"Der Komet": Bis das letzte Lämpchen verglüht

"Der Komet": Bis das letzte Lämpchen verglüht
Roland Schimmelpfennig inszenierte am Akademietheater "Der Komet". Ein Abend, der lieber lang statt tiefgründig war.

Es wäre mehr gewesen, wenn ... irgendjemand den Mut gehabt hätte, weniger draus zu machen. Gartenpartys sind ja was Feines. Aber so in Echtzeit, drei lange Stunden, auf die Bühne gestellt – da verglüht irgendwann auch das letzte lustige Dekolämpchen.

Roland Schimmelpfennig inszenierte am Akademietheater "Der Komet", ein Stück seiner Frau Justine del Corte. Eine Tragikomödie. Zumindest beim Lesen. Für die Uraufführung setzte das Künstlerpaar auf Lacher.

Die gab’s reichlich. Und zu Recht. Trotzdem: Es wäre mehr gewesen, wenn ... das Unglück all dieser Charaktere, die Verletzungen, Verstörungen, Versäumnisse, die Leben mit sich bringt, spürbarer gemacht worden wäre.

So watete man durch Untiefen, wo man in Abgründe hätte blicken sollen.

Das Herzstück der Handlung ist nämlich herzzerreißend. Elisabeth, die Hauptfigur, will sich vorsätzlich eine schöne Erinnerung schaffen. Besser gesagt: Diese wiederholen, indem sie ihr Hochzeitsfest von vor zehn Jahren eins zu eins nachstellt. Vom Insektenstich, der zum Allergieschock führte, bis zur missglückten Torte.

Halbherzig

Der Freundeskreis spielt bemüht, aber halbherzig mit. Einerseits will man Elisabeth, die unter einem ständig seitenspringenden Ehemann leidet, eine Freude machen, andererseits ist jedoch jeder mit seinen eigenen Problemen beschäftigt.

Die stellen die Burg-Kräfte dar, als ob sie in zwei Parallelproduktionen agierten.

"Echt" trifft exaltiert.

So wirken etwa Sylvie Rohrer als Elisabeth und Fabian Krüger als Göttergatte und Gott in Weiß (Chirurg!) wie einem Griechendrama entsprungen. Er ein selbst ernannter Satyr mit entsprechendem Sexualtrieb, sie changierend zwischen enthusiastisch und elegisch.

Ähnlich überspannt agiert Dorothee Hartinger als mannstolle Anna – outrieren, bis das Kleid platzt und den Blick auf ein himmelblaues Höschen freigibt.

Einzig Corinna Kirchhoff als abgetakelter Bühnenstar überzeugt auf diese Art.

Trocken

Wie anders hingegen Sabine Haupt und Peter Knaack, die sich als Vera und Nick an ihrer Hassliebe (er: Liebe, sie: Hass) aufreiben. Oder die wunderbare Barbara Petritsch, die als Alkoholikerin die trockensten Kommentare des Abends absondert. Martin Reinke überzeugt als gescheite, gescheiterte Schriftstellerexistenz.

Mit kleinen, gemeinen Gesten machen sie das Stück zu dem, was es sein könnte.

Nach der Pause, als das Fest ins Dionysische kippen soll, wird’s nur noch fad. Martin Schwab taucht als Toter (Lungenkrebs!) auf und Petra Morzé als Sterbehelferin. Über die Figuren ist alles erzählt, ihre Konflikte liegen auf dem Gartentisch.

Klüger ist keiner.

Es wäre also mehr gewesen, wenn ... (siehe oben).

KURIER-Wertung: **** von *****

Fazit: Untiefen statt seelischer Abgründe

Stück: Ambitioniert-unterhaltsam. Heiter-melancholisch wie französische Filme. Dem Drang der Autorin nach Küchenphilosophien, wie "Das Schlimmste ist, auf sein Leben zurückzublicken und nicht die eigene Handschrift zu erkennen", wäre zu widerstehen gewesen.

Regie: Zeichnet sich nicht durch Courage zum Zugriff aus. Zog leichte Lacher dem Zeigen von seelischen Abgründen vor.

Darsteller: Wenn Werktreue dem Werk nicht hilft, werkelt eben jeder vor sich hin.

Kommentare