Annie Ernaux: Die Affäre mit einem 30 Jahre Jüngeren

Annie Ernaux: Die Affäre mit einem 30 Jahre Jüngeren
"Der junge Mann" - Annie Ernaux’ erstes Buch seit dem Nobelpreis 2019

Die Aufregung um Annie Ernaux’ Nähe zur Israel-Boykottbewegung BDS führte bei manchen zu Zweifeln, ob die Auszeichnung der Französin mit dem wichtigsten Literaturpreis der Welt richtig war. Nach Lektüre ihres jüngsten Buches lässt sich erneut feststellen: Rein schriftstellerisch ist der Preis überaus gerechtfertigt. Ernaux ist eine fantastische Autorin. Der Rest wäre eine Debatte ähnlich jener um Peter Handke, doch darum soll es hier nicht gehen.

Annie Ernaux: Die Affäre mit einem 30 Jahre Jüngeren

Annie Ernaux:„Der junge Mann.“ Aus dem Französischen von Sonja Finck. Suhrkamp. 41 S. 15,50 €

Annie Ernaux legt mit dem schmalen Band „Der junge Mann“ eine feingliedrige Erzählung über eine Mittfünfzigerin und ihren 30 Jahre jüngeren Liebhaber vor. Stilistisch glasklar und selbstmitleidlos, wie man es von ihr kennt. Die Protagonistin weiß um die missbilligenden Blicke, die abfälligen Äußerungen, wie denn ein junger Mann mit einer „Frau in der Menopause“ zusammen sein könne. „Wir waren anstößiger als ein homosexuelles Paar.“ Sie weiß auch um ihre Beweggründe für diese Beziehung, abseits der Lust: „Er war die verkörperte Vergangenheit. Mit ihm durchlief ich alle Alter des Lebens, alle Alter meines Lebens.“

Doch die gemeinsamen Erfahrungen sind nur für ihn neu, für sie Wiederholung von bereits Erlebtem. Auch eine Form von Grausamkeit.

Annie Ernaux’ Prosa ist gerade in ihrer Gnadenlosigkeit brillant.