Die Roboter der Gesellschaft

Yves Gellie, Human Version 2.07 Nexi, 2009
Der Ausstellungs-Marathon macht das drängende Thema der Automatisierung gegenwärtig.

Manifeste waren etwas für die Avantgarde von gestern, heute schreibt ein Roboter sie: Im Wiener MAK kritzelt ein Automaten-Arm kluge Sätze auf Papier. "Aus Weisheit geht Bedeutung hervor", steht da etwa, es bedeutet viel und zugleich Nichts.

Die Roboter der Gesellschaft
[12] Robotlab (ZKM), Manifest, 2008 © robotlab/ZKM Verwendung nur in direktem Bezug zur Ausstellung Hello, Robot genehmigt.
Die Vienna Biennale, die heuer zum zweiten Mal über die Bühne geht, will selbst ein Manifest sein, jedoch eines, das sich nicht von Maschinen ersetzen lässt: Inmitten der Diskussion um Automatisierung, den Wegfall von Jobs und ein mögliches Überhandnehmen künstlicher Intelligenzen pocht die Veranstaltung auf einen "neuen Humanismus" und fordert Technologie, die "uns dient und mit uns kooperiert, uns jedoch nicht versklavt". So lautet jedenfalls eine der Thesen, die im Obergeschoß des MAK angeschlagen wurden.

In ihrer primären Form ist die Vienna Biennale aber kein Manifest, sondern eine Ansammlung von Ausstellungen – und als solche ist sie äußerst gut gelungen. Bemängelte man bei der ersten Ausgabe 2015 teils noch das übermäßige didaktische Moment und die Überfrachtung durch Textwüsten, so ist der Parcours nun luftiger und ansprechender geworden, die Verzahnung von Design, Technologie und bildender Kunst funktioniert besser.

Roboter im Überblick

Die Roboter der Gesellschaft
Anouk Wipprecht
Das MAK fungiert weiterhin als Angelpunkt der von mehreren Institutionen getragenen Veranstaltung. Die Schau "Hello Robot", die zuvor im Vitra Design Museum in Weil am Rhein/D zu sehen war, liefert den Überblick: Von historischer Science-Fiction ("Metropolis") bis zu Interviews mit Silicon-Valley-Größen, denen die Auflösung des Menschen in der Technologie ("Transhumanismus") vorschwebt, wird fast jede Ecke der aktuellen Roboter-Debatte ausgeleuchtet. Die Rolle der Technik oszilliert dabei zwischen Fluch und Segen – die Frage nach den Möglichkeiten dazwischen ist jene, die weiter beschäftigt.

Jenseits der Extreme

Im MAK-Obergeschoß sucht die Schau "StadtFabrik" Antworten im Feld des nachhaltigen Designs und der Gemeinwohl-Ökonomie – eine Fortführung der Ideensammlung, die bei der ersten Biennale als "2051 – Smart Life In The City" firmierte.

Die Roboter der Gesellschaft
Aslan Kudrnofsky/MAK Ausstellung "Artificial Tears"
Andernorts macht sich Kunst breit: "Artificial Tears" heißt das Arrangement im großen MAK-Saal, im Untergeschoß lautet der Titel schlicht: "Ich weiß nicht."

Beide Räume bestechen zunächst durch ihre innere Stimmigkeit. Kein Lehrpfad führt hier durch, dafür dürfen Kunstwerke strahlen: Etwa die alchemistisch anmutenden Gefäße von Kiki Smith, die laut Aufschrift für Körperflüssigkeiten gedacht sind und die ästhetische Perfektion auf Ekel prallen lassen, oder die Videos von Jeremy Shaw, der seine Freunde unter Halluzinogen-Einfluss setzte; die Frage des Wissenschafters Andrew Smart, ob Künstliche Intelligenz LSD-Trips unternehmen kann, bildet den Hintergrund.

Die oft beschworene Kraft der Kunst, neue Denkwege zu eröffnen, erscheint in diesem Setting nicht als hohle Phrase: Wo alles quantifizierbar und mit Algorithmen erfassbar scheint, wird es zur herausragenden menschlichen Qualität, auch Un-Sinn produzieren zu können. Der Satz "Ich weiß nicht", der über einer Sammlung nutzloser und dabei ästhetisch umwerfender Objekte von Bruno Gironcoli, Padhi Frieberger und anderen steht, erhält so fast sokratische Weisheit.

Andere Biennale-Projekte stoßen in diese subversive Richtung weiter vor – etwa die Schau "Work It, Feel It" in der Kunsthalle am Karlsplatz, in der Künstlerinnen und Künstler die Ästhetik von Fitness und Selbstoptimierung in kluger Weise übersteigern und karikieren.

Die Roboter der Gesellschaft
Charlotte Nordmoen, humanMADE, 2016 © Tom Mannion
Die Uni für Angewandte Kunst zeigt in ihrem Schauraum am Franz-Josefs-Kai dystopische Ideen wie einen BH, der intime Daten sammeln und seiner Trägerin helfen soll, Finanzschulden zu begleichen – als Gegenmodell wird (im MAK-Forum) ein Investment-Vehikel präsentiert, das Aktivisten erlauben soll, sich in Firmen einzukaufen, um sie zum Guten zu verändern. Es gibt also Hoffnung – auch für Wien, wo schon lange keine so "gegenwärtige" Ausstellung zu sehen war.

Info: Programm bis 1. Oktober 2017

Das MAK Wien initiierte 2015 die erste„Mehrsparten-Biennale“ für Kunst, Design und Architektur. Partner sind das Architekturzentrum Wien (AzW), die Kunsthalle Wien, die Wirtschaftsagentur Wien sowie die Universität für angewandte Kunst, die jeweils eigene Programmpunkte realisieren.

Im Innen- und Außenraum Das AzW hat am Nordbahnhof Wien im Rahmen der Biennale einen öffentlichen Arbeitsraum eingerichtet, in der Stadt wurden so genannte „Demonstratoren“ an verschiedenen Orten aufgestellt. Zur Biennale wurde auch eine eigene App entwickelt. Das tägliche Programm findet sich auf www.viennabiennale.org.

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