Die Goldenen Zitronen: 30 Jahre sauer

Die Goldenen Zitronen: 30 Jahre sauer
Schorsch Kamerun über "Who's Bad?", Gentrifizierung und 30 Jahre Bandgeschichte.

Die Goldenen Zitronen, das sind zunächst einmal sechs Musiker aus Hamburg. Ted Geier spielt Bass und Gitarre, Schorsch Kamerun singt. Und das seit bald 30 Jahren. "Punkikonen" nennt sie deshalb die Spex. "Musikkollektiv" nennt das Schorsch Kamerun im Interview mit KURIER.at. So oder so. Klar ist: Die Goldenen Zitronen sind mehr als eine Band. Die Goldenen Zitronen stehen für ein großes Ganzes. Es geht um Diskurs, Haltung, Politik.

Die Goldenen Zitronen: 30 Jahre sauer
Denn zu Ikonen sind sie nicht mit Parolen oder "dem einen" Song geworden. Die "Zitronen" sind gerne schwierig. "Es ist eine Gratwanderung", erklärt Sänger Schorsch Kamerun. "Wir wollen, dass es alle hören, und auf der anderen Seite wollen wir auch keine stadiontaugliche Kunst" machen.

Von den punkigen Anfängen hat man sich längst wegbewegt. Auf ihrem elften Album "Who's Bad?" sind die Hamburger "relativ intuitiv bei Krautrock angekommen". Vor Synthie-Beats (sprech)singt Kamerun von Gentrifizierung ("Der Investor") und dem Anspruchsdenken etablierter Künstler ("Rittergefühle").

Ambivalente Themen für den 50-Jährigen. "Wir wissen natürlich, dass wir Teil der Marke sind, die wir kritisieren." So sei der (legendäre) Golden Pudel Club, den Kamerun 1988 gemeinsam mit Rokko Schamoni ("Studio Braun") gründete, auch für den schrägen Ruf von St. Pauli mitverantwortlich. "Und diese Schrägheit wird eben auch verkauft".

"Der Radikalste landet am schnellsten im Museum"

Was den Pudel Club trotzdem vom hippen Lokal daneben unterscheidet? "Unsere Gentrifizierung will ja kein Geld damit machen. Aber gerade das Radikale wird irgendwann einmal auch zum Warenbegriff." Das sei eben das Problem an diesem "Mainstream der Minderheiten. Der Radikalste landet am schnellsten im Museum."

Die Goldenen Zitronen sind so zum Wegbereiter einer Entwicklung geworden, die sie eigentlich verhindern wollten. Sie sind selbst zur Marke geworden. Zum Kulturbegriff. "Die Stadt Hamburg hat ja sogar Werbung mit den Goldenen Zitronen gemacht". Die Band erschien auf dem Cover einer Broschüre der Hansestadt. Ausgerechnet die "Zitronen", die Identifikationsband der "Hamburger Schule", intellektuell, gesellschaftskritisch, links. "Da sieht man schon, in welchem Widerspruch man täglich lebt."

30 Jahre sauer

Die Goldenen Zitronen: 30 Jahre sauer
In "Rittergefühle" spotten die "Zitronen" über in die Jahre gekommenen Punkbands (Namen will Kamerun freilich keine nennen). "Es ist dieses Anspruchsdenken, das mich bei gewissen Kunstschaffenden nervt. Die meinen etwas erreicht zu haben und jetzt ihre Ernte einfahren können. Aber so läuft es einfach nicht." Es muss schon immer weitergehen und es braucht schon immer wieder die Reflexion aus dem Jetzt."

Wie ist also der Albumtitel zu verstehen? "Es gibt ja kein eindeutiges Gut und Böse – zumindest gibt es immer ein 'schlechter' in dieser komplexen Welt", versucht Kamerun "Who's Bad?" zu erklären. "Man wirft uns das ja sogar vor, dass wir ständig an den Dingen herumkritteln." Der Albumtitel sei also durchaus selbstironisch zu verstehen. Einfache Antworten gibt es jedenfalls auch hier nicht.

"Vielleicht müssen wir positiver werden"

Seit einigen Jahren ist Kamerun auch erfolgreich als Theaterregisseur tätig. 2009 inszenierte er bei den Wiener Festwochen ein Stück über den Überwachungsstaat. 2003 thematisierte er in "Macht fressen Würde" am Schauspielhaus Zürich den zunehmenden Rechtspopulismus in der Schweiz. Was er von der österreichischen Innenpolitik hält? Kamerun zeigt sich vor allem verwundert. "Ich habe die Österreicher als Menschen kennengelernt, die auch große Lust haben zu politisieren und zu diskutieren. Die Gesprächskultur ist für meine Ohren eine sehr hohe. Trotzdem kommen ständig so dumpfe Dinger durch."

"Aber das gibt es ja nicht nur in Österreich. Im Grunde hat auch die USA ihre Tea Party. Das ist ja nichts, was sonst nicht vorkommt." Ob man dabei als politisch-engagierter Mensch nicht resigniere? Nein, meint Schorsch Kamerun. Dass die Goldenen Zitronen so beharrlich bleiben, habe nichts damit zu tun, dass "wir so Kulturpessimisten sind. Aber vielleicht müssen wir auch ein bisschen positiver werden. Im Grunde bin ich ganz glücklich darüber, dass wir die Chancen haben diese Dinge sagen zu können."

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