Ein entfesselter Tarantino

Django Unchained - Sony Picutres - honorarfrei!
"Django Unchained" kombiniert Sklaverei mit einer Pferdeoper und Richard Wagner.

Nächtens im tiefen, tiefen Wilden Westen. Die Ku-Klux-Klan Leute sind auf der Jagd. Eine bedrohliche Meute zu Pferd mit weißen Säcken über dem Kopf und Waffen im Halfter. Sie halten an, zum Schießen bereit, als einer einer von ihnen plötzlich laut zu nörgeln beginnt.

„Ich sehe nichts“.

Wer denn die Augenlöcher so schlecht ausgeschnitten habe?, stimmt ein anderer ein. Wie man denn da reiten solle oder schießen?, schwillt der Chor der Kapuzenkritiker minutenlang an.

Ja, ja, so komisch kann der Ku-Klux-Klan wohl nur bei Quentin Tarantino sein. Dieser filmische Entfesselungskünstler und Pop-Filmemacher schießt in seinem Western „Django Unchained“ wieder grandios übers Ziel und trifft dabei präziser (als etwa in „Inglourious Basterds“) die wunden Punkte eines rassistischen Gesellschaftsystems. Bereits zum zweiten Mal stülpt Tarantino sein Filmuniversum also einem historischen Thema über. Doch es bleibt diesmal nicht bei der kessen Nummernrevue, es wird zum Entwicklungsroman. War es zuletzt noch die Nazi-Elite, die er im Kino spektakulär in die Luft sprengte, so wird diesmal der Horror der Sklaverei (zwei Jahre vor dem Bürgerkrieg) thematisiert, mit einer Pferde-Oper kombiniert und mit Richard Wagner und Hip-Hop orchestriert.

Ein schwarzer Sklave darf die weißen Ketten sprengen und gar zum Siegfried aufsteigen. Und wie immer bei Tarantino ist das auch ein gerissenes Spiel von Film mit Filmen. „Django Unchained“ bezieht sich vor allem auf Sergio Corbuccis Italowestern wie „Leichen pflastern seinen Weg“ oder „Django“ mit Franco Nero, der hier auch einen Kurzauftritt hat.

In Christoph Waltz aber hat Tarantino seinen idealen Schauspieler gefunden. Waltz spricht Tarantinisch wie kein anderer: Zwar zieht er dieselbe Nummer ab wie in „Inglourious Basterds.“ Aber was soll’s. Er macht die Nummer gut. Er ist stets höflich und gut gelaunt, wenn er nicht gerade höflich und gut gelaunt mordet. Waltz’ Mischung aus eleganter Süffisanz und theatralischer Exzentrik, wie er Worte spreizt und moduliert, passt in das Tarantino-Universum wie kaum was anderes. Alleine, wenn er „Frrritz“ intoniert – so heißt sein Pferd – könnte man stundenlang hören.

Riesenzahn

Als Dr. King Schultz, fahrender, deutscher Zahnarzt, tingelt er durch den Wilden Westen: mit einem Wagen, auf dessen Dach ein Riesenzahn hin- und herwippt. Man wird ihn – es sei verraten – niemals einen Zahn ziehen sehen. Denn der Mann ist Kopfgeldjäger. Deshalb kauft er auch den Sklaven Django (nur der kennt die Mörder, die er gerade sucht), befreit und entfesselt ihn. Von da an sind die beiden ein Team im lukrativen Kopfgeld-Geschäft. (Soweit der erste Teil des Films).

Teil zwei führt dann zum Südstaaten-Drama. Nach Candyland, das zwar Mr. Candie (Leo DiCaprio mit eindrucksvoll tabakbraunen Zähnen) gehört, aber in Wahrheit vom ältesten Haussklaven regiert wird, der mit rassistischem Selbsthass das grausame Verhalten seines Herren kopiert und auf die schwarze Dienerschaft überträgt (Samuel L. Jackson spielt beklemmend präzis und macht diese Nebenfigur zum Hauptdarsteller).

In Candyland findet Django auch seine lang gesuchte Frau, eine Deutsch sprechende Sklavin namens Broomhilda. Die heißt schon deshalb so, damit Tarantino den Siegfried und Brünnhilde-Mythos erzählen kann und damit Parallelen zwischen Candyland und Walhalla. Wie unernsthaft das auch sein mag. Vergleicht man „Django Unchained“ mit Spielbergs lähmendem „Lincoln“, der dieselbe Ära amerikanischer Geschichte thematisiert, so gelingt das Tarantino kühner, spannender, unterhaltsamer – und ja, ergreifender.

Info: USA 2012. 165 Minuten. Von Quentin Tarantino; mit Jamie Foxx, Christoph Waltz

KURIER-Wertung: ***** von *****

Zwei Mal musste der Sexualforscher Wilhelm Reich mitansehen, wie seine Bücher verbrannt wurden: Einmal von den Nazis, und einmal von der Gesundheitsbehörde im US-Exil.

Regisseur Antonin Svoboda konzentriert sich in seinem elegant ausgestatteten und sorgfältig fotografierten Familiendrama auf die letzten Jahre eines Querdenkers, dessen schräge (Sexual-) Thesen ihn ins Gefängnis brachten. Klaus Maria Brandauer als hemdsärmeliger Reich aber bleibt – in das Korsett der englischen Sprache gezwängt – ungewöhnlich blass. Auch der Rest des deutsch-österreichischen Ensembles scheint unter mangelndem Charisma zu leiden. Angespannt werden am Mittagstisch die väterlichen Thesen durchbuchstabiert, in dem Versuch, ihre Bedeutung (dem Publikum) zu erklären. Reich bastelt seltsame Liebeskabinen und versucht sich als Regenmacher. Doch sein Denken wirkt nicht radikal, sondern schrullig, und die Dramatik seines Lebens zwischen Exil und Kaltem Krieg wird niemals wirklich spürbar oder gar zwingend.

(Alexandra Seibel)

Info: Drama. Ö 2012. 110 Min. Von Antonin Svoboda, mit Klaus Maria Brandauer, Julia Jentsch.

KURIER-Wertung: *** von *****

Shut Up And Play The Hits

Die Doku über das letzte Konzert der Dance-Punk-Band LCD Soundsystem ist wie mit versteckter Kamera gefilmt. Gut für die privaten Szenen, aber nicht für die Konzert-Passagen. Die klingen – im Studio heftig nachbearbeitet – wie eine sterile CD, weshalb man immer nur Beobachter bleibt, nie in die Show-Euphorie eingebunden wird.

KURIER-Wertung: *** von *****

Body Complete

„Viel Spaß am Balkan“, wünscht ein Kollege einer Wiener Journalistin, die 2004 in die Serbische Republik reist, um eine vermisste Kollegin zu suchen. Dort trifft sie aber nur auf feindliche Ablehnung. Lukas Sturms Kinodebüt ist ein ambitioniertes, aber vereinfachend erzähltes Drama über die Nachwehen des Bosnienkrieges.

KURIER-Wertung: *** von *****

House at the End of the Street

Die großartige Jennifer Lawrence in einem nicht unspannenden Genre-Film. Gerade ist sie mit ihrer Mutter umgezogen, da beunruhigt sie das Haus nebenan: Da hat ein Kind seine Eltern ermordet. Passabler Grusel.

KURIER-Wertung: *** von *****

Mavericks – Leben deinen Traum

Das Leben des legendären Surfer-Stars Jay Moriarity als schlecht inszeniertes Aufsteiger-Drama. Das Beste darin: die Riesenwelle

KURIER-Wertung: *** von *****

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