Ein Erneuerer geht mit Demut ins MAK

Ex-Diplomat Christoph Thun-Hohenstein folgt als MAK-Chef auf Peter Noever. Er will reformieren, "ohne alles umzukrempeln".

Es gibt auch Posten außerhalb des Außenministeriums, die viel diplomatisches Gespür verlangen.
Und auf einem davon sitzt künftig ein Ex-Diplomat: Christoph Thun-Hohenstein folgt Rekord-Direktor Peter Noever als MAK-Chef nach.

Thun-Hohenstein (Jahrgang 1960) ist zweifacher Doktor, ehemaliger Chef des Kulturforums in New York, freigestellter Mitarbeiter im Außenministerium und derzeitiger Chef der Kreativwirtschafts-Förderagentur departure. Er bringe ein "Höchstmaß an Qualifikation" mit, sagt Kulturministerin Claudia Schmied.

Hat sich nicht beworben

56 reguläre Bewerbungen hat es bei der Ausschreibung gegeben - Thun-Hohenstein war nicht dabei. Das ist rechtlich auch nicht nötig. Er habe "sein Interesse bekundet", sagt Schmied. Und mit ihr intensive Gespräche über die Zukunft des MAK geführt.

Die Einblicke in diese Pläne, die Thun-Hohenstein bei seiner Präsentation gab, listen alles auf, was in der Museumswelt derzeit in ist. Und/oder Schmied ein Anliegen ist: Ein "Kreativlabor", das "am Puls der Zeit" steht, soll das MAK werden, wo Netzwerke und Diskurs neue Priorität bekommen. Auch die Kunst-Vermittlung sei eine "Form angewandter Kunst", betont Thun-Hohenstein, der mehr mit Schulen kooperieren will. Das Design soll eine Aufwertung erfahren. Ebenso soll das MAK näher an lokale und internationale Szenen heranrücken, ein "offenes Haus der Begegnung" werden.
Und auch hinterfragen: "Was bedeutet Angewandte Kunst heute?" Das könnte von den Visualisten bis hin zu ernsthaften Computerspielen reichen, erläutert Thun-Hohenstein, der aber auch etwa die Schätze der Wiener Werkstätten in neuem Licht präsentieren will.

Der künftige MAK-Chef tritt am 1. September an - mit "Demut" vor der Aufgabe, wie er bekundete. Er will mehr Sonderausstellungen machen, vermehrt Sponsorenmittel aufstellen als auch Sparpotenziale im Haus finden. Und die Besucherzahl erhöhen - ganz ohne Blockbuster-Ausstellungen: Die Ausstellungen sollen "so überzeugend" sein, dass sie "möglichst viele Menschen erreichen."

Die Struktur des verzweigten MAK-Konzerns will Thun-Hohenstein unangetastet lassen, auch die mehrfach kritisierte Dependance in Los Angeles und den Gefechtsturm im Arenbergpark behalten: "Der Arenbergpark ist ein ganz besonderer Ort für zeitgenössische Kunst. Und L. A. für die internationale Repräsentation des MAK sehr wichtig."

Über Noever: "Großes geleistet"

Als departure-Chef (wo Noevers Gattin zu seinen Mitarbeitern zählt) hat Thun-Hohenstein mit Noever kooperiert. Der wegen falscher Abrechnungen fristlos entlassene Peter Noever habe "Großes geleistet. Andere Dinge sind vielleicht unterbelichtet gewesen", resümiert Thun-Hohenstein.

Neubesetzungen seien "die Möglichkeit, kulturpolitische Weichen zu stellen", sagt Schmied, die die Entscheidung wie schon in anderen Fällen ohne Beiziehung einer Jury gefällt hat.
Wobei da eine wichtige Weiche weiter in dieselbe Richtung ausgerichtet ist: An der Seite Thun-Hohensteins wird weiter Noevers ehemalige Stellvertreterin Martina Kandeler-Fritsch stehen.

Die derzeitige interimistische MAK-Leiterin hat sich selbst für den Chefposten beworben, ist aber nicht zum Zug gekommen. Thun-Hohenstein findet es "richtig", dass Kandeler-Fritsch bleibt: "Ich glaube nicht, dass sie in das, was auch immer da passiert ist, so eng involviert war", sagt er auf KURIER-Nachfrage. Fürchtet er keine Missstimmung, da
Kandeler-Fritsch sich ja um seinen neuen Posten beworben hat? "Ich werde sie überzeugen müssen, aber ich überzeuge gerne."

Einen Rohbericht der laufenden Rechungshof-Prüfung der Ära Noever dürfte es "spätestens im Oktober" geben, sagte der Vorsitzende des MAK-Kuratoriums, Andreas Treichl. Könnte Thun-Hohensteins Antritt da nicht überschattet werden, falls der Rechnungshof Unregelmäßigkeiten aufdecken sollte? "Das kann man nicht ausschließen", sagt der designierte Direktor. "Mein Blick ist aber ganz stark in die Zukunft gerichtet."
Und daher ist er auch "guter Dinge", dass die schwierige Phase im MAK Geschichte ist: Er gehe "mit der Überzeugung heran, dass man hier ein Team neu motivieren kann. Das ist vielleicht auch notwendig."

MAK: Ein kleiner Museums-Konzern

Das Museum
1864 als Museum für Kunst und Industrie gegründet, wurde das Museum für Angewandte Kunst unter Langzeit-Direktor Peter Noever (1986-2011) zur Schnittstelle von Tradition und Gegenwartskunst umgedeutet. Neben dem Haus am Stubenring bespielt das MAK die Exposituren Geymüllerschlössel, Gefechtsturm Arenbergpark und das Josef-Hoffmann-Museum Brtnice (CZ), dazu drei Häuser des Architekten Rudolph Schindler in Los Angeles.

Daten
Mit 190.625 Besuchern lag das MAK 2010 im Aufwärtstrend, es hat aber den niedrigsten Anteil zahlender Besucher unter den Bundesmuseen (2009: 37,83%). Die jährliche Basisabgeltung beträgt 9,598 Millionen Euro.

Kommentar: Visionär, nicht radikal

Claudia Schmieds bisherige Personalentscheidungen im Museumsbereich legten ein "Beuteschema" nahe: Direktorinnen und Direktoren sollten demnach wirtschaftlich bewandert, kooperationsbereit und bitteschön nicht zu fordernd und laut sein. Christoph Thun-Hohenstein wirkt für dieses Muster zunächst untypisch, er ist fast eine Besetzung mit Glamour-Faktor.

Es wäre aber auch töricht gewesen, auf den dominanten Peter Noever jemanden folgen zu lassen, der kein Macher-Image vorweisen kann: Das MAK braucht - Noevers Verdienste in Ehren - einen Neustart, eine generalüberholte Sammlungsaufstellung und eine Mission, die über die Vision eines einzelnen Menschen hinausreicht.
Dass Christoph Thun-Hohenstein der Kunstwelt Impulse geben kann, haben seine Aktivitäten mit der Agentur departure bewiesen. Nun findet er eine schwerfälligere Struktur vor, die er den ersten Anzeichen zufolge auch nicht massiv zu verändern gedenkt. Das kann zulasten der Visionen gehen - muss es aber nicht
. (M. Huber)

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