Philippe Jordan: "Musikdirektor muss stark präsent sein"

Philippe Jordan bei "Frühling in Wien"
Philippe Jordan wird ab 2020 sechs Monate pro Jahr am Haus sein und 30 bis 40 Aufführungen pro Saison dirigieren.

Philippe Jordan, 1974 in Zürich geboren, zurzeit musikalischer Chef der Pariser Oper und Chefdirigent der Wiener Symphoniker, wird ab September 2020 Musikdirektor der Wiener Staatsoper. Diese Einigung gab der designierte Operndirektor Bogdan Roščić am Montag bekannt. Jordan soll als Mitglied der Direktion den gesamten musikalischen Bereich leiten und strukturell mitgestalten. Im KURIER-Interview begründet der zuletzt auch in Bayreuth gefeierte Dirigent seinen Schritt und gibt einen Ausblick auf sein Jobverständnis.

KURIER: Musikdirektor der Wiener Staatsoper gilt als Traumjob, wurde aber für manche Ihrer Vorgänger zum Albtraum. Was hat Sie dazu bewogen, das Angebot anzunehmen?

Philippe Jordan: Ich hatte lange, intensive Gespräche mit Bogdan Roščić, mindestens fünf oder sechs, bei denen wir über künstlerische Vorstellungen gesprochen und geschaut haben, ob wir miteinander können. Dann haben wir entschieden, dass wir uns darauf einlassen. Das ist ja ein bisschen wie in einer Beziehung.

Welche künstlerischen Vorstellungen gaben den Ausschlag?

Wir waren uns einig, dass die Musik im Vordergrund stehen muss. Dass sie die Basis des Hauses ist, die für Seriosität, für Stabilität, für Nachhaltigkeit sorgt. Erst danach kommen irgendwelche Projekte und Regisseure. Und es war auch klar, dass der Musikdirektor des Hauses stark präsent sein sollte. Ich bin fest davon überzeugt, dass das jetzt der richtige Schritt zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort ist. Aber es war eine lang überlegte Entscheidung.

Wie lange läuft Ihr Vertrag?

Fünf Jahre. Genau wie der von Bogdan Roščić.

Und wie oft werden Sie in Wien sein?

Ich werde sechs Monate pro Jahr präsent sein. In dieser Zeit werde ich mindestens 30 Vorstellungen, wahrscheinlich bis zu 40 Abende dirigieren. Ich bin kein ständiger Gastdirigent mit einem Musikdirektor-Titel. Das habe ich auch in Paris so gehandhabt.

Und wie viele Premieren wollen Sie selbst leiten?

Ich gehe von zwei bis drei Premieren pro Saison und zwei bis drei Wiederaufnahmen aus.

Können Sie schon musikalische Ideen äußern? Zum Beispiel, welches Repertoire wird für Sie im Zentrum stehen?

Natürlich das Kernrepertoire, also Mozart, Wagner, Strauss, aber auch Zeitgenössisches. Ich sehe diesen Job in der Tradition des Kapellmeisters, für den die Vielseitigkeit des Repertoires wichtig ist.

Sie leiten zurzeit musikalisch ein Opernhaus und ein Symphonieorchester. Werden Sie neben Ihrem Job an der Staatsoper auch noch ein anderes Orchester als Chef leiten?

Ich möchte mich die ersten Jahre voll auf diesen Job konzentrieren. Meine Konzerttätigkeiten werde ich daher eher als Gast absolvieren. Ich werde auch meine Opernpräsenz während der Saison ganz auf die Staatsoper fokussieren. Natürlich können im Sommer Bayreuth oder Salzburg dazukommen. Ich sehe diesen Job aber als unglaubliche Chance und möchte mich daher voll aufs Wesentliche konzentrieren.

Von Kritikern eines Musikdirektoren-Systems hört man oft, dass die Gefahr besteht, dass andere Dirigenten dann nicht ans Haus kommen.

Ich werde selbstverständlich bemüht sein, die besten Dirigenten und die besten Sänger ans Haus zu holen. Vielleicht gelingt es, eine musikalische Familie zu schaffen, die zusammengehört und zusammenpasst. Ich halte nichts davon, wenn sich ständig alle Möglichen die Klinke in die Hand geben. Der Chef ist immer nur so gut wie sein schlechtester Dirigent. Wenn wir also die besten Kollegen holen, dann kann das nur eine Bereicherung sein.

Ihr Vertrag an der Pariser Oper läuft, ebenso wie der bei den Wiener Symphonikern, bis Ende 2021. Wie wird der Übergang vollzogen?

Es gibt bereits ein Agreement mit beiden. Die Details werden wir jetzt ausmachen und dann präsentieren. Fix ist, dass ich in Paris von Frühjahr 2020 bis Herbst 2020 noch den neuen "Ring" dirigiere.

Die Eröffnungspremiere in Wien geht sich also nicht aus?

Sie ist trotzdem möglich. Ich will jedenfalls von Anfang an dabei sein. Ich werde auch ab sofort in engster Zusammenarbeit mit dem designierten Direktor die Zukunft vorbereiten.

Wie wollen Sie verhindern, dass es zu Konflikten in Wien kommt, was ja bei diesem Job schon öfter der Fall war?

Ich habe vielleicht den Vorteil, dass ich Wien schon sehr gut kenne. Und davor war ich auch an der Grazer Oper. Ich finde, dass mich mein bisheriger Weg immer ganz natürlich weitergeführt hat. Und ich habe das Gefühl, dass die Chemie stimmt. Es gab auch sehr positive erste Reaktionen vom Orchester.

Sie haben in Bayreuth mit "Die Meistersinger von Nürnberg" soeben einen großen Erfolg gefeiert. Das war Ihre erste Premiere am Grünen Hügel. Wie haben Sie das selbst erlebt?

Wir hatten wunderbare Probenmöglichkeiten, sieben Wochen lang. Das ist bei einem so diffizilen Stück auch wichtig. Und in der Arbeit mit den Sängern und mit Regisseur Barrie Kosky gab es eine tolle Stimmung.

Die szenische Deutung war sehr politisch, es ging ganz stark um Wagners Antisemitismus. Wie sehen Sie die Deutung von Kosky?

Es war klar, dass Kosky Position bezieht, wenn er als erster Jude in Bayreuth "Die Meistersinger" inszeniert. Und er ist ein Profi, mit dem es Freude macht zu arbeiten. Für mich selbst ist dieses Werk nicht so politisch. Aus meiner Sicht geht es in erster Linie um Kunst.

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