Ein Schuss auf das Kruzifix an der Stubenwand

Zwischen Berg und Tal: Andreas Lust in "Die Einsiedler"
Andreas Lust in den Südtiroler Bergen.

Ronny Trocker hat für sein formschönes Spielfilmdebüt "Die Einsiedler" zwei Urwiener in die Südtiroler Berge versetzt. Ausgerechnet Ingrid Burkhard, dem großen Publikum bekannt als Toni Sackbauer, Frau von Edmund in "Ein echter Wiener geht nicht unter", spielt punktgenau eine alte Bergbäuerin im Vinschgau. Als solche schleppt sie schwere Milchflaschen über den vereinsamten Hof, melkt Kühe, schaufelt Gräber und ertränkt Katzen. Wenn es sein muss, schießt sie auch das Kruzifix von der Wand.

Ihr Sohn – Andreas Lust, ungewohnt mit Südtiroler Akzent – soll ein besseres Leben führen als sie und arbeitet im Steinbruch im Tal. Tatsächlich aber kann er dort nicht recht Fuß fassen und schwankt zwischen seiner halb eingerichteten Wohnung und der Verpflichtung, auf dem elterlichen Hof nach dem Rechten zu sehen.

Trocker kennt keine falschen Sentimentalitäten, wenn es um das Verhältnis zur unwegsamen Natur geht. Sein unlieblicher Blick auf eine erhabene, aber gleichgültige Bergwelt ordnet "Die Einsiedler" umgehend ins Anti-Heimatfilm-Genre ein. In klaren, kalten Bildern spitzt er die tristen Verhältnisse in extremer Berglage zu: Die Beziehung zwischen der barschen Mutter und ihrem Sohn – kongenial austariert von Burkhard und Lust – ist weitgehend sprachlos; die Alte will den Sohn in sein neues Leben stoßen, doch auch dort herrschen unterkühlte Zustände. Anbahnende Freundschaften werden von mobbenden Kollegen verdunkelt, eine Romanze mit Blicken angedeutet. Manchmal entwirft Trocker die Lebenssituationen seiner Protagonisten einen Hauch zu modellhaft, bleibt aber als Erzähler immer atmosphärenstark und eindringlich.

INFO: D/Ö 2016. 110 Min. Von Ronny Trocker. Mit Ingrid Burkhard, Andreas Lust, Orsi Tóth.

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