"Detroit": Albtraum im Algiers Motel

20 sehenswerte Filme, die auf wahren Begebenheiten beruhen
Oscar-Preisträgerin Kathryn Bigelow verfilmte die Rassenunruhen in Detroit von 1967.

Ein niederschmetterndes Jubiläum. Vor fünfzig Jahren brachen im Juli 1967 in Detroit schwere Rassenunruhen aus, die bis heute zu den größten des Landes zählen. Bei dem sogenannten "12th Street Riot", ausgelöst durch eine Polizeirazzia in einem schwarzen Stadtviertel, starben insgesamt 43 Menschen.

Oscar-Preisträgerin Kathryn Bigelow – nach "The Hurt Locker" und "Zero Dark Thirty" ist es ihre dritte Zusammenarbeit mit Drehbuchautor Mark Boal – taucht in "Detroit" tief in diese traumatischen Ereignisse ein. Gerade in den ersten zwanzig Minuten erweist sich Bigelow dabei als eine Meisterin des Chaos. Mit unruhiger Kamera fängt sie mit Schwenks und Zooms fiebrige Bilder von Demonstrationen, Straßenschlachten, Verfolgungen und Plünderungen ein. Die Nationalgarde rückt an: "Hier sieht es aus wie in Vietnam, nicht wie in Amerika."

Fast ausschließlich weiße Polizisten gehen skrupellos gegen die frustrierte schwarze Bevölkerung vor. Ein offen rassistischer Cop namens Krauss erschießt einen flüchtenden Mann von hinten. "Tut mir leid", sagt er danach achselzuckend zu seinem Vorgesetzten. Auch beim nächsten Polizeieinsatz ist er wieder mit dabei.

Teenager

Nur langsam und wie zufällig kristallisiert sich eine Gruppe von Menschen aus dem Wirrwarr. Zwei schwarze Teenager wollen den Unruhen entgehen und checken ins Algiers Motel ein. Dort treffen sie auf andere Teens – darunter zwei weiße Mädchen – und hängen ab. Bis einer auf die unselige Idee kommt, mit einer Spielzeugpistole aus dem Fenster zu schießen. Die Polizei vermutet einen Sniper und rückt – unter der Führung von Cop Krauss – ins Hotel ein.

Was daraufhin geschah und als "Algiers Motel Incident" in die Geschichte einging, hat Bigelow penibel rekonstruiert. In einer Art Re-Enactment lässt sie die grausamen Ereignisse in aller Genauigkeit eskalieren: Stundenlang werden die Jugendlichen an der Wand aufstellt und dann einzeln im Nebenzimmer mit "Todesspielen" gefoltert. Der Umstand, dass sie weiße Mädchen mit schwarzen Burschen gefunden haben, macht die Polizisten noch wütender: "Es ist 1967, du Arschloch!", zischt eines der Girls. Vergeblich.

Bigelow bemüht sich, die Übergriffe der Polizei nicht als Ausnahmetat eines Sadisten herauszustellen. Vielmehr geht es um strukturelle Gewalt, die die weiße und schwarze Bevölkerung in "wir" und "sie" unterteilt und für "sie" keine Empathie übrig lässt. "Die Detroiter Polizei dreht gerade durch", vermeldet ein Beamter einer anderen Einheit: "Da wollen wir nicht verwickelt werden."

Eine gefühlte Ewigkeit treibt uns Bigelow wie in einer albtraumhaften Zeitlupe durch die Hitze dieser Ereignisse. Genügend lang, um sich von dem Gedanken zu verabschieden, dass es – Vorsicht! Spoiler! – so etwas wie Gerechtigkeit gibt.

INFO: USA2017. 143 Min. Von Kathryn Bigelow. Mit John Boyega, Algee Smith, Anthony Mackie.

