Der "Platoon"-Parsifal ging baden

 
Die Neuproduktion geriet in der Regie von Laufenberg szenisch völlig daneben und musikalisch medioker.

Also wenn wir hier die Mittel von Regisseur Uwe Eric Laufenberg – Schlagwörter, plakative Bilder, nur ja keine Analysen – einsetzen, reichen zur Beschreibung der szenischen Qualität der Neuproduktion von Richard Wagners "Parsifal" bei den Bayreuther Festspielen ein paar Wörter wie BAUCHFLECK! oder BANKROTTERKLÄRUNG! Die Höflichkeit verbietet die Verwendung weiterer passender Kraftausdrücke. Jedenfalls wäre nach dieser Logik der Suche schneller Antworten diese Rezension auch schon wieder zu Ende.

Da es jedoch gerade bei "Parsifal" um tiefer liegende Phänomene wie Transzendenz geht, verlangt selbst diese Produktion, über die man am liebsten den Mantel des Schweigens breiten würde, eine detaillierte Betrachtung. Ironisch gesehen könnte man, in Anspielung an Monty Python, meinen, man sei mit dem "Ministry of silly ideas" für Regisseure konfrontiert. Leider ist das Thema jedoch viel zu ernst, weshalb eine derart oberflächliche Inszenierung nicht nur ärgerlich, sondern geradezu gefährlich ist.

Flüchtlinge

Schon beim Vorspiel öffnet sich der Vorhang, und man sieht Flüchtlinge auf Notbetten in einem Kloster, das optisch an die Original-Bühne von "Parsifal" aus dem Jahr 1882 erinnert. Dieses Kloster, so stellt sich später heraus, ist hier nicht die Burg Monsalvat, sondern der Rückzugsort einer christlichen Gemeinschaft in Syrien oder im Irak, mitten im Kriegsgebiet. Kundry erscheint in einer Burka, Amfortas ist ein Hollywood-Jesus mit Dornenkranz und blutenden Wunden. Parsifal erlegt gleichzeitig mit dem Schwan ein kleines Kind. Klingsor ist ein Islamist in der Identitätskrise, der den Gebetsteppich wegwirft und sich heimlich vor Kruzifixen geißelt (dass Kreuze später auch zu Penissen werden, ist nur lächerlich). Die Blumenmädchen sehen aus wie schwarze Witwen, tragen jedoch darunter billige Outfits von Bauchtänzerinnen. Und sie steigen mit Parsifal, der eine Art US-Soldier ist und mit anderen Heroes die Welt retten soll, in einem Hamam ins Wasser. " Platoon" im Nahen Osten. Jedenfalls geht dieser "Parsifal" insgesamt ganz schön baden.

Möglicherweise könnte man ja aus diesen Versatzstücken eine Geschichte basteln, einen Kommentar zu den wohl wichtigsten Themen unserer Zeit abgeben, der Flüchtlingskrise und dem Ausufern von Gewalt. Aber Laufenberg zeigt nur Klischees, missbraucht Religionen zur Bebilderung wie auf dem marktschreierischen Boulevard, sorgt für Konfusion, wo es dringend Klarheit bräuchte, forscht nicht nach Ursachen und bietet als Lösung an, dass am besten alle Religionsvertreter ihre Symbole begraben und wieder nach Hause gehen. Halleluja! Das ist banal wie Wahlkampfreden von Donald Trump. Und viele jubeln.

Ganz übel ist, dass Laufenberg für die Verwandlungsmusiken Vorhänge braucht und darauf Videos zeigt: Einmal einen Flug aus dem Kloster ins All, einmal das Ertrinken von Kundry, Amfortas und Wagner. Beim Karfreitagszauber stellt er das Propagandabild einer deutschen Großfamilie im NS-Stil dar – ohne Kommentar.

Man kann und muss sogar bei "Parsifal" die Themen unserer Zeit verhandeln. Wenn man jedoch keine Antwort hat und keinen neuen Gedanken beitragen kann, sollte man die Finger davon lassen.

Kruzifixe

1951 war es, als Wieland Wagner bei seiner Hinterfragung, wie man Wagner nach Auschwitz noch spielen könne, das Werk von seinem religiösen Gewicht befreite und einen rein sekulären "Parsifal" (ohne Kruzifixe und Hakenkreuze) zeigte. Jetzt sind die Kreuzritter zurück auf dem Grünen Hügel.

Ursprünglich hätte Jonathan Meese "Parsifal" inszenieren sollen, er wurde aber wegen angeblicher Kostenüberschreitung hinauskomplimentiert. Vielleicht wäre das auch schiefgegangen. Aber auf einem anderen intellektuellen Level. Und man muss sich fragen, was von einer Intendanz zu halten ist, die einen solchen Schwenk macht.

Zwei Topstimmen

Auch der Dirigent ist ein Einspringer: Hartmut Haenchen ersetzte den offenkundig aufgrund einer Missstimmung abgereisten Andris Nelsons. Er bleibt oberflächlich, an den Tiefgang eines Pierre Boulez (beim Schlingensief-"Parsifal") darf man gar nicht denken. Diesmal ist das Bühnenweihfestspiel musikalisch wenig differenziert, anfangs schleppend, dann gehetzt, zwischen Graben und Bühne nicht einmal durchgehend synchron.

Aus der Besetzung ragen zwei Sänger heraus: Georg Zeppenfeld als erstklassiger, prachtvoll phrasierender, wortdeutlicher, stimmlich berührender Gurnemanz; sowie Elena Pankratova als höhensichere, ausdrucksstarke Kundry. Klaus Florian Vogt ist ein eindimensionaler Parsifal, nicht im geringsten heldisch, mit technischen Mankos. Auch als Darsteller macht er keine Entwicklung durch. Ryan McKinny, der Amfortas, punktet mehr dank seines muskulösen Oberkörpers denn mit vokaler Gestaltung. Gerd Grochowski ist ein kaum geführter und gar nicht interessanter Klingsor. Karl-Heinz Lehner füllt die Rolle des Titurel gut aus.

2017 dirigiert in Bayreuth Philippe Jordan "Meistersinger" in der Regie von Barrie Kosky. Das sollte ein Quantensprung werden.

KURIER-Wertung:

Ursprünglich hätte Performance-Künstler Jonathan Meese „Parsifal“ inszenieren sollen. Als Reaktion hat er dem KURIER ein eigenes Bild zukommen lassen.

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