattform myfidelio.at sieht Janczukowicz als Ergänzung und nicht als Konkurrenz, weil das eine video-, das andere audioorientiert sei. Er ist überzeugt, dass auch die Klassik-Zukunft digital sei.

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