Diskursschunkeln mit den Goldenen Zitronen
Da versucht man die Panik in die Leute reinzutreiben, und dann gibt’s hier nur Laola“, zeigte sich Schorsch Kamerun zwischenzeitlich vom Wiener Publikum im prall gefüllten Brut enttäuscht. Aber es half eben nichts. Schon "Der Investor", der Eröffnungssong des Abends machte mit seinen drängenden Synthie-Beats richtig Lust zu tanzen. Dabei handelt der Song doch eigentlich von den handfesten Problemen. Davon, wie Investoren Künstlerviertel aufkaufen. "Wir haben auch so unsere Visionen – in denen könnt ihr arbeiten und wohnen", singt Kamerun darin von Gentrifizierung. Keine Parolen, ernste Themen.
Schlechtes Gewissen musste deswegen natürlich niemand bekommen. Auf ihrem elften Album Album "Who’s Bad" haben sich die "Goldies" Inspiration in den 80ern geholt - und versprühen durch und durch New Wave-Atmosphäre – da kann man schon mal das Tanzbein rausstellen und nicht nur die Faust ballen. "Kaufleute 2.0.1" und "Scheinwerfer und Lautsprecher" sind am Montagabend frühe Höhepunkte. Die sechs Musiker präsentieren sich als eingespieltes Kollektiv, wechseln zwischen Bass, E-Gitarre, Synthesizer und Melodika und vergessen neben ihrem neuen Album auch nicht auf Songs der bald 30-jährigen Bandgeschichte ("Das bisschen Totschlag", "Psycho"). Omnipräsent: Ted Gaier, der Kamerun auch gesanglich unterstützt.
Ablieferungsmaschinen
Dazu kommt, dass die sechs Hamburger in ihren seiden-glänzenden Bühnenoutfits ohne Probleme als erweitere "Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band" durchgehen würden. Wer den Sänger im wallenden Seidenpyjama auf der Bühne rumspringen sieht, dem muss niemand mehr erklären, wie Kameruns Protest auf das Beifall klatschende Publikum zu verstehen ist: "Wir sind doch keine Ablieferungsmaschinen" – und verzeiht ihm selbstverständlich auch, dass er manche Texte vom neuen Album noch ablesen muss.
Dass die " Zitronen" kurz vor der Zugabe dann die Bühne für zwei Vertreter der Asylwerber aus der Votivkirche frei machten, zeigt mit welchem Anspruch die Hamburger Band auftritt. Haltung ist wichtiger als Unterhaltung. Mit oder ohne Pyjama.
KURIER-Wertung:
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