Die Säulen der Erde - von Ken Follett

Die Säulen der Erde - von Ken Follett
In dem historischen Roman rund um die Familie eines Baumeisters und den Bau einer Kathedrale wird Wissen und Geschichte vermittelt.

Zwei Bestseller waren es, die den historischen Roman in den 1980er-Jahren erneut in aller Munde, Medien und Leseraugen brachten: Umberto Ecos 1980 erschienener "Der Name der Rose" und Ken Folletts Geniestreich "The Pillars of the Earth" von 1989. Dieser mehr als tausend Seiten umfassende Wälzer zieht einen tief in das Mittelalter hinein, lässt teilhaben an fünfzig Jahren aufregender Geschichte. "Die Säulen der Erde" begeisterte Millionen und wurde so oft kopiert wie selten erreicht - auch Folletts eigene, 2007 erschienene Fortsetzung "Die Tore der Welt" kam nicht an dieses Buch heran.

Erzählt werden die Lebensgeschichten von Prior Philip, der Grafentochter Aliena und der Familie des Baumeisters Tom Builder (selten hat ein sprechender Name so gut gefallen). Der Roman beginnt 1123 im fiktiven englischen Ort Kingsbridge und endet dort 1174. Die große Klammer bildet der Bau einer Kathedrale, für Prior seine Vision des Friedens in einer Zeit voller Armut und Elend, für Tom und später seinen Stiefsohn Jack Builder die Idee von steinerner Schönheit. Diesen Rahmen füllen die Liebes- und Leidensgeschichten der Protagonisten: Prior Philips Kampf gegen die Ränke von Kirche und Adel, Gräfin Alienas Rache an Lord Wiliam Hamleigh, der ihre Heimatburg und ihren Vater verriet, und schließlich die Familie des Baumeisters, die im harten Leben des 12. Jahrhunderts ums Überleben kämpft. Dazu kommen etliche Nebenfiguren, die mit sicherer Hand in diesen großartigen Teppich eingewebt sind, ihn farbenprächtig und lebendig werden lassen.
Dass die Spannung trotz der Dicke des Buches niemals nachlässt, liegt an einer Technik Folletts, an der schon manche Autoren kläglich scheiterten: Die Guten in dieser Geschichte sind trotz ihrer Schwächen heldenhaft gut, die Bösen wirklich, aber auch wirklich böse. Ritter Hamleigh und Bischof Waleran Bigod (auch kein schlechter Name), der Gegenspieler von Prior Philip, lassen tatsächlich keine Schandtat aus und versuchen, voll Gier und Brutalität ihre Ziele zu erreichen. Trotzdem gleitet Follett bei ihrer Charakterisierung so gut wie nie ins Klischeehafte ab - schon allein das ist eine großartige Leistung.

Die Säulen der Erde - von Ken Follett

Sein zweites, ebenso gelungenes Kunststück ist die fast beiläufige Vermittlung von Wissen und Geschichte. Obwohl die mittelalterliche Bauweise von Kirchen in aller Ausführlichkeit beschrieben wird, fehlt jedes Gefühl von Belehrung. Im Gegenteil: Man staunt mit Jack Builder, der das architektonische Wunder jener Gotik entdeckt, die romanische Bauformen ablöst. Ein Hauch goethescher Universalität schwingt hier mit: So wie der Weimarer in Pflanzen und Gestein nicht nur Gebilde der Natur, sondern auch stets sich selbst erkannte, so symbolisiert auch in Folletts Roman die Kirche von Kingsbridge nicht nur Architektur. Gräfin Ariena erkennt dies, als sie durch den noch unvollendeten Bau geht: "In Toms Kathedrale hatte selbst das kleinste Detail seinen Stellenwert und erweckte den Eindruck unabänderlicher Notwendigkeit. War ihr Leben genauso? Waren die Einzelheiten etwa Teile eines allumfassenden, vorherbestimmten Plans?"

Der Engländer Ken Follett bewegt mit seinen Büchern zwischen den Jahrhunderten: Er wurde mit dem im Zweiten Weltkrieg spielenden Thriller "Die Nadel" berühmt, der in 30 Sprachen übersetzt wurde. Andere Romane siedelte er im 19. Jahrhundert, in der Gegenwart oder auch - wie die " Säulen der Erde" - im Mittelalter an: Ein großartiger Unterhaltungsroman für die Osterfeiertage.

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