"Die Tiroler wollten den Felix sehen, wie er einen alten Affen spielt“

felix mitterer interview am 29.1.2013 Cafe Ritter in Wien
Ein allerletztes Mal auf der Bühne. Und dann in die Schreibstube zur "Russensaga".

Felix Mitterer ist für seine Rückkehr auf die Bühne in ein Affenkostüm gestiegen. Als Affe Rotpeter in Franz Kafkas Groteske „Eine Bericht für eine Akademie“ ist Mitterer ab Mittwoch im Stadttheater Walfischgasse zu sehen. Im Einpersonenstück erzählt ein gefangen genommener Affe den gelehrten Herren einer Akademie– also dem Publikum – , wie er es schaffte, dem Käfig zu entkommen: Durch Selbstverleugnung, Nachahmen und durch Lernen wird aus dem Tier ein Varietékünstler: „Ihr Affentum, meine Herren, sofern Sie etwas Derartiges hinter sich haben, kann Ihnen nicht ferner sein als mir das meine.“

Die Affengeschichte ist die Rückkehr des Tiroler Dramatikers als Darsteller. In Wien stand Mitterer zuletzt 1978 auf der Bühne. Bei den Tiroler Volksschauspielen in Telfs gab Mitterer den angepassten Affen vorigen Sommer. Viele kamen, um „‚den Felix zu sehen, wie er einen alten Affen spielt. Nachher haben sie zu mir gesagt: ,Das bin ich auch‘. Es ist eine Geschichte von Anpassung und Menschwerdung.“

"Die Tiroler wollten den Felix sehen, wie er einen alten Affen spielt“
mitterer
Einen Tag vor der Wiener Premiere ist Mitterer nervös. Er raucht, gestikuliert. „Ich fürchte mich.“ Wie bereitet man sich auf den Lebensbericht eines Affen, der einen Menschen spielt, vor? „Lange. Seit den frühen 70er-Jahren. Da sah ich Klaus Kammers Fernsehauftritt als Rotpeter. Ich war hin und weg. Doch ich hab mir das nie zugetraut.“ So viel Schmerz, aber auch so viel Humor steckt in Kafkas Text. Nicht ein Wort verändert hat Mitterer für seine Inszenierung. Er hat das Stück in das Jahr 1933 verlegt. Als Affenmensch im Varieté singt er Schlager der 20er- und 30er- Jahre (Musik: Siggi Haider, Juliana Haider).

Lachen? Weinen? „Bei mir bist du scheen“ und „Der Wind hat mir ein Lied erzählt“ wird der Affe singen, und alle Anpassung wird ihm nicht helfen: die Vorstellung findet am 30. Jänner 1933 statt, dem Tag, an dem Hitler Reichskanzler wurde. Das Publikum weiß, der Affe kann tun, was er will, man wird ihn umbringen.

Und nun Schluss

Fünf Vorstellungen sind in Wien geplant. Nach dem Affenbericht soll Schluss sein. Am 6. Februar wird Felix Mitterer 65 und nie, nie mehr wieder will er auf die Bühne. Es ist anstrengend. Er kann nämlich nicht aus seiner Haut heraus. Ein Profi, der geht nach dem Stück heim. Mitterer bleibt Affe. Oder Egon Schiele, wie in John Goldschmidts Filmbiografie aus dem Jahr 1980. „Der hat mich, den Tiroler Bauernbuben wegen meiner Hände engagiert und weil ich ihm ähnlich schaute.“ Gelernt hat der Dramatiker das Spielen nicht. Es ergab sich. Als er die die Hauptrolle in seinem Stück. „Kein Platz für Idioten“ übernahm („weil grad kein anderer da war“), ging er jahrelang mit verzerrtem Mund durch die Welt. Er konnte die Rolle nicht abschütteln.

Der Kaiser wackelt

Jetzt wird sich Mitterer wieder aufs Schreiben konzentrieren. Immer nur nachts. Stundenlang. Es wird dringend, denn auf die „Russen-Saga“, den lang versprochenen Nachfolger der „Piefke-Saga“, warten alle. Zwei 90-Minüter sollen es werden, wieder mit der alten Crew. Drehort ist wieder Tirol. „Da ist was los, seit die Russen gekommen sind.“

Tirol, seine Heimat.

Ja, Heimat. Ein Stück davon hat er in Irland zurückgelassen, von wo er im Herbst 2010 nach 15 Jahren zurückgekehrt ist (das Tweedsakko nahm er mit). Hat er es schon bereut? Heimweh nach Irland? „Am Anfang hat es mich ziemlich erwischt.“

Langsam wird das Weinviertel sein Zuhause. Es ist schwer. Wenn er an die Leute denkt, mit denen er aufgewachsen ist, überkommt ihn Heimweh nach Tirol. Als Sohn einer Kleinbäuerin und eines rumänischen Flüchtlings in Achenkirch in Tirol geboren, später von einem Landarbeiterehepaar adoptiert, wuchs Mitterer in Kitzbühel und Kirchberg auf. Manchmal fragt er sich, ob er zurück nach Kirchberg geht. „Ich war jetzt wieder an den Stätten meiner Kindheit. Das ist jetzt Massentourismus. Ich hab die Alm besucht, wo ich als Kind mit meiner Mutter war – sie war Sennerin. Da hör ich diese Après-Ski-Musik, dass der Wilde Kaiser nur so wackelt. Und das Grölen dazu. Da hab ich gedacht: Nein, ich geh jetzt heim ins Weinviertel.“

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