Einblicke in Jerry Lewis' Holocaust-Film

Jerry Lewis bei den Dreharbeiten zu seinem Film
BBC-Doku enthüllt Erstaunliches über den nie veröffentlichten Holocaust-Film von Jerry Lewis

Er macht sie noch immer, seine wahnwitzigen Gesichtsverrenkungen und er ist auch mit fast neunzig ständig am Scherzen.

Dass der legendärste lebende Komiker der Welt ernste Seiten hat, wissen alle, die je mit Jerry Lewis gearbeitet haben. Und spätestens seit seinem Auftritt in Martin Scorseses Drama "King of Comedy" (1983) weiß auch die Öffentlichkeit von der kritischen Auseinandersetzung des Entertainers mit seinem (Bühnen-)Selbst.

Diese Geschichte aber vermag doch viele zu überraschen: Jerry Lewis drehte 1972 einen Film über einen Clown im Holocaust. Der Film "The Day the Clown Cried" ("Der Tag, an dem der Clown weinte") handelt von einem Mann, der im KZ Späße machen muss. Er wurde nie vollendet. Das Projekt entglitt dem seit Jahrzehnten als Produzent, Regisseur und Hauptdarsteller tätigen Lewis. Er hielt den unfertigen Film unter Verschluss. In einem späteren Interview sagte er, er schäme sich dafür, der Film sei "schlecht, schlecht, schlecht. Er hätte wunderbar werden können, es ist mir nicht gelungen."

Einblicke in Jerry Lewis' Holocaust-Film
Aufschlag

Im vergangenen August wurde bekannt, dass Lewis seinen Film der Library of Congress, einer öffentlich zugänglichen Forschungsbibliothek des US-Kongresses, im Rahmen seiner gesammelten Werke übergeben habe. Mit der Auflage, dass er frühestens in zehn Jahren gezeigt werde.

Die BBC ist nun im schwedischen Filminstitut auf Ausschnitte aus dem Film gestoßen und hat diese zu einer Dokumentation verarbeitet. Am Montag wurden Szenen aus "The Story of the Day the Clown Cried" online veröffentlicht, demnächst will der Sender die ganze Doku im Fernsehen zeigen.

Hype & Mythos

Im Zentrum steht der Hype, der sich um den Mythos des vermeintlich verschollenen Materials entwickelte, von Filmhistorikern als einer der "berühmtesten nie gesehen Filme" bezeichnet. Zu Wort kommen Wissenschaftler, Historiker und Crewmitglieder. Darunter Eric, Sohn des Produzenten Jack Kotschjak, der sich daran erinnert, dass sein Vater und Lewis zu Beginn des Drehs gute Freude gewesen seien, am Ende jedoch nicht mehr miteinander geredet hätten. Lewis habe seinen Vater als "kleinsten Mann der Stadt" bezeichnet.

Präsentiert und klug kommentiert wird die Doku von David Schneider, einem jüdischen Komiker. Auch Lewis kommt (in alten Aufnahmen) zu Wort und offenbart viel von sich selbst: Sein Film sei "die Geschichte eines Clowns, dessen bessere Tage hinter ihm liegen. Er wird Wunderbares erleben, denn es werden Dinge passieren, die ihn an Wichtigeres als ihn selbst denken lassen."

Schon eines der ersten Bilder, mit denen der britische Sender die Doku bewirbt, spricht Bände: Es ist eine typische Jerry-Lewis-Grimasse – hinter Stacheldraht. Seine Nase spießt sich am Drahtzaun auf, der Mund steht dümmlich offen da, die Augen sind betroffen geweitet. Das Bild ist ... ja, lustig.

Darf ich jetzt lachen?

Einblicke in Jerry Lewis' Holocaust-Film
Aufschlag

An der Frage, ob man über den Holocaust lachen darf, arbeiteten sich viele Künstler ab. Roberto Benignis Rechnung ging 1997 auf. Sein Film "Das Leben ist schön", in dem ein Vater spielerisch versucht, seinem Sohn das Leben im Konzentrationslager zumutbar zu machen, wurde mehrfach preisgekrönt.

Lewis’ Story geht weiter. Hier soll ein Clown, der ins KZ muss, weil er sich über Hitler lustig gemacht hat, Kindern den letzten Weg erträglich machen: jenen in die Gaskammer. Lewis fand diese Geschichte letztlich zu grauenhaft, um sie zu vollenden.

Gerade bei jüdischen Komikern wie dem aus einer osteuropäisch-jüdischen Emigrantenfamilie stammenden Lewis ist das Thema, wie man mit dem Holocaust erzählerisch umgeht, zentral, gilt doch die jahrhundertelange Verfolgung als eine der Wurzeln des jüdischen Humors. Für Comedian David Schneider ist das Thema geradezu eine "Obsession".

Lewis, resümiert Kulturwissenschaftler James Jordan, habe wohl signalisiert: "Ich bin Komödiant, aber ich habe auch noch etwas anderes zu sagen". Er sei ein "ernster Mann, gefangen im Körper eines Komödianten".

Die zwei Gesichter seines Lachens kennt wohl keiner besser als Jerry Lewis selbst. Faszinierende Aufnahmen zeigen ihn am Set in Schweden, wo der Film gedreht wurde. Seine üblichen Grimassen sind zu sehen, zu erkennen ist aber auch die Ernsthaftigkeit, mit der er sein Projekt verfolgte. Und er lässt tief blicken, wenn er sagt: "Die Komödie ist unser Sicherheitsventil. Ohne sie würden wir verschwinden, wir würden uns auflösen."

Szenen aus dem Film

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