Die schönste Frau der Welt

Die erste Nacktszene der Kinogeschichte machte sie weltberühmt – aber nicht glücklich. Ein Theaterstück von Peter Turrini erzählt jetzt das aufsehenerregende Leben des Hollywoodstars aus Wien.

Es ist eine Rückkehr. In einer winzig kleinen Rolle feierte Hedy Lamarr 1931 am Theater in der Josefstadt ihr Debüt als Schauspielerin. Jetzt, 86 Jahre später, steht sie auf dieser Bühne im Mittelpunkt eines Stücks, das Peter Turrini über ihr atemberaubendes Leben geschrieben hat. Ein Leben voller Höhen und Tiefen, das sie zur schönsten Frau der Welt und zu einem der größten Hollywoodstars ihrer Zeit werden ließ. Weltberühmt wurde Hedy Lamarr aber, weil sie als erste Filmschauspielerin eine Nacktszene drehte. Während sie nebenbei auch als Erfinderin Geschichte schrieb, sollte sie ihr privates Glück nicht finden. Sechs Ehen scheiterten, und im Alter stand sie noch als Ladendiebin vor Gericht.

Die schönste Frau der Welt
Heinz Rühmann, Hedy Lamarr. SENDUNG: ORF2, SA, 22.01.2000, 04:55 UHR. - Veroeffentlichung fuer Pressezwecke honorarfrei ausschliesslich im Zusammenhang mit oben genannter Sendung des ORF bei Urhebernennung. Foto:ORF/-. Andere Verwendung honorarpflichtig und nur nach schriftlicher Genehmigung der Abteilung ORF/GOEK-Photographie. Copyright:ORF-PHOTOGRAPHIE, Wuerzburggasse 30, A-1136 Wien, Tel. +43-(0)1-87878-14383.

Der erste Filmskandal

Als Tochter eines Bankiers kurz nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs in Wien zur Welt gekommen, absolviert Hedwig Kiesler, wie sie eigentlich hieß, die Schauspielschule Max Reinhardts und wird von diesem mit 17 Jahren für die Rolle eines amerikanischen Girls in der Komödie "Das schwache Geschlecht" an das Theater in der Josefstadt geholt. Den Durchbruch erlebt sie zwei Jahre später, als sie in dem Film "Ekstase" splitternackt einen Badesee durchschwimmt und danach in einer Liebesszene sexuelle Erregung zeigt. Es war der erste Skandal des jungen Tonfilms – und er machte die Wienerin über Nacht weltberühmt.Dem Ruhm folgt die persönliche Tragödie: Ein Kinobesucher verliebt sich in Hedwig Kiesler und macht ihr einen Heiratsantrag. Er heißt Fritz Mandl, ist Waffen- und Patronenfabrikant und einer der reichsten Industriellen des Landes. Die 19-jährige, völlig unerfahrene Hedwig sagt Ja und erlebt einen krankhaft eifersüchtigen Ehemann, der sie auf seinem Landgut im niederösterreichischen Schwarzau wie eine Gefangene hält und ihr die weitere Ausübung ihres Berufs verbietet. Er kauft sämtliche "Ekstase"-Kopien auf, weil nur er seine um 14 Jahre jüngere Frau mit blankem Busen sehen darf.

Sexsymbol in Hollywood

Hedwig Mandl geb. Kiesler verzweifelt in ihrer Ehe, bricht 1937 aus ihrem goldenen Käfig aus und trifft auf der Flucht in die USA den MGM-Studioboss Louis B. Mayer, der ihr einen Vertrag für Hollywood gibt. Ihr Name wird – in Anlehnung an die verstorbene Schauspielerin Barbara La Marr – auf Lamarr geändert, die PR-Abteilung von Metro-Goldwyn-Mayer ernennt die Wienerin zum Sexsymbol und zur schönsten Frau des 20. Jahrhunderts.

