Die Viennale feiert großes Kino ohne Stargast

Tribute-Star Viggo Mortensen wird man bei der Viennale leider nur auf der Kinoleinwand bewundern können.
Das Feuer als Sparflamme: Bei der 52. Viennale sind die Filme die Stars

Ein Feuer lodert auf dem Plakat der diesjährigen Viennale, die ab 23. Oktober zum 52. Mal die brennende Leidenschaft für das Kino wecken will. Angesichts der Programmdetails, die am Dienstagabend im Wiener Gartenbaukino vorgestellt wurden, könnte es sich aber auch um eine Sparflamme handeln - denn heuer gibt es nicht nur weniger Kinos, auch der große Stargast und die Festivalgalas fallen weg.

Nach Harry Belafonte, Michael Caine und Will Ferrell in den vergangen Jahren hätte heuer Viggo Mortensen, dem ein Spezialprogramm gewidmet ist, die Rolle des Stargastes einnehmen sollen, doch der Schauspieler musste für das größte internationale Filmfestival in Österreich absagen. Abgesehen von der Eröffnung, die mit dem österreichischen Cannes-Beitrag "Amour Fou" von Jessica Hausner begangen wird, und der Preisverleihung sind damit auch keine großen Galaveranstaltungen geplant.

Nach dem Wegfall des alten Stadtkinos am Schwarzenbergplatz, das durch den 50 Plätze fassenden Pleskow-Saal (benannt nach Produzent und Festivalpräsident Eric Pleskow) im neu gestalteten Metro Kinokulturhaus kompensiert werden soll, wurde die Viennale zwar um einen Tag verlängert. Pro Tag stehen de facto aber weniger Sitzplätze zur Verfügung: Dies ermöglicht dem Festival, auf populärere Formate zu verzichten und sich ganz dem Kino in seinen unbekannteren Ausprägungen zu widmen: von einer 16mm-Schau bis hin zum Tribute an den Algerier Tariq Teguia.

Auf prominente Filme und bekannte Namen muss man trotzdem nicht verzichten: Aus Deutschland haben sich u.a. die Regisseure Christian Petzold ("Phoenix"), Thomas Heise ("Städtebewohner") und Dominik Graf ("Die geliebten Schwestern") angekündigt, aus den USA kommen die Independent-Filmemacher Debra Granik ("Stray Dog") und Alex Ross Perry ("Listen Up Philip"), und Cinephile freuen sich nicht zuletzt auf Pedro Costa ("Cavalo Dinheiro") und Peter Strickland, der gleich zwei Filme ("The Duke of Burgundy" und "Björk - Biophilia Live") im Gepäck hat.

Von den großen Festivalperlen der Saison finden sich u.a. die neuen Arbeiten von Alejandro Gonzalez Inarritu, der Dardenne-Brüder, Olivier Assayas, Mathieu Amalric, Woody Allen und Abel Ferrara, aber auch von Festivalstammgästen wie James Benning oder Frederick Wiseman im Programm. Mit "Winter Sleep" von Nuri Bilge Ceylan ist der Gewinner von Cannes, mit "Von dem, was war" von Lav Diaz jener aus Locarno vertreten. Und aus österreichischer Sicht sind u.a. Sudabeh Mortezais "Macondo" und Hubert Saupers "We come as friends" erstmals hierzulande zu sehen.

Programmatisch finden sich ansonsten die bereits bekannten Linien: Musik- und politische Dokus, amerikanisches und asiatisches Independentkino, französische (Alt)meister - inklusive einer Würdigung von Jean-Luc Godard - und weibliche Filmschaffende in kleineren Fokusprogrammen (Dorit Margreiter und Deborah Stratman). Größere Specials widmen sich dem Schauspieler und Regisseur Fritz Kortner und dem verstorbenen Dokumentaristen Harun Farocki. Für den Trailer zeichnet in diesem Jahr der 105-jährige Portugiese Manoel de Oliveira verantwortlich.

Ein Zeichen für die Sparmaßnahmen des Festivals ist auch die wieder weggefallene Vorverkaufsstation vor dem Museumsquartier. Stattdessen können Tickets ab Samstag, 10 Uhr, im neuen Metro Kinokulturhaus, im Stadtkino im Künstlerhaus und im Gartenbaukino sowie von 18. bis 25. Oktober am Schottentor sowie online erworben werden. Der Preis für das Einzelticket ist mit 9 Euro gleich geblieben, die Preise für die Kataloge sind jedoch von 12 auf 15 (Festival) bzw. 15 auf 19 Euro (Retrospektive) erhöht worden.

INFOS: www.viennale.at

Am Donnerstag und damit bereits eine Woche vor Beginn der Viennale startet die traditionell begleitende Retrospektive im Österreichischen Filmmuseum - und diese könnte in diesem Jahr nicht prominenter angelegt sein. John Ford ist nicht nur der einzige Filmemacher, der vier Regie-Oscars erhielt, er steht auch wie kein anderer stellvertretend für das amerikanische Kino - mit Einflüssen bis heute.

Knapp 50 Beiträge seines insgesamt etwa 140 Filme umfassenden Werks stehen bis 30. November am Programm und zeigen Fords Schaffen aus allen Phasen, von der ersten eigenen Regiearbeit "Bucking Broadway" (1917) über seine Oscar-prämierten Filme wie "The Informer" (1935) oder "Früchte des Zorns" (1940) bis hin zu einer Unzahl von Western (von "Stagecoach" bis "Rio Grande"), für die er große Berühmtheit erlangte.

Den Auftakt der Schau bildet "The Sun Shines Bright" aus dem Jahr 1953, einem späteren Werk aus der über 50-jährigen Karriere und dem erklärten Lieblingsfilm von Ford, der sich laut Filmmuseum damals bereits "im Stadium scherzender Reife und serener Heiterkeit" befand. Ford habe sich in seiner Laufbahn an dem Projekt abgearbeitet, die Vereinigten Staaten von Amerika zu erzählen, wird im Programmtext erläutert - und das in einer zutiefst persönlichen wie populären Form.

Ford, für das Filmmuseum "Romantiker und Dialektiker zugleich", schilderte die Ideale und Rituale der USA mit patriotischer Leidenschaft (trotz seiner irischen Abstammung) und kritischer Skepsis, er sah zugleich die Utopie und ihren künftigen Zerfall, er identifizierte sich stets mit den "einfachen Leuten" und fand im Western, quasi dem US-Heimatfilm, ein kompatibles Format, um seine gegensätzlichen Perspektiven auf die Entwicklung der USA zu erschließen.

Der Regisseur, der privat an einem schweren Alkoholproblem litt, war in der Arbeit ein Perfektionist, sah sich als Handwerker und nicht als Künstler, machte den B-Movie-Schauspieler John Wayne zum großen Star und prägte das US-Kino wie kein anderer. Steven Spielberg und Orson Welles waren bei weitem nicht die einzigen, die Ford als wesentlichen Einfluss nannten. Und Peter Bogdanovich widmete ihm 1971 ein ausführliches Porträt, das ebenfalls in der Retro zu sehen ist.

Seine Relevanz heute ist nicht nur aus filmhistorischer Sicht unbestritten: Ford schuf "Bilder einer Nation, in denen sich Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft überlagern" und sei, so das Filmmuseum, in seinem ständigen Ausloten von Zivilisation und Demokratie "so zeitlos wie aktuell". Dieser so zentrale Bezugspunkt des US-Kinos lässt sich nun in Wien ausführlich entdecken - und das schon vor Viennale-Start am 23. Oktober.

www.filmmuseum.at

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