Ein Pass für eine bessere Welt

Der Weg zum Pass ist steil: Installation von Ahmet Öğüt in Venedig
Das Laibacher Kollektiv NSK gastiert in Venedig – und ab heute (16. Mai) bei den Wiener Festwochen.

Auch Tunesien nimmt an der Biennale von Venedig teil – zum ersten Mal seit 1958. Und weil das nordafrikanische Land auf der Route in die freie Welt liegt, widmet sich der Beitrag "The Absence of Paths" ("Das Fehlen von Pfaden, Anm.) einem idealistischen Ansatz: Jeder Mensch soll überall hinreisen dürfen.

In drei Kiosken (zwei im Arsenale, einer auf dem Weg zu den Giardini) stellen daher Männer in Uniform ein "Universalreisedokument" aus. Um das begehrte "Freesa" zu bekommen, reicht ein ausgefülltes Formular samt Fingerabdruck. Ach, wenn es nur so einfach wäre.

Weit raffinierter geht das Kollektiv Neue Slowenische Kunst vor, zu der die Band Laibach und die in diesem Fall federführende Gruppe Irwin gehören: In einem alten Gebäude der Universität IUAV richtete es den temporären "NSK State Pavilion" ein. Dort kann man einen Pass beantragen – eben jenes 1992 ausgerufenen, transnationalen Staates "NSK" mit bereits 15.000 Einwohnern.

Doch der Weg zum Dokument (und damit zur Doppelstaatsbürgerschaft) ist mühsam. Denn Ahmet Öğüt lagerte dem Amt ein wirkliches Hindernis vor: einen derart schräg gestellten "White Cube", dass einem beim Bezwingen übel wird. Man glaubt, den Boden unter den Füßen zu verlieren, man droht umzukippen, nach hinten zu fallen. Die ausgestellten Materialien zum NSK-Staat kann man unmöglich studieren. Es gilt, den Kubus so rasch wie zu durchqueren.

Symbole der Macht

Dahinter entdeckt man ein zum Pult umfunktioniertes Trampolin. Es ist das Sprungbrett in eine bessere Welt. Antragsformulare liegen herum, doch man wird gebeten, die Daten in den Computer einzugeben. Die ausnehmend freundlichen "Beamten" sind allesamt Migranten (aus Nigeria oder Ghana), die das Schicksal nach Italien verschlug. Man wird fotografiert, zahlt 24 Euro, und während der Akt bearbeitet wird, liest man zum Beispiel den Beitrag "Es gibt keinen Staat in Europa" von Slavoj Žižek aus 1993, als es zum ersten Mal einen NSK-Pavillon in Venedig gab – als Teil des slowenischen Beitrags. Oder man füllt Fragebögen aus: Was man, wenn es darum ginge, eine bessere Welt aufzubauen, vom europäischen Erbe mitnehmen würde – und was man zerstören würde, um die Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen.

Hoch oben auf einer Plattform thronen die Beamten. Deren Schreibtisch hat ein reales nachgebildetes Spiegelbild. Irwin spielen immer mit den Symbolen der Macht und der Kirche, auch jetzt. Irgendwann wird eine Gangway in die Mitte geschoben, der Name aufgerufen – und ehrfurchtsvoll steigt man hinauf, um den kunstvoll abgestempelten Fake-Pass entgegenzunehmen.

Auf dem Weg zurück entdeckt man Postkarten von Ramesch Daha und Anna Jermolaewa. Zu sehen sind plump kopierte Meisterwerke von Giuseppe Arcimboldo bis Vincent van Gogh, aber auch Ölbilder eines Nissan Qashqai oder einer Grenzstation. Diese Postkarten mit dem Übertitel "What is your favorite artwork?" verweisen auf den "NSK State Pavilion" im Rahmen der Wiener Festwochen. Er wird heute, Dienstag, um 19 Uhr im ARCC.art Open Space, Kaiserstraße 76, eröffnet.

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