Ihr erster Film "Algier" ist ein Erfolg, 24 weitere folgen. Die Lamarr spielt mit Spencer Tracy, James Stewart, Clark Gable und Judy Garland. Die Männer lieben sie und die Frauen wollen so aussehen wie sie. Hedy Lamarr geht auf Partys und hat zahllose Affären, sie verdient ein Vermögen, lebt in einer Prachtvilla als Nachbarin von Frank Sinatra und genießt ihren Starkult.

Die schönste Frau der Welt

Die zweite Karriere

Doch so großzügig die Traumfabrik sein mag, wenn sie jemanden braucht, so brutal ist sie, wenn das nicht mehr der Fall ist. Und so endet der Vertrag mit Hedy Lamarr, als der Film "Samson and Delilah" 1949 abgedreht ist, und die 35-Jährige findet kaum noch Engagements. Da trifft es sich gut, dass sich die technisch überaus begabte Schönheit noch in ihrer Blütezeit einen "Zweitberuf" geschaffen hat. Voraussetzung dafür war ihre Ehe mit Fritz Mandl, in dessen reichhaltiger Bibliothek in Schwarzau sie sich detaillierte militärtechnische Kenntnisse angeeignet hatte. Sie hat während des Zweiten Weltkriegs den ebenfalls technikinteressierten Komponisten George Antheil kennengelernt und mit ihm mehrere Erfindungen beim US-Patentamt angemeldet. So ist unter der Nummer 2,292,387 ein "geheimes Kommunikationssystem" registriert, das gegen Hitler zum Einsatz kommen sollte. Zwar erreicht die Erfindung im Krieg noch keine strategische Bedeutung, sie wird aber später als genial erkannt und ermöglicht bis heute den störungsfreien Betrieb von Schnurlos- und Handy-Telefonen. Hedy Lamarr lieferte auch die Basis zur Entwicklung von GPS-Systemen und ferngesteuerten Präzisionsbomben, wie sie im Irak-Krieg verwendet wurden.Die Patentrechte waren freilich, als ihre bahnbrechenden Erkenntnisse umgesetzt wurden, abgelaufen und sie bekam keinen Cent. "Hätte sie die Lizenzgebühren erhalten", sagt ein Technologieexperte, "wäre sie die reichste Frau der Welt geworden".

Hochdekoriert

Hedy Lamarr hat nie einen Oscar bekommen, aber in ihren späten Jahren einige Wissenschaftspreise, darunter einen von der US-Air Force.

Im Privatleben versagt sie total. Ihre sechs Ehen – denen eine Tochter und ein Sohn entsprangen – hielten jeweils ein bis zwei Jahre, und nach der letzten kam der tiefe Fall. Hedy Lamarr landete nach zwei Ladendiebstählen kurz hinter Gittern, wobei die Anklagen jedoch wegen Geringfügigkeit fallen gelassen wurden.

Einsam, tablettensüchtig und bis zur Unkenntlichkeit durch Faceliftings entstellt, war sie zuletzt sogar für enge Freunde nur noch telefonisch erreichbar, da man sie so in Erinnerung behalten sollte, wie man sie aus ihren Filmen kannte. "Schönheit ist ein Fluch", sagte sie und litt unter jeder Falte.

Ihre Asche ist in Wien

Drei Jahre nach ihrem Tod im Jänner 2000 verstreuten ihr Sohn und ihre Tochter einen Teil ihrer Asche Am Himmel in Wien-Grinzing, der Rest wurde in einem Ehrengrab am Zentralfriedhof bestattet.Sieben Sekunden dauerte Hedy Lamarrs Nacktauftritt in "Ekstase", der ihr Leben bestimmte. "Sieben Sekunden Ewigkeit" nennt Peter Turrini den literarischen Monolog, "der einem Kaleidoskop ähnlich dem Wesen von Hedy Lamarr nachspürt".Also, wenn das Leben keine Vorlage für ein Theaterstück ist!

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