KURIER-Wertung:

"Paddington 2" liefert den seltenen Fall, dass die Fortsetzung einer erfolgreichen Komödie noch besser ist als ihr Original. Der flauschige Bär mit Schlapphut, dessen Fell bis ins kleinste Barthaar wunderbar animiert ist, steckt sich immer noch die elektrische Zahnbürste ins Ohr und bringt beachtliche Propfen zum Vorschein. Um als Fensterputzer Geld zu verdienen, arbeitet Paddington als Ganzkörperschwamm und massiert mit seinem pelzigen Leib die schmutzigen Scheiben der Nachbarschaft.

Alles wäre wunderbar, würde nicht Hugh Grant in heiterer Selbstparodie als abgetakelter Starschauspieler und Cockerspaniel auftreten. Er bringt Paddington in ernstliche Schwierigkeiten und hinter Gitter. Doch selbst die miese Gefängnisküche verwandelt der freundliche Petzi in ein Gourmet-Lokal und macht aus derben Gefängnisinsassen kulinarische Feinspitze. Als deutscher Synchronsprecher des Bären säuselt uns Elyas M’Barek mit weicher Stimme ins Ohr. Unglaublich vergnüglich.

INFO: GB/F 2017. 104 Min. Von Paul King. Mit Hugh Grant, Sally Hawkins, Hugh Bonneville.

KURIER-Wertung:

"Detroit": Albtraum im Algiers Motel
Arbeitet als Fensterputzer: "Paddington2"

Eine ungewohnte Rolle übernahm der Wiener Schauspieler Georg Friedrich in dem kargen Roadmovie des deutschen Regisseurs Thomas Arlsan: Friedrich spielt einen Vater, der mit seinem entfremdeten Teenager-Sohn Luis ("Tschick"-Star Tristan Göbel) einen Roadtrip durch Norwegen macht.

Zuerst wird das Haus des verstorbenen Großvaters besucht, dann ziele in der Umgebung angesteuert – zum besseren Kennenlernen. Vater und Sohn nähern sich nur langsam und unter Eskalationen aneinander an.

Schöne Landschaft, langes Schweigen, unaufgeregtes Kino. Friedrichs unverkennbares, immer etwas angerührt klingendes Wienerisch schmiegt sich an die strammen deutschen Sätze seiner Mitspieler. Er erhielt bei der diesjährigen Berlinale den Silbernen Bären als bester Schauspieler.

INFO: D 2107. 86 Min. Von Thomas Arslan. Mit Georg Friedrich, Tristan Göbel, Marie Leuenberger.

KURIER-Wertung:

"Detroit": Albtraum im Algiers Motel
Schwierige Beziehung: Tristan Göbel (li.) und Georg Friedrich: "Helle Nächte"

Bisher liebte das sportlich orientierte Kino vor allem Boxen und Baseball – aber jetzt zieht der Tennisfilm nach. Nach "Borg/McEnroe" folgt nun "Battle of the Sexes", mit Oscar-Preisträgerin Emma Stone als Sportlerin und Frauenrechts-Aktivistin Billie Jean King. Immerhin war King die Frau, die 1973 den Wimbledon-Champion und notorischen Macho Bobby Riggs herausforderte und besiegte. Die Doku "The Battle of the Sexes" von 2013 ging von der Theorie aus, dass Riggs absichtlich verlor, um Wettschulden bei der Mafia zu begleichen. Vom Spielfilm könnte man einen ausgewogenen Blick auf das Aufeinandertreffen des Chauvinisten Riggs und des Tennis-Superstars King erwarten. Eine Erwartung, die dieser Film nicht erfüllen will. Denn das nicht nur sportliche Kräftemessen zwischen Mann und Frau ist gerade heute mehr denn je relevant. Und so steht der "Heldin" des Films ein "Bösewicht" gegenüber, der in seinem Männlichkeitsgehabe beinahe grotesk wirkt. Den exzellenten Schauspielern gelingt es aber, ihre Figuren vor einem Abgleiten in die Karikatur zu bewahren.

Text: Gabriele Flossmann

INFO: GB/USA 2017. 121 Min. Von Jonathan Dayton, Valerie Faris. Mit Emma Stone, Steve Carell.

KURIER-Wertung:

"Detroit": Albtraum im Algiers Motel
Steve Carell und Emma Stone in "Battle of the Sexes"

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