"Was ich mir vorwerfe? Ich habe privat versagt"

Der Sänger, Komponist, Entertainer und Mensch bei seinem letzten Konzert am 5. Dezember 2014 in Wien.
Dieter Chmelars sehr persönliche Erinnerungen an einen großen Meister des guten Willens.

Freitag, 5. Dezember, Wiener Stadthalle. 10.000 Menschen wollen ihn sehen, ihn spüren, ihn liebhaben. Udo-Sprechchöre, minutenlanger Auftrittsapplaus, Getrampel. Später verrät er: "Ich blinzle jeden Abend durch den Vorhang in Ihre Gesichter, wenn Sie in den Saal strömen und ich frage mich jeden Abend: Warum kommt grad der oder die zu mir?" Und als sich kurz nach der Pause die ersten vor der Bühne einfinden, um ihn zu berühren, sagt er: "Warten Sie bitte noch zwei, drei Lieder. Wenn ich jedem die Hand schüttle, dauert das eine lange Weile. Und ich hasse Langeweile. Wissen Sie, so ein Konzert ist eine physische und psychische Herausforderung – selbst für einen so jungen Menschen wie mich." Schließlich, als seine größten Erfolge eingefordert wurden, gibt er zu denken: "Ich weiß, Sie wollen die alten Sachen, aber ich singe lieber die neuen, weil sonst glauben Sie ja, der denkt über nichts Neues mehr nach ..."

Opinion-Lieder

Als wir einander nach diesem – jetzt weiß man’s – letzten Auftritt in kleiner Runde zum letzten Mal auf ein (1!) Glas Sekt und eine (1!) Zigarette begegnen, da fasse ich mir ein Herz und gleich auch seine Schultern: "Du warst dein ganzes Leben anständig. Und zwar kein Gutmensch, wie Miesmenschen gerne sagen, sondern ein guter Mensch."

Er schmunzelt, die gemeißelten Züge werden weich – hart an der Grenze zur Verlegenheit – und er antwortet: "Danke. Aber es gibt genug, was ich mir vorwerfe." Was? "Ich habe privat versagt."

Zwei Ehen, tausend Affären, vier Kinder. Als Familienvater hatte er in der Tat keine nennenswerten "Hits". In der Eiszeit mit Panja zogen sie in der Mitte ihrer Zürcher Villa sogar eine Demarkationslinie. "Ich wollte immer nur grenzenlose Liebe und Leidenschaft. Ich war wie süchtig danach. Das war leider der falsche Weg."

Aber was er sang, waren von Anfang an Opinion-Lieder. Gegen den Fremdenhass ("Griechischer Wein"), gegen die das Pillenverbot des Papstes ("Gehet hin und vermehret euch"), gegen Drogen ("Rot blüht der Mohn"), gegen Mobbing ("Das ehrenwerte Haus"). Angesichts der Todesursache dachte ich: Das erste Mal in 80 Jahren, dass dein Herz versagt. Merci, Freund.

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