Die Millennials: Vong Sturm und Drang her

Vernetzt, beschäftigt und wandernd: Die Installation „Social Network“ des deutschen Künstlers Peter Picciani als Sinnbild für die „Generation Y“
Die Generation Y greift mit Sebastian Kurz nach der Macht. Was macht sie eigentlich aus?

Von der jugendlichen Anmaßung bis zur erwachsenen Machtübernahme dauerte es nur acht Wochen: Am 22. März startete Flora Petrik (22) von den Jungen Grünen ihren Angriff auf Parteichefin Eva Glawischnig und wurde daraufhin abmontiert. Am 14. Mai unterwarf sich die ÖVP dem 30-jährigen Sebastian Kurz.

Höchst willkommene Frischluft für jene Alterskohorte, die bis weit in die 2030er Jahre die wichtigste Arbeitnehmergruppe sein wird. Die Millennials, geboren zwischen 1980 und 1999, sind die vielbelächelte Generation der größtmöglichen Anmaßung, der absoluten Erlebnisfixiertheit und einer in unseren Breiten schon seit Jahrzehnten nicht mehr gewohnten Perspektivlosigkeit.

Goldman Sachs beschreibt die Millennials als "im Begriff, die Wirtschaft umzuformen". Die Altersgruppe ist nicht nur größer als die vorangegangenen Generation X und die Nachkriegs-Babyboomer, sie steht auch in einer nie dagewesenen Änderung der Weltordnung, sei es politisch wie im Alltagsleben. Sie haben weniger Geld zur Verfügung. Damit geht eine Lustlosigkeit einher, sich langfristig zu binden: Heirat wird genauso auf die lange Bank geschoben wie der Erwerb von Besitz. Autos, Wohnungen, Unterhaltungsgüter? Geliehen, geteilt und gestreamt.

Das wichtigste Werkzeug für den Alltag ist das Smartphone. Mit diesem wird kommuniziert, gearbeitet und das Uber gerufen.

Die Millennials sind auch die am stärksten umkämpfteste Zielgruppe der (alten) Welt: Wie kriegen wir die Jungen dazu, unsere Produkte zu kaufen?, fragt nicht nur eine zerknirschte Marketingabteilung eines althergebrachten Marktführers.

Millennials könnten etwa Autos als praktische Anschaffung nicht egaler sein. Sie sind der lebende Beweis, dass die "Sharing Economy" existiert und funktioniert. Eine Folge: Mercedes und BMW sind neuerdings auch große Carsharinganbieter.

Österreich hingegen ist unbestritten ein Land in der Hand der Baby-Boomer, die langsam, aber sicher die Macht abgeben (das legt neben dem Auftritt von Kurz etwa auch ein Blick in das ausgesprochen jugendliche Kabinett von Bundeskanzler Christian Kern nahe).

Aber was passiert, wenn die Millennials wirklich die Verantwortung tragen?

Sebastian Höglinger (33), einer der beiden Leiter des Filmfestivals Diagonale, verkörpert diesen Generationenbruch auf konstruktive Art. Er stand gemeinsam mit Peter Schernhuber (29) vor gut eingefahrenen Gräben in der Filmbranche, als sie das Festival 2015 übernahmen: Autorenkino, Diskursfilm, Publikumsfilm... Sie wählten den Weg, diese Lagerbildung so unaufgeregt wie möglich zu – ignorieren.

"Wenn ein Film seinen Ansprüchen gerecht wird, hat der Film bei der Diagonale Platz", sagt Höglinger bestimmt. Wo stieß er an seine Grenzen? "Oft reicht es, kleine Rädchen zu drehen. Dann gibt es wieder Dinge, wo man komplett blockiert wird und langfristig planen muss." Was die beiden Diagonale-Chefs auszeichnet, ist nicht nur ihr Alleinstellungsmerkmal als "junge" Intendanten, sondern als schrankenlose Netzwerker: "Uns war wichtig, dass man sich nicht mit den ewig gleichen Expertinnen und Experten abgibt, sondern Themen einmal anders diskutiert und sich fragt: Wie funktioniert das etwa in der Musik? In der bildenden Kunst? In der Politik?" Völlig selbstverständlich brachen sie das Forum Filmfestival auf und erweiterten es um aktive Dialoge an Orten, die nicht naheliegen. Etwa dem Forum Alpbach.

Heilsversprechen

Interdisziplinarität und ein von breit aufgestellten Netzwerken gefüttertes Wissen sind Tugenden, die in der milliardenschweren Tech-Branche schon lange gelebt werden – auch so ein Hort der Millennials. "Ich bin gespannt, ob sich das in der Politik bemerkbar macht", sagt Höglinger.

