Diagonale: Ende mit Krisenstimmung

Diagonale: Ende mit Krisenstimmung
Sebastian Meise gewinnt den Hauptpreis mit seinem Erstlingsfilm "Stillleben". Finanzierungsprobleme treffen auch das Festival selbst.

Eigentlich ist der Film ja nur ein Teil eines in sich geschlossenen Ensembles, die Ergänzung zur Dokumentation zum selben Thema. Dennoch: "Stillleben", Sebastian Meises stille Zerfallschronik einer Provinzfamilie, kann auch gut für sich alleine stehen.

Ein biederer Familienvater wird vom Sohn dabei ertappt, wie er zu einer Prostituierten geht und sie kleines Mädchen spielen lässt. Wen sie für ihn spielen kann, ist gleich klar: Lydia, die Tochter. Der Vater hat sie nie berührt, aber seine Neigung ist da  – unbeherrrschbar und nicht zu unterdrücken. Der Sohn deckt alles auf – die Implosion der bis dahin intakten Familie ist nicht aufzuhalten. "Stillleben" wurde in Graz zum besten österreichischen Spielfilm 2011 gewählt
(Hier geht es zum Diagonale-Blog des KURIER)
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"Outing", die Dokumentation, ist dazu der urbane Gegenentwurf: Sven, ein ebenfalls von pädophilen Neigungen Heimgesuchter, spricht darin offen über seine Vorliebe für Kinder. Wie gesagt: Es ist ratsam, sich beide Filme anzusehen.

Keine Nostalgie

Zum besten österreichischen Dokumentarfilm wurde Dariusz Kowalskis "Richtung Nowa Huta", das Porträt der einst so stolzen polnischen Stahlstadt Nowa Huta nahe Krakau, gekürt. Kowalski verwebt Zeiträume und Lebensrealitäten, lässt Geschichte und Gegenwart einander durchdringen. Nostalgie ist kaum spürbar: Kowalski filmt  bevorzugt diejenigen, die mit dem einmal Gewesenen ganz unbekümmert umgehen.

Bester Kurzdokumentarfilm ist für die Jury in Graz "Das persische Krokodil" von Houchang Allahyari.  Mit viel Humor erzählt der Regisseur von der absurden Rettung eines Krokodils und  greift damit  ein komisches, unerwartetes Thema  auf.

Über den Diagonale-Publikumspreis  kann sich Bernd Liepold-Mosser für seine Doku  "Griffen – Auf den Spuren von Peter Handke freuen. Der eigenwillige Dichterfürst ist zwar schon seit 50 Jahren weg aus seinem Kärntner Heimatort, hat aber dort markante Spuren hinterlassen. In der Schule lernen die Kinder noch immer von ihm, obwohl die Bücher Handkes nicht auffindbar sind in der Bibliothek. Der Busfahrer bezeichnet ihn kokett als  "Spinner".  Jeder hat eine Meinung über Handke – so oder so.  Ein  tiefer, amüsanter Blick in die  österreichische Seele.

(Susanne Lintl)

Ende mit neuer Krisenstimmung

Die Besucherzahlen entsprachen nach Angaben des Festivals den 23.700 vom Vorjahr. Bei weniger Vorstellungen als in den letzten Jahren stieg die Auslastung auf knapp 74 Prozent.

   Insgesamt wurden an sechs Festivaltagen 131 Filme und Videos in 120 Kinovorstellungen präsentiert, darunter 39 Uraufführungen und 15 Österreich-Premieren. Rund 100 Filmschaffende fanden sich in Graz zum traditionellen Austausch zwischen österreichischen Regisseuren und dem Publikum zum Frühlingsanfang ein, insgesamt wurden Preise im Wert von knapp 150.000 Euro vergeben.

   Die verschärften ökonomischen Rahmenbedingungen, bei der Diagonale nicht zuletzt durch den Ausfall von Hauptsponsor A1 ein Thema, blieben bei den Diskussionen in Graz nicht unbemerkt. Das profil hatte schon zum Auftakt des Festivals eine "aktuelle Krisenstimmung" geortet, da der Marktanteil österreichischer Filme von 7,7 Prozent (2009) wieder auf 3,2 Prozent (2011) gesunken ist, das stark verbreiterte Angebot an Kinofilmen nicht dem niedrigen Publikumsinteresse entspreche und Förderinstitutionen wie der Filmfonds Wien auf eine "Re-Provinzialisierung" setzten.

Die Diskrepanz zwischen dem Wunsch nach kommerziell starken Produktionen und dem immer wieder sichtbaren internationalen Erfolg der kleineren, künstlerischen Filme spitzt sich nicht zuletzt aufgrund wachsender Begehrlichkeiten und weiterhin geringer Fördersummen zu.

   Da Diagonale-Intendantin Barbara Pichler dem künstlerischen Film den Vorzug gegenüber kommerziellen Produktionen gibt, spitzt sich die Debatte angesichts des herrschenden Wettbewerbs stets im März deutlich zu. Dabei hat das Festival des österreichischen Films selbst gerade keine einfache Situation zu meistern: "Die mittel- und langfristigen Entwicklungsperspektiven" seien durch "sich verschärfende budgetäre Rahmenbedingungen stark eingeschränkt", hieß es am Sonntag in der Bilanzaussendung. Die Finanzierung für 2013 ist noch ungewiss. Das Festival soll dann jedenfalls von 12. bis 17. März stattfinden.

(apa)

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