Der Sisyphos aus Mexico City
Es gibt Geschichten, die regalmeterweise philosophische Abhandlungen tragen, sich aber ebenso gut in einfachen Bildern darstellen lassen. Etwa der Mythos von Sisyphos, der seinen Fels den Berg hinaufrollt, nur damit er von dort wieder hinunterrollt. Oder die Qual des Tantalos, der sich nach Früchten am Baum streckt, doch wenn er sie greifen will, weht ein Windstoß das Obst weg.
Der in Mexico City lebende, aus Belgien stammende Künstler Francis Alÿs ist ein Spezialist dafür, derartige Erzählungen poetisch neu umzusetzen. „Sometimes making something leads to nothing“ heißt etwa ein Video, das im Rahmen seiner aktuellen Schau in der Wiener Secession (bis 22.1.2017) gezeigt wird – Alÿs schiebt in dem Werk einen Eisklotz durch die Straßen seiner Wahlheimatstadt, bis er völlig geschmolzen ist: Etwas zu machen, führt manchmal zu Nichts.
Miniaturen
Filme und Performances sind aber nur Nebenthema der Wiener Schau, die eine Alÿs-Retrospektive buchtäblich en miniature zustande bringt.
Fast immer schildern die Bilder Situationen, in denen Menschen oder Tiere in seltsame Abhängigkeiten verstrickt oder in Endlosschleifen gefangen sind – sie stehen auf Leitern, die nirgends hinführen, müssen gemeinsam ein Tuch auswringen oder ein Seil in Spannung halten (s. auch Bild links).
Zwischen den Bildern sind Aphorismen und Handlungsanleitungen zu lesen, einige davon beschreiben konkret umgesetzte Aktionen wie jene, bei der 500 Freiwillige eine Sanddüne zehn Zentimeter weit bewegten („When faith moves mountains“, 2002).
When Faith Moves Mountains from Francis Alÿs on Vimeo.
Dass Alÿs’ Arbeiten meist vor dem Hintergrund problematischer Situationen in Lateinamerika stattfanden, ist in Wien nicht wirklich offensichtlich. Die Schau zeigt aber einen Gedankenkosmos, der das Absurde der Kunst als ein Refugium vor dem Absurden der Welt behauptet und verteidigt. Allein damit entfaltet das Werk schon eine erhellende, ja tröstliche Wirkung.
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