Ein Vampir kämpft mit der Unsterblichkeit

Ab 19. Dezember im Kino: Tobias Moretti als alternder Vampir, der an Eheproblemen zu knabbern hat. Hilfe sucht er bei Dr. Sigmund Freud (Karl Fischer, li.)
Interview: Tobias Moretti über seine Rolle in der neuen Kino-Komödie "Der Vampir auf der Couch".

Man muss einen Vampirfilm nicht unbedingt, wie etwa bei "Twilight", in die Gegenwart versetzen, um das Genre zu erneuern. Regisseur David Ruehm (siehe Geschichte unten) konfrontiert in der Komödie "Der Vampir auf der Couch" seine Blutsauger mit psychischen Problemen – allen voran Hauptdarsteller Tobias Moretti als Graf Geza von Közsnöm, der nach 500 Ehejahren eine ausgewachsene Depression mit sich herumschleppt und sich auf die Couch von Sigmund Freud legt.

KURIER: Seit es den Film gibt, gibt es auch Vampir-Filme. Warum ist das Thema so populär?

Tobias Moretti: Der Vampir, der seine eigene Existenz anderen verdankt, ist ein diabolisches Grundthema und die dramatische Vorlage schlechthin. Solange es das Dramatische auf der Leinwand gibt, existiert die Bestrebung das zu zeigen. Weil es eine bürgerliche Urangst und Urutopie zugleich ist.

Was sind das für Ängste?

Es ist die Angst, vergänglich zu sein. Und der Vampir ist genau das nicht. Die Utopie, unvergänglich zu sein, ist das Thema unserer Gesellschaft schlechthin. Aber Gott sei Dank kümmert sich der Film um dieses Thema nicht so ernsthaft. Er spielt ironisch mit den Klischees: Der Ehemann und die blutsaugende Ehefrau, die endlich ihr eigenes Spiegelbild sehen will.

Ein Vampir kämpft mit der Unsterblichkeit
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Unsterblichkeit kann ja auch zur Belastung werden, wie man an dem Grafen sieht …

Und wie! Er ist ein wirklich schon bis zur Grenze der Peinlichkeit gehender Bonvivant. Er ist ja doch schon ein bisschen älter und entwickelt eine gewisse Altherren-Frivolität. Dadurch stolpert er immer in sich selbst hinein. Andererseits hat er das Selbstbewusstsein des Vampirs und Aristokraten, der anders reflektiert.

Haben Sie sich Filme aus dem Vampirgenre angesehen?

Nein. Das war von Anfang an eine ganz eigenständige Figur. Allein durch den Umstand, dass er zu Freud geht, hat sich das sofort von allen Beispielen verabschiedet. Hätte das mit einem typischen Vampirsakt, dem Biss, wie man ihn etwa aus "Nosferatu" kennt, begonnen, wären einem diese Bilder in den Kopf gekommen. Aber er kommt nie dazu. Dabei möchte er ja immer. In dieser ganzen Lächerlichkeit, seiner Impotenz, in der er sich trotzdem ernst nimmt, hat sich bei mir sofort eine Spiellust entwickelt.

Wobei er sich ein paar Tricks bedient, um an frisches Blut zu kommen …

Ja, ja, aber ist immer zu spät, etwas daneben und es mag nicht wirklich gelingen. Das ist so ein bisschen wie Altherrensex.

War das schwer zu spielen, damit es nicht zu sehr ins Slapstickhafte abgleiten könnte?
Nein. Am Anfang wusste ich vielleicht nicht genau, wie das gehen könnte. Aber wir sind da ziemlich schnell ins kalte Wasser gesprungen. Auch mit Jeanette Hain, die eine Schauspielerin von solchem Kaliber ist, dass sich da schnell eine gewisse Betriebstemperatur einstellt. Dadurch haben mir diese anstrengenden, langen Dreharbeiten, auch in diesem Schloss bei Pressburg, wo ein furchtbarer Wind gegangen ist, einfach nur Freude gemacht – auch immer wieder neue Dinge zu erfinden, gemeinsam mit David Ruehm, mit dem umwerfenden Martin Gschlacht an der Kamera. Da kann man wirklich gut Ping Pong spielen.

Es wurden viele Special Effects eingesetzt. War das neu für Sie?

Das war etwas Besonderes, vor allem weil sich der Film vieler klassischer Tricks bedient. Die Kampfszenen waren aber nicht ohne! Cornelia Dworak, die Stuntfrau der Vampirin, war wunderbar. Sie wurde mit einem Gummiband aus dem Stand drei, vier Meter weggeschleudert, sehr, sehr witzig. So was muss aber funktionieren und minutiös geprobt werden. Wenn sie mit dieser Geschwindigkeit gegen den Türstock knallt, wäre sie wahrscheinlich tot. Einmal ist sie auch aus dem zweiten Stock des Schlosses gesprungen. Und das habe ich in dieser Form noch nicht erlebt.

