Die Cornflakes sind alle

Die beiden Unbekannten bringen undefiniertes Unheil: Goldberg und McCann
KURIER-Kritik: Andrea Breths "Geburtstagsfeier" läuft auch in Wien. Willkommen im Bewusstseinsstrom.

Am Ende des Abends steht man mit weniger Fragen da, als man von Harold Pinters Vorzeigestück "Die Geburtstagsfeier" (1957) erwartet hätte. Reden hier nicht alle aneinander vorbei? Mitnichten: Sie sprechen bedrohlich ineinander hinein.

Andrea Breths Inszenierung des Stückes über zwei rätselhafte Männer, die in einer Pension auftauchen, um den rätselhaften Dauergast Stanley zu schikanieren, stammt von den Salzburger Festspielen und wurde am Sonntag am Akademietheater auch dem Wiener Publikum vorgestellt.

Man beschränkte sich auf einen Raum, der in eine Strandlandschaft überging und ein Fenster zur Küche aufweist, durch das am Anfang in nervenzerreibendem Zeitlupentempo Cornflakes gereicht werden. Die Geschwindigkeit des rätselhaften Stücks nimmt jedoch rasch Fahrt auf, als McCann und Goldberg auftauchen. Sie haben eine rätselhafte Mission und wollen irgendetwas von dem stets im Morgenmantel auftretenden Stanley, einer gescheiterten, vor unbekannten Ereignissen geflüchteten Existenz.

Trügerischer Trost

"Sie werden dich nicht aufwecken", tröstet ihn die Pensionschefin Meg (souverän: Nina Petri ) unschuldig. Ein Satz, den Pinter beiläufig einstreut, wie um uns zu sagen: Obacht – es läuft eher aufs Gegenteil hinaus.

Stanley ist seit einem Jahr der einzige Gast in der verlorenen Pension. Und, so erzählt es die Hausdame Meg: Er hat heute Geburtstag. Die beiden Männer besorgen Schnaps, der bekanntlich schon harmlosere Abende in Katastrophen verwandelt hat.

Bei der Party entgleitet vieles, aber vor allem aber nimmt Stanleys Psyche großen Schaden. Er ahnte, dass McCann und Goldberg Böses im Schilde führen. Warum? Unklar. Unbeantwortet bleibt auch die Frage, wer hier mehr zu verbergen hat.

Während der Party sitzt er apathisch mitten in dem Treiben, das um ihn herum zu seinen Ehren und Untergang inszeniert wird. Am nächsten Tag wird er wie nach einer Lobotomie hinausgetragen, dafür im gleichen Anzug wie die beiden Unbekannten.

Der Papierform nach ist so etwas der Stoff für einen mühevollen, aber wohl gescheiterten Abend. Erstaunlich, wie Roland Koch als Goldberg und Oliver Stokowski als McCann in irrsinnigen Dialogen kongenial lustwandeln. Zurecht mit Szenenapplaus bedacht war ihre Tanzeinlage zum Auftakt der Party.

Am Theater versteht man besser etwas von Gesten. Und Koch könnte mit einer beiläufigen Handbewegung einen ganzen Tag teilen.

Max Simonischek gibt überzeugend den abgerockten Stanley, der in dieser Inszenierung unverschämt gut aussieht. Als er irgendwann am Bühnenrand liegt, um durch das dort platzierte Schilf zu blicken, wird offenbar, wie banal nahe Theater und Modestrecken bisweilen zusammen liegen.

Regiestar Breth, die sich auf kleine Räume versteht, ohne dem Publikum den Sauerstoff zu nehmen, hat der "Geburtstagsparty" den richtigen Dreh gegeben: Das Stück ist zeitlos und nebulos, sie nahm dafür passende Anleihen von David Lynch.

Die Klammer bildet das Frühstück des Pensionschefs Petey (Pierre Siegenthaler): Am Anfang lässt er sich die Cornflakes und das "geröstete Brot" noch schmecken. Kurz, bevor man vom Publikum Abschied nimmt, hat Meg noch einmal schlechte Nachrichten: "Die Cornflakes sind alle."

Nach rund 165 Minuten wird das erschöpfte, aber aufgekratzte Publikum aus diesem Bewusstseinsstrom wieder entlassen.

Zum Stück: Als „The Birthday Party“ 1958 uraufgeführt wurde, sah sich Harold Pinter einem veritablen Flop gegenüber. Kritiker hassten es, das Publikum mied es. Dann geschah das Wunder: Ein Kritiker lobte es über den Klee und „Die Geburtstagsfeier“ wurde doch noch zum Erfolg. Pinter, ein scharfzüngiger Kritiker von George W. Bush und Tony Blairs Irak-Abenteuern, erhielt 2005 den Literaturnobelpreis.
Andrea Breths Fassung des Stücks feierte am 28. Juli bei den Salzburger Festspielen Premiere. Nächste Aufführung: Dienstag, 5.9.

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