Die Zukunft im Projektstadium

Die Zukunft im Projektstadium
Die "Vienna Biennale" zum Thema positiver Wandel hat ein Vermittlungsproblem.

Falls Sie es nicht bemerkt haben: Wien ist heuer den ganzen Sommer lang Biennale-Stadt. Die vom MAK initiierte „Vienna Biennale“ präsentiert bis 4. 10. an mehreren Orten zukunftsweisende Ideen aus Kunst, Architektur und Design. Es ist eine gute Initiative, nicht nur, weil der KURIER auch eine Kooperation mit der Veranstaltung unterhält: Der Autor dieser Zeilen ist involviert und somit nicht ganz neutral.

Die grundsätzliche Sympathie gegenüber der Initiative kann aber nicht verdecken, dass diese eines ihrer zentralen Versprechen, nämlich eine „neuartige Einheit der Künste“ zu befördern, nicht einlösen kann.

Das liegt gewiss nicht an den Ideen – die sind überreich vorhanden. Die erste „Vienna Biennale“ leidet vielmehr an einem Mangel an Verbindungen zwischen Ideen und ihrer Darstellung in einer musealen Großausstellung.

Irritation zum Auftakt

Die Zukunft im Projektstadium
Dieser Umstand wird gleich beim Betreten des MAK-Gebäudes in der Weiskirchnerstraße, dem „Zentralpavillon“ der Biennale, offenkundig: Die Schau „Future Light“ im Hauptraum, von Kuratorin Maria Lind mit schöner Kunst bestückt, hat Atmosphäre, führt aber am Themenkomplex „Ideen für den Wandel“ vorbei. Linds Konzept, das Licht, Aufklärung und Verschleierung auf recht umständliche Weise in Zusammenhang bringt, lässt sich zudem anhand der Kunst kaum nachvollziehen.

Die Schau „2051: Smart Life in the City“ nebenan bildet dazu den absoluten Gegenpol: Die Präsentation folgt der zentralen Weltverbesserungsidee der Biennale – und ist zugleich jener Teil, der als Ausstellung überhaupt nicht funktioniert.

Wo Lind bei „Future Light“ zu sehr auf die Aussagekraft von Objekten setzt, tun es Harald Gruendl, Gastkurator von „2051“, und MAK-Kustode Thomas Geisler zu wenig. Die Ideen, die uns das Essen, Bewegen, Spielen in der Stadt des Jahres 2051 ermöglichen sollen, müssen aus einer enormen Textflut und von sprechenden Köpfen auf Flatscreens gefiltert werden. Wer sich darauf einlässt, erfährt etwa, dass Studierende der TU Abgüsse von ungenutzten Ecken und Nischen auf Wiener Straßen anfertigen und so Raumplanung zur Debatte stellen. Gute Idee, doch wieso sieht man keinen solchen Abguss, sondern nur ein Uni-Referat dazu? Der Status eines Museums als Ort, an dem Dinge Geschichten erzählen, wird hier ignoriert.

Schau in der Stadt

Die Zukunft im Projektstadium
Viele Initiativen, die im MAK noch durch nicht sehr aussagekräftige Versatzstücke wie einem Essenswagen, Schnüren oder Ferngläsern vorgestellt werden, existieren aber auch „real“ in der Stadt. Das von Flüchtlingen betriebene „magdas hotel“ im Prater ist ein solcher sogenannter „Demonstrator“, eine Modellwohnung mit verschiebbaren Wandschränken im Kaufhaus „stilwerk“ ein weiterer.

In „The Mall“ in Wien-Mitte lehnen sich Shopper auf eine gepolsterte Reling und schauen mit Ferngläsern auf andere Einkäufer hinab – eine durchaus witzige „Begegnungszone“, erdacht von der Designerin Julia Landsiedl.

Insgesamt lässt die Erweiterung der Museumszone jedoch ratlos zurück: Es bleibt unklar, ob die Biennale Bühne für Projekte sein soll, die ohnehin in Wien ansässig sind, oder ob sie die Stadt zum Schauplatz für globale Initiativen machen will. In jedem Fall bräuchte es einen dichteren, länger geöffneten Projekt-Parcours, um einen sehenswerten „Ausnahmezustand“ aufrecht zu erhalten.