Es wurden aber auch digitale Effekte eingesetzt …
Ja, aber insgesamt hat sich der Film nicht dem Digitalen verschrieben. Auch in dieser Hinsicht war die Machart traditionell. So, wie man früher Filme gemacht hat. Weil in Österreich auch nicht so viel Geld vorhanden ist wie etwa bei den Amerikanern. Bevor es peinlich wird oder billig aussieht, hat man sich lieber etwas anderes einfallen lassen. Vieles kann man machen, aber manches nicht. Da hat man lieber aus der Not eine Tugend gemacht und diese traditionellen Spezialeffekte choreografiert.

Es war auch der letzte Kinofilm, der noch in den mittlerweile geschlossenen Rosenhügel-Studios gedreht wurde.

Ja, tränenden Auges. Ich bin auch gewissermaßen stolz darauf, dass ich bei dem letzten Film dabei war, aber da wird mir schwer ums Herz. Nicht etwa, weil ich da an einer gewissen Nostalgie hinge, sondern weil ich es einfach auch blöd finde, dass eine Kulturstadt wie Wien die einzige Möglichkeit eines Filmstudios auslässt. Da wird dann so ein soziales Wohnprojekt daraus gemacht, dabei könnte man beides miteinander verbinden. Betreutes Wohnen für ältere Leute und die Filmstudios, das hätte alles Platz nebeneinander und ineinander, da haben sie wenigstens was zu schauen, die älteren Leut'.

Warum ist es aus Ihrer Sicht schade um die Rosenhügel-Studios?

Diese Studios waren auch wunderbar für Kulturprojekte. Wir haben dort an der Haydn-Oper mit Nikolaus Harnoncourt gearbeitet, fürs Theater an der Wien. Die Oper hat diese Räume genützt, der Film, der ORF, auch das Theater. Ich habe zum Beispiel die letzte Marthaler-Inszenierung dort gesehen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man das nicht alles auch verknappt konzipieren kann. Aber das alles zu ruinieren, ist eine Tragödie.

(Interview: Peter Temel)

"Ausgangspunkt war, dass es für Vampire furchtbar sein muss, dass sie sich selbst nicht sehen können", sagt David Ruehm (52). "Insofern kam ich zur Psychoanalyse und auch zur Spiegeltheorie von Lacan. Er schreibt, dass man sich erst als Person begreift, wenn man sich selbst im Spiegel erkennt." Ruehm wollte aber, "dass man, auch wenn man keine Ahnung von Psychoanalyse hat, sich im Kino zurücklehnen kann und seinen Spaß hat. Experten wiederum werden viele versteckte Dinge entdecken." So greift Freud etwa in einer Szene zu einem Beruhigungdmittel namens "Träumwohl" mit dem Ablaufdatum 1900. In diesem Jahr wurde sein Buch "Die Traumdeutung" veröffentlicht.

Was Vampirlegenden betrifft, stieß der österreichische Filmemacher ("El Chicko") in seinen Recherchen auf einen kuriosen Zählzwang, Auch von Közsnöm muss alle Dinge, die in umgeben, abzählen.

Wien der 1930er Jahre

Wichtig war Ruehm, die Handlung in Österreich anzusiedeln. "Ich kannte vorher keinen Vampirfilm, der hier spielt", sagt Ruehm. "Dabei hat das Wien der 1930er Jahre eine Atmosphäre, die sich dafür anbietet." Für eine österreichische Produktion werden verhältnismäßig viele digitale Effekte verwendet. Diese kombinierte Ruehm aber bewusst mit altertümlichen Tricks, um eine klassische Optik zu bewahren.

Liebevoll zusammengestellt ist die Besetzung: Jeanette Hain ("Der Vorleser") als eifersüchtige Vampirgräfin, Lars Rudolph ("Lola rennt") als Koch, der dem Grafen ein besonders blutiges Steak zubereiten soll. Oder David Bennent ("Die Blechtrommel") als Gehilfe Radul, der dem altersschwachen Vampir Blutkonserven von Jungfrauen besorgen muss. Erni Mangold hat eine kleine Rolle als neugierige Nachbarin.

Neben den Routiniers spielen Jungschauspieler wie Dominic Oley. Er spielt den Künstler Viktor, den Gräfin von Kösznöm damit beauftragt, ein fotorealistisches Bild von ihr zu malen. Cornelia Ivancan (27) ist als Lucy zu sehen, in der Graf von Közsnöm eine Jahrhunderte alte Liebe erkennen will. Ruehm: "Er beißt sich im wahrsten Sinne des Wortes die Zähne an ihr aus, was für einen Vampir natürlich schlecht ist."

INFO: "Der Vampir auf der Couch". Ö/CH 2014. 87 Min. Von David Ruehm. Mit Tobias Moretti, Jeanette Hain, Cornelia Ivancan, Dominic Oley, David Bennent, Lars Rudolph, Karl Fischer, Erni Mangold, Anatole Taubmann.

Österreich-Premiere: 16. Dezember im Wiener Gartenbaukino, 20 Uhr.

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