Literaturkritiker Hellmuth Karasek ist tot

„Ich habe mir fest vorgenommen, mich nicht unter meinem Niveau zu ärgern.“ - Hellmuth Karasek
Der deutsche Literaturkritiker, Journalist und Schriftsteller wurde mit dem "Literarischen Quartett" berühmt. Er starb im Alter von 81 Jahren.

Fast 14 Jahre nach der letzten Sendung startet das ZDF eine Neuauflage seines "Literarischen Quartetts". Die Sendung hatte einst auch ihn berühmt gemacht: Den Literaturkritiker Hellmuth Karasek, der jetzt in Hamburg gestorben ist.

Jahrelang diskutierte Hellmuth Karasek mit Marcel Reich-Ranicki und weiteren Kritikern in der ZDF-Sendung "Das literarische Quartett" über neue Bücher. Der Autor, der am Dienstag im Alter von 81 Jahren in Hamburg gestorben ist, wurde mit seinen wortgewandten Auftritten in dem TV-Format einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Die Neuauflage des Fernsehklassikers kann er nicht mehr miterleben: Die startet das ZDF an diesem Freitag (2. Oktober) - fast 14 Jahre nach der letzten Sendung.

Karasek: Seine besten Zitate - und ein Witz

Literaturkritiker Hellmuth Karasek ist tot

Hellmuth Karasek
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LITERARISCHES QUARTETT aus Wien
Literaturkritiker Hellmuth Karasek ist tot

Hellmuth Karasek
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GERMANY - FILES/LITERARISCHES QUARTETT
Literaturkritiker Hellmuth Karasek ist tot

FILE GERMANY LITERATURE PEOPLE KARASEK OBIT
Literaturkritiker Hellmuth Karasek ist tot

Hellmuth Karasek
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Hellmuth Karasek
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Das literarische Quartett
Literaturkritiker Hellmuth Karasek ist tot

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Marcel Reich-Ranicki
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Das Literarische Quartett
Literaturkritiker Hellmuth Karasek ist tot

"Na, was glauben Sie, wie Kulturentscheidungen generell an den Leuten vorbeigehen?", fragt Hellmuth Karasek, streitbarer Kulturjournalist

Werdegang

Karasek war Autor, Kritiker, Moderator und Journalist. Und er liebte das Publikum. Selbst nachdem das "Quartett" (1988-2001) nach 77 Folgen und 375 besprochenen Büchern eingestellt wurde, tauchte der umtriebige Kulturkritiker immer wieder auf dem Bildschirm auf, was ihm bisweilen Kritik einbrachte. "Ich kann an solchen Fernsehauftritten nichts Ehrenrühriges finden", lautete sein Kommentar dazu. "Das Fernsehen hat mein Leben am meisten verändert", sagte Karasek einmal.

Als Journalist schrieb er für diverse Zeitungen, er war Theaterkritiker bei der Wochenzeitung Die Zeit und Kulturressortchef beim Spiegel. Er veröffentlichte zahlreiche Bücher und verfasste unter dem Pseudonym Daniel Doppler Theaterstücke. Dabei war das Schreiben für ihn harte Arbeit, wie er zu seinem 75. Geburtstag mal erzählte.

Sein Romandebüt hatte er 1998 mit "Das Magazin" gegeben - über das intrigante Innenleben eines Hamburger Nachrichtenmagazins. Meist wurde das Buch verrissen, aber vereinzelt auch trotz Übertreibungen als wahre Schilderung anerkannt. Zwei Jahre zuvor hatte es zwischen ihm und dem Spiegel das Aus gegeben. Seine Umtriebigkeit hatte bei seinem Arbeitgeber für Argwohn gesorgt. Über einen abgelehnten Artikel zu Helmut Dietls Film "Rossini" kam es 1996 zum vorläufigen Bruch.