Auch das angestrebte Niveau ist der Biennale ist noch nicht klar ersichtlich: Mal wird die Schau von engagierten Studierenden, mal von Profi-Eliten getragen. Der Fokus auf Zukünftiges führt dazu, dass sich das Gezeigte oft im Projektstadium erschöpft – man geht von den Ausstellungen kaum mit prägnanten Bildern im Kopf weg, sondern mit Modellen und Thesen, die zu häufig wie begehbare Powerpoint-Präsentationen aufbereitet wurden.

Konnex zu „Wien 1900“

MAK-Direktor und Biennale-Initiator Christoph Thun-Hohenstein nennt als seine Inspiration gern die Zeit um 1900, als Gustav Klimt, Josef Hoffmann oder Adolf Loos ganzheitliche Visionen für die Moderne entwickelten.

Solch ein Alleskönner, der die Sparten zusammenhält, fehlt bei der „Vienna Biennale“ freilich, er wäre 2015 wohl auch nicht mehr zeitgemäß. Nur wirkt es nun so, als hätte der Brückenschlag zwischen Fachdiskursen – etwa zwischen Stadtsoziologie und Design bei „2051“ oder zwischen Design und Kunst bei „Future Light“ – unzureichend stattgefunden; andererseits bleibt ein echtes Neu-Denken der Präsentationsformen ein Wunsch. Dabei ist diese erste „Vienna Biennale“ natürlich erst ein Startpunkt. Die zweite Ausgabe im Jahr 2017 könnte ja das Motto „Building Bridges“ tragen.

MAK

Das Museum für Angewandte Kunst/Gegenwartskunst ist die Biennale-Zentrale. Im Hochparterre des Ausstellungshauses Weiskirchnerstraße sind drei Projekte zu sehen: Die Kunstschau "Future Light", die Design-Präsentation "2051: Smart Life in the City" und die Ausstellung "Uneven Growth" über Zukunftsvisionen für Megastädte; eine sehr interessante Website stellt weitere Ideen vor, die in der letztgenannten Schau nicht bzw. nur auf kleinen Schaublättern gezeigt werden.

Im Obergeschoß des MAK Weiskirchnerstraße zeigt "Mapping Bucharest" die Avantgarde-Szene der rumänischen Hauptstadt. Im MAK-Hauptgebäude (Stubenring 5) ist ein "Ausstellungsmanifest" mit Thesen zur Zukunft der Arbeit zu sehen, im Untergeschoß residiert die Kunstausstellung "24/7: the human condition".

Kunsthalle Wien

Die Kunsthalle im Museumsquartier zeigt - als zweiten Teil des Beitrags "Future Light" - die Installation "Loving, Repeating" von Pauline Boudry und Renate Lorenz. Die Schau "Function Follows Vision, Vision Follows Reality" zum Werk von Friedrich Kiesler in der Kunsthalle Karlsplatz gilt als Teil des erweiterten Biennale-Programms ("Collateral Event")

AzW

Das Architekturzentrum Wien im Museumsquartier stellt bis 24. August sieben Entwürfe für ein Baufeld in der Seestadt Aspern vor, die in einem internationalen Wettbewerb, ausgeschrieben von AzW und Wien 3420 Aspern Development AG, ermittelt wurden. Von 28 August bis 4. Oktober werden die Entwürfe im Technologiezentrum Aspern IQ ausgestellt.

AIL - Angewandte Innovation Lab

Das von der Angewandten ausgerichtete "Performing Public Art Festival" präsentierte bis 5. Juli Live-Performances, bis 31. Juli ist noch die begleitende Ausstellung am Franz Josefs-Kai 3 (ehemals "Bawag Contemporary") zu sehen.

"Demonstratoren"

Zehn Innovations-Projekte, ermittelt vom Team der MAK-Schau "2051: Smart Life in the City", sind in der Stadt selbst zu besichtigen, es gibt Workshops, geführte Touren und mehr. Termine und Locations auf www.viennabiennale.org

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