Allerdings warnt er vor einem "Heilsversprechen durch die Jugend" und plädiert für einen "sinnvollen" Generationendialog: "Nicht alles, was sich bewährt hat, ist automatisch schlecht."

Dazu gehört freilich: Man muss erst einmal am Tisch sitzen. Also Macht haben. Warum haben so wenig junge Leute das Sagen in diesem Land? Ein Wiener Manager, der nicht genannt wird, (laut Geburtsdatum ein Millennial), verweist darauf, dass in Österreich die Generation der 40- bis 50-Jährigen kaum in tragenden politischen Rollen vertreten sei. "Wenn da jetzt die 25- bis 35-Jährigen nachrücken, fällt die große Generationenlücke natürlich doppelt auf."

Zwischen den 50- bis 65-jährigen Verwaltern der Macht und ihren Herausforderern liegen bis zu drei Jahrzehnte, in denen sich die Gesellschaft und ihre Lebensrealitäten mehrfach um die eigene Achse gedreht haben.

Soziokulturell und auch politisch sind die österreichischen Millennials mit dem Internet und den politischen Konflikten der Nullerjahre groß geworden: Klare Lagerbildung zwischen links (rot und grün) und rechts (schwarz und blau) ersetzte den auf Jahrzehnte einzementieren Konsens der großen Koalition.

Das ist die eine Wahrheit, sagt der Manager. Die andere sei eine völlige Desorientierung in der Politik: Klassisch linke und rechte Positionen schwirren quer durch die weltanschaulichen Lager. Beim Thema Migration etwa vertritt die SPÖ mittlerweile mit offenem Visier Positionen, die in den 90ern nicht einmal die FPÖ artikuliert hätte. Wen soll es wundern? Die Welt ist heute zehn Mal komplexer als damals. Sie ist reicher und gleichzeitig ärmer: Die Millennials kommen "aus einer wahnsinnigen Wohlstandsgesellschaft", sagt der Manager. Die Eltern können ihnen eine Sicherheit bieten wie keine Generation vor ihnen, "gleichzeitig müssen sie damit leben, dass sie das nie erreichen werden".

Außer sie erben. Die Generation Y, wie die Millennials im Jugendforscherjargon auch genannt werden, teilt sich sehr klar in jene, die über Generationen erworbenen Wohlstand weitertragen, und jene, die sich auch bei der größten beruflichen Anstrengung den Traum etwa eines Eigenheims nie erfüllen werden können. Wer Geld hat, war schon früher bekannt. Dass darüber ein derzeit noch recht offener Diskurs stattfindet, ist neu.

Der Bezirk zählt

Eine junge linke Politikerin, die ihren Namen ebenfalls nicht in der Zeitung lesen will, sagt, dass sie kaum Menschen kenne, die sich eine Eigentumswohnung oder ein Auto kaufen wollen. Worauf legt sie wert? "Etwa, ob man in diesem oder jenem Bezirk wohnt. Oder Urlaub machen kann."

Die Leistungsanforderungen seien aber keineswegs geringer: "Wir müssen schneller studieren als unsere Eltern und haben danach aber keine Jobgarantie. Das heißt: Vielleicht stehen wir mit nichts in der Hand da." Was im Verhältnis der vorherrschenden Politik zur Jugend fehle, sei echte Mitbestimmung, sagt sie. "Junge Menschen werden gerne für Fotos oder ein paar Hashtags hergezeigt. Aber wirklich Verantwortung übernehmen dürfen sie nicht."

Und in der Wirtschaftswelt? Eine Armada an Ein-Personen-Unternehmen ersetzt zunehmend das, was früher eine sichere Anstellung war. "Anstellungen gibt es ohnehin nicht mehr", sagt der Manager. Damit einher gehe automatisch die viel beschworene Vernetzungsfähigkeit der Millennials: "Wenn ich nur projektbezogen zum Einsatz komme, muss ich ohnehin mit dem Know-how anderer arbeiten."

Weil viele Jobs auch kaum Geld abwerfen, sei die Sinnfrage nach vorne gerückt: Wie kann ich mit möglichst viel positiver Außenwirkung bei maximaler Erfüllung meiner Leidenschaften einer Tätigkeit nachgehen, die zumindest meinen Handyvertrag finanziert?

"Das grundsätzliche Potenzial, über den Tellerrand zu schauen, ist schon etwas, das uns verbindet", sagt Höglinger. Allerdings warnt er auch davor, dass die Jungen von heute auch nur versucht wären, "in die vermeintlich alten Strukturen" zu rutschen. "Diese neue Generation verspricht sicher viel Veränderung. Aber ich sehe auch die Gefahr, genau in diese Strukturen hineinzurutschen und sie weiterzuverwalten." Damit wäre der Kreis zur Nachkriegsgeneration dann wieder geschlossen.

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