Ein böser Bube mit seinen Femmes fatales

Ein böser Bube mit seinen Femmes fatales
Der lettische Regisseur Alvis Hermanis inszeniert an der Burg "Das weite Land" als Film noir. Peter Simonischek spielt den Hofreiter. Samstag ist Premiere.

In sein Tagebuch notierte Arthur Schnitzler im April 1910: "Finde das Stück gut - ja möglicherweise zu gut für einen Theatererfolg."

"Wirklich?", fragt Peter Simonischek. "Nicht schlecht. Das war ein sehr g'scheiter Mann. ,Das weite Land' ist zu gut, weil zu akribisch ausformuliert." Dann fragt er: "Was soll ich dazu sagen?"

Nix. Wird schon schiefgehen. Samstag hat das Stück am Burgtheater Premiere, inszeniert vom lettischen Regisseur Alvis Hermanis. Und weil der vor dem Sommer keinen künstlerischen Weg zu Klaus Maria Brandauer fand, gibt nun Simonischek den Glühbirnenfabrikanten Friedrich Hofreiter.

Simonischek ist auch ein fantastischer schwer verliebter Porfirij Semenovic Glagoljev in Hermanis' "Platonov" am Akademietheater.

Seit 2003 verfolgt der Schauspieler die Arbeit des Theatermachers. Da gewann Hermanis mit Gogols "Revisor" das Young Directors Project der Salzburger Festspiele; der damalige "Jedermann" saß in der Jury: "Und ich hab' ihn auch gewählt!"

Mit echten Eiern

Über das Denken vieler "Aha, das ist der mit dem Hyperrealismus, der auf der Bühne Eierspeis mit echten Eier kocht!" amüsiert man sich dieser Tage gemeinsam.
"Das weite Land" wird ganz anders. Ein Film noir.

Zwei Dutzend DVDs hat Hermanis an seine Darsteller verteilt. Als Hausaufgabe. Fritz Lang, Otto Preminger, George Cukor ist die Verwandtschaft, in der man sich sehen will. Einen "Stresstest für Schnitzler" nennt Simonischek diese ganz andere, erfrischend unösterreichische Herangehensweise ans Theatermonument, "dessen Vokabular, veritabel wie psychisch, in seiner Divergenz zwischen Gesagtem und Gemeintem in Wien ja jeder Hausmeister kennt".

Und nun das alles im Krimistil der 40er-Jahre? "Ja, der hat einen ganz eigenen Kodex. Die Frauen sind schön, schillernd, vielschichtig, Femmes fatales, wie Lauren Bacall und Joan Crawford. Sie treiben die Männer ins Verderben, in den Tod."

Und die Männer?
Welche Frage.
"Sind halt richtige Männer. Und gehen reihenweise an diesen Frauen zugrund'."

Macht + Sex = Crime

Ein böser Bube mit seinen Femmes fatales

Man müsse bei Schnitzler, so Peter Simonischek weiter, "das Senkblei in die Tiefe, in die verborgenen Absichten, in die Getriebenheiten hinablassen. In die sexueller Natur und in die an den Willen zur Macht geknüpften."

Hofreiter, sagt er, stolpere über seine Profilneurosen, über seine Vorstellung von Männlichkeit. "Er ist ein einsamer Wolf. Und als Macho, Macher, Machtmensch, ein Objekt weiblicher Begierde. Abgeschleppt werden ja immer die bösen Buben. Spirituell ist er aber, glaube ich, ein Zwergerl. Als die Liebesfähigkeit verteilt wurde, ist der in einer Grube gesessen, wie wir Steirer sagen."

Als seine Frau Genia einmal statt ihm fremdgeht, "will er nicht der Hopf sein".
Ergo: Duell. Ergo ist Nebenbuhler Otto von Aigner tot.
Dass er sich all das überlegen darf, die Feinheiten seiner Figur, ihre Möglichkeiten, sieht Simonischek als Hermanis' Verdienst: "Das kann nämlich nur jemand machen, der vor den Schauspielern Respekt und Achtung hat. Und vor allem ein gutes Verhältnis zur Macht. Alvis ist nicht glücklich, wenn lauter Marionetten auf der Bühne herumhampeln, die jede Geste so ausführen, wie er das entschieden hat. Er ist nie despotisch. Solche Neurosen hat er nicht."
Nachsatz: "Dafür eine unglaubliche Theaterpratzn."

Apropos, Duell:
Die Szene ist Sollbruchstelle vieler "heutig" sein wollender Inszenierungen. Im Film noir passt sie wahrscheinlich?

Es muss krachen

"Ihr Wort in Gottes Ohr!", lacht Simonischek. "Wir machen uns schon Gedanken, wie's rüberkommt, wenn zwei Männer mit Waffen aufeinander losgehen. Aber in diesem Genre g'hört's dazu, da muss es krachen."

Zum Stück: Aufgeführt von einer Reihe großer Namen

Das weite Land wurde 1911 uraufgeführt. Inhalt: Der Wiener Fabrikant Hofreiter bricht mehrfach die Ehe, will aber seiner Frau Genia einen Seitensprung (in den er sie getrieben hat, um nicht der einzige Fremdgänger im Haus zu sein) nicht verzeihen. Er tötet seinen Nebenbuhler im Duell, ist aber Ehrenmann genug, dass er sich den Behörden stellen will.

Inszenierung: In der Regie von Alvis Hermanis spielen Peter Simonischek und Dörte Lyssewski die Hofreiters. Außerdem im Ensemble: Corinna Kirchhoff, Kirsten Dene, Michael König, Falk Rockstroh und Lucas Gregorowics als Otto von Aigner.

Vorläufer: Frühere "Weite Land"-Inszenierungen an der Burg:
1961, Regie: Ernst Lothar, mit Attila Hörbiger und Paula Wessely.1978, Regie: Otto Schenk, mit Helmuth Lohner und Gertraud Jesserer. 1999 Regie: Achim Benning, mit Karlheinz Hackl und Regina Fritsch.

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