Die Insel der Südstaaten-Rebellen

Bei ihrem traditionellen Corso lassen die American Cruisers die Donauinsel erzittern.
Wilder Westen, heiße Öfen und fesches Design für junge Großstadt-Cowboys.

Südstaaten-Flaggen wehen im Rauch, der über die Grillstandeln zieht. Es duftet nach Spare Ribs. Kellnerinnen in knappen Jeans-Shorts servieren Bier: Die Brigittenauer Bucht hat sich an diesem Wochenende wieder in den Wilden Westen verwandelt. Seit 30 Jahren ist hier im Rahmen des Donauinselfests die Country- und Western-Bühne angesiedelt.

"Leider gibt es die Brücke nicht mehr, die uns mit der eigentlichen Insel verbindet", sagt Organisator Heribert Naber vom Old Mississippi Country Club Austria. "Deshalb verirren sich nur eingefleischten Country-Fans zu uns." Männer und Frauen mit Cowboyhüten etwa, die zum Line-Dance antreten, während auf der Bühne Keana Rose and Band fiedeln.

Naber hat sich natürlich auch dem Anlass entsprechend ausstaffiert: Mit Hut der Konföderierten-Armee und Südstaaten-Flagge an der Jacke. "Die Südstaatler haben einfach den Nimbus der Rebellen, die sich gegen den übermächtigen Norden aufgelehnt haben. Nordstaatler-Clubs gibt es fast keine."

Vom Radio ignoriert

Kriegerisch geht es auf der Country-Insel aber keineswegs zu. "Die Abgeschiedenheit unserer Insel hat auch Vorteile: Probleme mit Betrunkenen wie bei anderen Bühnen haben wir keine", betont der Organisator. Immerhin: Pro Abend bevölkern an die 4000 Gäste das Areal. Damit ist das Donauinselfest das größte Country-Treffen Österreichs. Und gleichzeitig auch die wichtigste Bühne für die heimische Musikszene. Dieses Mal treten ausschließlich heimische Bands auf. "Wir möchten ihnen die Chance geben, sich zu präsentieren. Im Radio wird Country aus Österreich nicht gespielt", beklagt Naber.

Doch was macht für ihn die Faszination der Musik aus? "Country ist vielfältig. Er reicht von Klassikern wie Johnny Cash bis hin zu den moderneren Stücken eines Garth Brooks." Entsprechend gemischt sei das Publikum. Und natürlich gehe es um das Gefühl von Freiheit.

Diesen Gedanken beschwören auch die Mitglieder der American Cruisers Chapter Vienna, die sich am Samstagnachmittag zu ihrem traditionellen Biker-Corso auf der Country-Insel versammeln. "Wir sind kein klassischer MC, keine Bruderschaft mit strengen Regeln, sondern eine Fahrgemeinschaft", stellt President Mike klar. Entsprechend bunt ist der Club zusammengewürfelt ("vom Manager bis zum Hilfsarbeiter"), entsprechend vielfältig ist auch das Zweirad-Teilnehmerfeld selbst: Von der Harley Davidson bis zum kleinvolumigen Roller ist an diesem Samstag alles vertreten. "Fahrerisch ist der Corso natürlich kein großes Highlight, aber man trifft hier sehr viele Bekannte", sagt Mike, der mit seiner Ducati Multistrada vorgefahren ist. Sein Vize Haubi führt seine Harley Davidson Night Rod aus: "Du muss selbst einmal auf einen Motorrad gesessen sein, um zu wissen, ob das etwas für dich ist. Für mich ist Biken wie eine Droge."

Junge Designer

Ein gänzlich anderes Publikum bedient indes das Design-Zelt hinter der Hauptbühne: Blumenkränze, Uhren aus Schallplatten oder Kinderkleider aus ehemaligen Hemdsärmeln suchen hier neue Besitzer. Die Organisatoren des Pop-Up-Lokals Neubau und die Mädels vom Fesch’markt haben sich zusammengeschlossen und bieten ihre jungen Designartikel erstmals auch am Donauinselfest an. "Auf diesem Weg kommen Leute mit unseren Produkten in Kontakt, die das sonst vielleicht nie tun würden", sagt Neubau-Chefin Joanna Kowolik. Besonders faszinierend für die Gäste: Der 3-D-Drucker, der dank der Design-Künste von Lukas Bast, Ringe, Armreifen oder Accessoires für Fahrräder herstellt.

