Die Kulturzeiten, they are a-Changin' ..

Der Nobelpreis für Dylan zeigt, dass Genre-Grenzen und Kultur-Snobismus längst überholt sind

Na gut, das war es dann: Die Generation Rockrevolution hat die Ehrenrunde abgeschlossen. Bei einem Megafestival in Kalifornien feiern derzeit die Rolling Stones, Paul McCartney und, nun ja, Bob Dylan ein lautstarkes Lebewohl vom einst großen Aufbruch in eine angeblich freiere Zukunft. Just zur selben Zeit kriegt der ehemalige Revolutionär Dylan auch noch den Literaturnobelpreis. Da liegen viele ätzende Geriatrie- und Großelternwitze nahe.

Es steht nur zu befürchten, dass die eigentliche Pointe der Kulturwelt – den Schaffenden und Konsumenten – auch diesmal entgeht. Sie lautet, umgelegt aufs Theater, ungefähr so: Dessen Bretter mögen die Welt bedeuten, es ist halt nur die Welt von vorgestern. Nur von dieser aus gesehen ist die Entscheidung für Dylan mutig oder vielleicht sogar falsch; vom echten Leben aus gesehen ist sie längst überfällig (oder wurscht). Dylan ist seit einem halben Jahrhundert – einem halben Jahrhundert! – im Geschäft und gilt manch keppelndem Literaten trotzdem noch als Songschreiber, jedenfalls nicht als Autor.

Was viele nicht sehen wollen: Große Teile der Kultur leben, auch strukturell, in einer Welt, die es so nicht mehr gibt. Unzeitgemäß große Institutionen bahnen sich, Tankschiffen gleich, gemächlich ihren Weg durch die Vergangenheit, deren Besatzungen versichern einander die Relevanz. Und gehen darüber hinweg, dass die Branche in der Defensive ist, dass das junge Publikum nicht nur Oper und Theater, sondern bereits auch der Rock- und Popmusik den Rücken kehrt. Dass Kultur heute auf Facebook, in Games und im Streaming-TV stattfindet.

Verständnislos blickt man einander an. Im Hintergrund: Dylan singt über sich verändernde Zeiten.

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