Leben

Geboren wurde Karasek 1934 als eines von fünf Kindern im mährischen Brno (Brünn). Ende des Zweiten Weltkrieges floh die Familie vor der Roten Armee nach Bernburg/Saale in Sachsen-Anhalt. Nach dem Abitur übersiedelte Karasek 1952 aus der damaligen DDR in die Bundesrepublik und studierte in Tübingen Germanistik, Geschichte und Anglistik. "Ich habe in zwei Diktaturen gelebt. Die erste habe ich gemocht und erst später gemerkt, dass das ein Schweineregime war. Die zweite habe ich von Anfang an gehasst."

Literaturkritiker Hellmuth Karasek ist tot
 
Ihn habe seine Kindheit im Dritten Reich am meisten geprägt, erzählte er. "Durch den Krieg hat man gelernt, dass kein Stein auf dem anderen steht, nichts Bestand hat und man immer misstrauisch bleibt." Der Schliff und Drill, der ihm als Bub in der Hitlerjugend und in einer Nazi-Eliteschule vermittelt worden sei, habe bei ihm weniger nachhaltig gewirkt.

Seine künstlerischen Gene gab Karasek, vierfacher Vater und in zweiter Ehe mit der Kulturredakteurin Armgard Seegers verheiratet, an seine Kinder weiter: Sohn Daniel aus erster Ehe ist Intendant am Theater in Kiel, Tochter Laura hat ihren ersten Roman ("Verspielte Jahre") veröffentlicht. "Sie wollte einen künstlerischen Beruf ergreifen, aber ich habe zu ihr gesagt: Lerne was Anständiges - und da hat sie Jura studiert." Als sie ihm die ersten 100 Seiten ihres Romans vorgelegt habe, war er jedoch überzeugt: "Das musst Du unbedingt weitermachen!"

Noch Mitte August hat Hellmuth Karasek mit einer IKEA-Literatur-Persiflage zum Schmunzeln verleitet.

Hellmuth Karasek ist tot. Wer das Glück hatte, ihm persönlich begegnet zu sein, wird doppelt betroffen sein: Er war nicht nur ein kluger Kopf, sondern auch einnehmend und sympathisch. Es gibt leider nicht mehr viele, die all das vereinen, was Karasek vereinte. So tragisch es ist: Es handelt sich nicht nur um den Tod eines einzelnen 81-Jährigen, eine Spezies ist vom Aussterben bedroht.

Karasek war primär Journalist und Kritiker, viele Jahre etwa beim Spiegel und auch bei der Zeit. Dem fernsehenden Teil der Bevölkerung wurde er vor allem durch seine Teilnahme am "Literarischen Quartett" bekannt. Er lieferte sich feinste und auch brutale Wortgefechte mit Marcel Reich-Ranicki. Karasek war aber selbst auch Autor (teilweise unter dem Pseudonym Daniel Doppler). Er war Denker, Formulierer, Mitgestalter, Vermittler.

Was ihn besonders wichtig machte, war seine Schrankenlosigkeit. Mit Selbstverständlichkeit schrieb er über Literatur, Theater, Film und alle Formen von Musik. Er war Universalgelehrter und lebte fast nach dem Faust’schen Prinzip. Und er lehnte TV-Unterhaltung nicht a priori ab, sondern versuchte sie qualitativ aufzuwerten. Er war mehr Kulenkampff als Gottschalk. Adieu!

Der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck würdigte Karasek als leidenschaftlichen Streiter und entschiedenen Anwalt der deutschen Literatur. Er habe "bei vielen Menschen die Kenntnis und die Liebe zur Literatur, zum Theater und zum Film entscheidend erweitert und vertieft", schrieb Gauck an die Witwe Armgard Seegers, und weiter: "Ohne ihn wäre das literarische Leben in unserem Land sehr viel ärmer - und auch erheblich langweiliger."

Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) würdigte Karasek als "eine echte Institution in Deutschland", "er liebte und litt an und mit der Literatur und war dabei immer ihr souveräner Vermittler und ein brillanter Unterhalter".

Bildungsministerin Johanna Wanka (CDU) erklärte, Karasek habe als glühender Verfechter der Lesekultur den Menschen das Buch nahegebracht. "Er wird fehlen."

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