Für Frühaufsteher mit rustikalem Geschmack beginnt der Insel-Sonntag mit der bereits traditionellen Open Air Country Gospel Messe auf der Country- und Western Insel (10 Uhr). Die Teilnehmer mit ihren Cowboy- und historischen Militär-Outfits sind jedes Jahr ein Publikumshit.

Doch auch Schlagerfans kommen auf ihre Rechnung: Marc Pircher & Band gastieren auf der Schlager- und Oldies-Insel (19.30 Uhr).

Gerne wird er als „die neue No.1 vom Wienerwald“ bezeichnet, mit Sicherheit ist er aber eine Galionsfigur des neuen Wienerliedes: Ernst Molden tritt mit seinem Trio am Abend auf der Ö1 Kultur Insel auf (20.15 Uhr).

Hauptact des Abends auf der FM4-Bühne ist Kosheen. Seit seinem Welthit „Hide you“ gehört das Trio aus Bristol zu den Stars der Alternative-Szene. Jetzt meldet es sich mit seinem fünften Studioalbum zurück (22.30 Uhr).

Nicht fehlen darf Conchita Wurst. Auf der Ö3-Bühne gibt die Song-Contest-Siegerin „Rise like a Phoenix“ zum Besten (22.30 Uhr). Gleich danach das abschließende Highlight des diesjährigen Inselfests: Cro, der Rapper mit der Panda-Maske, beehrt die Ö3-Bühne. Mit im Gepäck hat er seine Hitsingle „Traum“ (zirka 22.40 Uhr).

Alles rund um das Donauinselfest gibt es hier.

Vor zwei Jahren saß Paris Zinner noch mit seinen Freunden im Gras vor der FM4-Bühne und schaute zu seinen musikalischen Vorbildern auf – am Samstag stand der 20-jährige Waldviertler mit seiner Band Sco bereits selbst auf der Bühne. Surreal, „aber geil“. Gehofft hatte der Sänger auf einen Auftritt vor Hunderten Menschen natürlich – seit er vor rund drei Jahren begann im Stadl, hinter einem Traktor, Musik zu machen. „Aber wenn es dann soweit ist, ist es doch schräg.“

Als der KURIER die „Rock the Island“-Contest-Gewinner im Genre Alternative am Samstagnachmittag einige Stunden vor ihrem ersten großen Auftritt traf, verwandelte sich Aufregung gerade in Nervösität. Bereits zum 15. Mal gibt der spark7-Contest 15 Nachwuchstalenten die Möglichkeit, am Donauinselfest zu spielen. Die Burschen aus Moorbad Harbach , die in ihren Liedern Alternative-Indie-Rock mit Synthesizer-Klängen verbinden, hatten zwar bereits in verschiedenen Wiener Lokalitäten, wie der Szene gespielt – „aber das Donauinselfest ist schon eine Klasse für sich“, stellt Zinner klar.

Fan-Gemeinde

Das wollen sich Eltern und Freunde natürlich nicht entgehen lassen. „Rund 200 Leute aus dem Waldviertel kommen extra für uns her“, erzählt Gitarrist Julian Weber, der Zinner vor etwa acht Jahren beim Fußballspielen kennenlernte. Später entdeckten sie ihre gemeinsame Leidenschaft für Musik. Dazu kamen wenig später Fabian Mörzinger am Schlagzeug und Lukas Märkl am Bass. Die englischen Texte stammen von Zinner, die Melodie wird dann gemeinsam erarbeitet. Einer bestimmten Richtung will sich die Band nicht zuordnen lassen. Ihre Musik stellt eine Mischung aus The Kooks und Arctic Monkeys mit Synthesizer-Klängen da.
Der ungewöhnliche Bandnamen ist zufällig entstanden. „Wir waren in einem Lokal, haben bei einem Flyer willkürlich Buchstaben zugedeckt und auf einmal stand da Sco“, schildert Weber.

Auf Schiene

Doch das Donauinselfest ist nicht das einzige Highlight, das die Band derzeit erlebt. Gestern kam ihre erste Single „Conversation“ auf den Markt. Das erste komplette Album ist für Anfang kommenden Jahres geplant. Und am ersten August treten sie mit Bands wie Bilderbuch und Gerard beim Palaverama Festival in Gmünd (OÖ) auf.
All das dient der Vorbereitung auf ihren großen Traum. Zinner: „Einmal im Madison Square Garden spielen.“

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